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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Kinematograph und Zeitgeschichte

selten vorgeführt, sondern auch Bilder gezeigt werden, welche den Beweis dafür
erbringen, daß das Deutsche Reich zum mindesten nicht mindere Bedeutung
beanspruchen kann als die anderen europäischen Großmächte. Selbstverständlich
wird die Bedeutung Deutschlands nicht um einen Deut größer oder geringer,
je nachdem, ob Films von Kaiserparaden, von Torpedobootübungen, von
Stapelläufen, von glänzenden Festlichkeiten und Aufzügen kinematographisch
verewigt und im Auslande gezeigt werden oder ob dies nicht geschieht, und doch
ist diese Tatsache für die Einschätzung der Bedeutung Deutschlands im Auslande
-- natürlich nicht bei den Kabinetten der Großmächte, wohl aber bei den nicht
oder nur einseitig unterrichteten Volkskreisen und bei den nicht zivilisierten
Völkern -- von gar nicht gering einzuschätzender Bedeutung. Wer dies aus
Hochmut verkennen wollte, würde einen argen Fehler begehen. Dadurch, daß
unsere Kriegsschiffe in fernen Zonen die deutsche Flagge zeigen, wird materiell
die Bedeutung Deutschlands auch nicht gesteigert, und doch weiß man schon seit
langem die moralische Bedeutung der Entsendung von Kriegsschiffen ein¬
zuschätzen. Und gar nicht viel anders wirkt es, wenn Films mit Bildern aus
dem Heere und aus der Kriegsmarine in fremden Welten vorgeführt werden.
Insofern ist der Kinematograph der Wirklichkeit sogar überlegen, als er
Tausenden, welche ein deutsches Kriegsschiff, geschweige denn deutsche Truppen,
niemals sehen würden, beides wenigstens im Bilde zeigen kann, und mit
unendlich viel geringeren Kosten, die noch dazu nicht von den deutschen Steuer¬
zahlern getragen werden, sondern von den Angehörigen der betreffenden fremden
Nationen!

Aus diesen Gründen kann es uns keineswegs gleichgültig sein, mit welchem
Prozentsatz Deutschland an den aktuellen Films beteiligt ist. Die Frage ist
dabei nicht die, ob die aktuellen Films von deutschen oder von ausländischen
Fabrikanten hergestellt und in den Handel gebracht werden, sondern vielmehr
die, wieviele deutsche und wieviele ausländische Aufnahmen sich unter den
von den deutschen oder von den ausländischen Filmfabrikanten erzeugten
aktuellen Films befinden. Es wäre nicht einmal erwünscht, daß die deutschen
Filmfabriken sich auf die Aufnahmen einheimischer Begebenheiten beschränken
würden, da hierdurch ihre Absatzmöglichkeit im Auslande, die für uns, wie
bemerkt, keineswegs gleichgültig ist, herabgesetzt werden würde. Noch weniger
aber wäre es erfreulich, wenn die französischen Filmfabrikanten aus Deutsch¬
land so gut wie gar keine Aufnahmen bringen würden. Es liegt vielmehr in
unserem nationalen Interesse, daß alle Filmfabriken, welche sich mit der Her¬
stellung aktueller Films befassen, gleichzeitig deutsche und ausländische Auf¬
nahmen bringen, dabei aber die deutschen in angemessener Weise berücksichtigen.

Während früher die französischen Häuser nur in ganz verschwindend geringem
Maße die zeitgeschichtlichen Ereignisse in Deutschland berücksichtigten, ist in
letzter Zeit, wie ja auch die beiden beispielsweise wiedergegebenen Programme
zeigen, eine Wandlung zum Besseren bemerkbar. Man geht wohl nicht fehl.


Kinematograph und Zeitgeschichte

selten vorgeführt, sondern auch Bilder gezeigt werden, welche den Beweis dafür
erbringen, daß das Deutsche Reich zum mindesten nicht mindere Bedeutung
beanspruchen kann als die anderen europäischen Großmächte. Selbstverständlich
wird die Bedeutung Deutschlands nicht um einen Deut größer oder geringer,
je nachdem, ob Films von Kaiserparaden, von Torpedobootübungen, von
Stapelläufen, von glänzenden Festlichkeiten und Aufzügen kinematographisch
verewigt und im Auslande gezeigt werden oder ob dies nicht geschieht, und doch
ist diese Tatsache für die Einschätzung der Bedeutung Deutschlands im Auslande
— natürlich nicht bei den Kabinetten der Großmächte, wohl aber bei den nicht
oder nur einseitig unterrichteten Volkskreisen und bei den nicht zivilisierten
Völkern — von gar nicht gering einzuschätzender Bedeutung. Wer dies aus
Hochmut verkennen wollte, würde einen argen Fehler begehen. Dadurch, daß
unsere Kriegsschiffe in fernen Zonen die deutsche Flagge zeigen, wird materiell
die Bedeutung Deutschlands auch nicht gesteigert, und doch weiß man schon seit
langem die moralische Bedeutung der Entsendung von Kriegsschiffen ein¬
zuschätzen. Und gar nicht viel anders wirkt es, wenn Films mit Bildern aus
dem Heere und aus der Kriegsmarine in fremden Welten vorgeführt werden.
Insofern ist der Kinematograph der Wirklichkeit sogar überlegen, als er
Tausenden, welche ein deutsches Kriegsschiff, geschweige denn deutsche Truppen,
niemals sehen würden, beides wenigstens im Bilde zeigen kann, und mit
unendlich viel geringeren Kosten, die noch dazu nicht von den deutschen Steuer¬
zahlern getragen werden, sondern von den Angehörigen der betreffenden fremden
Nationen!

Aus diesen Gründen kann es uns keineswegs gleichgültig sein, mit welchem
Prozentsatz Deutschland an den aktuellen Films beteiligt ist. Die Frage ist
dabei nicht die, ob die aktuellen Films von deutschen oder von ausländischen
Fabrikanten hergestellt und in den Handel gebracht werden, sondern vielmehr
die, wieviele deutsche und wieviele ausländische Aufnahmen sich unter den
von den deutschen oder von den ausländischen Filmfabrikanten erzeugten
aktuellen Films befinden. Es wäre nicht einmal erwünscht, daß die deutschen
Filmfabriken sich auf die Aufnahmen einheimischer Begebenheiten beschränken
würden, da hierdurch ihre Absatzmöglichkeit im Auslande, die für uns, wie
bemerkt, keineswegs gleichgültig ist, herabgesetzt werden würde. Noch weniger
aber wäre es erfreulich, wenn die französischen Filmfabrikanten aus Deutsch¬
land so gut wie gar keine Aufnahmen bringen würden. Es liegt vielmehr in
unserem nationalen Interesse, daß alle Filmfabriken, welche sich mit der Her¬
stellung aktueller Films befassen, gleichzeitig deutsche und ausländische Auf¬
nahmen bringen, dabei aber die deutschen in angemessener Weise berücksichtigen.

Während früher die französischen Häuser nur in ganz verschwindend geringem
Maße die zeitgeschichtlichen Ereignisse in Deutschland berücksichtigten, ist in
letzter Zeit, wie ja auch die beiden beispielsweise wiedergegebenen Programme
zeigen, eine Wandlung zum Besseren bemerkbar. Man geht wohl nicht fehl.


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[0630] Kinematograph und Zeitgeschichte selten vorgeführt, sondern auch Bilder gezeigt werden, welche den Beweis dafür erbringen, daß das Deutsche Reich zum mindesten nicht mindere Bedeutung beanspruchen kann als die anderen europäischen Großmächte. Selbstverständlich wird die Bedeutung Deutschlands nicht um einen Deut größer oder geringer, je nachdem, ob Films von Kaiserparaden, von Torpedobootübungen, von Stapelläufen, von glänzenden Festlichkeiten und Aufzügen kinematographisch verewigt und im Auslande gezeigt werden oder ob dies nicht geschieht, und doch ist diese Tatsache für die Einschätzung der Bedeutung Deutschlands im Auslande — natürlich nicht bei den Kabinetten der Großmächte, wohl aber bei den nicht oder nur einseitig unterrichteten Volkskreisen und bei den nicht zivilisierten Völkern — von gar nicht gering einzuschätzender Bedeutung. Wer dies aus Hochmut verkennen wollte, würde einen argen Fehler begehen. Dadurch, daß unsere Kriegsschiffe in fernen Zonen die deutsche Flagge zeigen, wird materiell die Bedeutung Deutschlands auch nicht gesteigert, und doch weiß man schon seit langem die moralische Bedeutung der Entsendung von Kriegsschiffen ein¬ zuschätzen. Und gar nicht viel anders wirkt es, wenn Films mit Bildern aus dem Heere und aus der Kriegsmarine in fremden Welten vorgeführt werden. Insofern ist der Kinematograph der Wirklichkeit sogar überlegen, als er Tausenden, welche ein deutsches Kriegsschiff, geschweige denn deutsche Truppen, niemals sehen würden, beides wenigstens im Bilde zeigen kann, und mit unendlich viel geringeren Kosten, die noch dazu nicht von den deutschen Steuer¬ zahlern getragen werden, sondern von den Angehörigen der betreffenden fremden Nationen! Aus diesen Gründen kann es uns keineswegs gleichgültig sein, mit welchem Prozentsatz Deutschland an den aktuellen Films beteiligt ist. Die Frage ist dabei nicht die, ob die aktuellen Films von deutschen oder von ausländischen Fabrikanten hergestellt und in den Handel gebracht werden, sondern vielmehr die, wieviele deutsche und wieviele ausländische Aufnahmen sich unter den von den deutschen oder von den ausländischen Filmfabrikanten erzeugten aktuellen Films befinden. Es wäre nicht einmal erwünscht, daß die deutschen Filmfabriken sich auf die Aufnahmen einheimischer Begebenheiten beschränken würden, da hierdurch ihre Absatzmöglichkeit im Auslande, die für uns, wie bemerkt, keineswegs gleichgültig ist, herabgesetzt werden würde. Noch weniger aber wäre es erfreulich, wenn die französischen Filmfabrikanten aus Deutsch¬ land so gut wie gar keine Aufnahmen bringen würden. Es liegt vielmehr in unserem nationalen Interesse, daß alle Filmfabriken, welche sich mit der Her¬ stellung aktueller Films befassen, gleichzeitig deutsche und ausländische Auf¬ nahmen bringen, dabei aber die deutschen in angemessener Weise berücksichtigen. Während früher die französischen Häuser nur in ganz verschwindend geringem Maße die zeitgeschichtlichen Ereignisse in Deutschland berücksichtigten, ist in letzter Zeit, wie ja auch die beiden beispielsweise wiedergegebenen Programme zeigen, eine Wandlung zum Besseren bemerkbar. Man geht wohl nicht fehl.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/630>, abgerufen am 20.10.2024.