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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Das Erbrecht des Staates

Der Entwurf von 1908 nannte 25 Millionen Mark, was der von 1913
als wesentlich zu hoch gegriffen, mangels sicherer Schätzungsgrundlagen, bezeichnet.

Wenn Justizrat Bamberger (Erbschaftsreform 1908) den zu erzielenden
Gewinn auf 500 Millionen schätzt, so ist nicht zu vergessen, daß er hierbei von
einer weitergehenden Einschränkung des Jntestaterbrechts ausgeht, als der Ent¬
wurf von 1913 es tut.

Daß der von der Regierung berechnete Gewinn von 20 Millionen Mark
infolge der von der Kommission beschlossenen Änderung des Z 5 und Einfügung
des Z 6a in den Entwurf noch etwas vermindert wird, muß als selbstverständlich
angenommen werden.

statistisch festgestellt (Vierteljahrshefte zur Statistik des Deutschen Reichs
im Jahre 1913) sind in Deutschland Steuerpflichtige Erwerbsanfälle im Werte:

1910 .... 738777738 Mark
1911 .... 817764802 "

Die Erbanfälle an Abkömmlinge und Gatten, sowie alle Erbansälle von
weniger als 500 Mark sind nicht einberechnet.

Hiervon kommen im Jahre 1911 auf:

1. leibliche Eltern.......... 5,23 Prozent,
2. Geschwister........... 34.80
3. Abkömmlinge ersten Grades von Geschwistern. 29,15 "
Summa 69,18 Prozent.

Um den durch Erbgang zu erwartenden Gewinn des Fiskus (Reich, Staat,
Gemeinde) annähernd richtig berechnen zu können, müßten noch die auf weitere
Abkömmlinge der Geschwister und auf die Großeltern entfallenden Erbschaften
prozentual bekannt sein -- nicht zu vergessen die Fälle, in denen ein Testament
errichtet wurde.

Über die künftige Grenze des Jntestaterbrechts herrschen verschiedene An¬
sichten. Der Entwurf spricht in 8 1 nur den Abkömmlingen des Erblassers,
seinen Eltern und deren Abkömmlingen, den Großeltern (ohne Abkömmlinge)
und schließlich dem Ehegatten ein gesetzliches Erbrecht zu.

Er geht hierbei einmal von der historischen, eingangs erwähnten Tatsache
aus, daß das ältere römische und deutsche Recht, sowie verschiedene moderne
Gesetzgebungen (Frankreich, Österreich, Schweiz) kein unbeschränktes Jntestaterb-
recht kennen, auch die für die zweite Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen
Gesetzbuchs eingesetzte Kommission ursprünglich für eine Beschränkung des Erb¬
rechts gewesen ist.

Was die Beschränkung des Erbrechts im besonderen betrifft, so tritt der
Entwurf einerseits nicht nur für die unbeschränkte Erbfolge von Ehegatten,
Abkömmlingen und Eltern, als etwas ganz Selbstverständliches, ein, sondern


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Das Erbrecht des Staates

Der Entwurf von 1908 nannte 25 Millionen Mark, was der von 1913
als wesentlich zu hoch gegriffen, mangels sicherer Schätzungsgrundlagen, bezeichnet.

Wenn Justizrat Bamberger (Erbschaftsreform 1908) den zu erzielenden
Gewinn auf 500 Millionen schätzt, so ist nicht zu vergessen, daß er hierbei von
einer weitergehenden Einschränkung des Jntestaterbrechts ausgeht, als der Ent¬
wurf von 1913 es tut.

Daß der von der Regierung berechnete Gewinn von 20 Millionen Mark
infolge der von der Kommission beschlossenen Änderung des Z 5 und Einfügung
des Z 6a in den Entwurf noch etwas vermindert wird, muß als selbstverständlich
angenommen werden.

statistisch festgestellt (Vierteljahrshefte zur Statistik des Deutschen Reichs
im Jahre 1913) sind in Deutschland Steuerpflichtige Erwerbsanfälle im Werte:

1910 .... 738777738 Mark
1911 .... 817764802 „

Die Erbanfälle an Abkömmlinge und Gatten, sowie alle Erbansälle von
weniger als 500 Mark sind nicht einberechnet.

Hiervon kommen im Jahre 1911 auf:

1. leibliche Eltern.......... 5,23 Prozent,
2. Geschwister........... 34.80
3. Abkömmlinge ersten Grades von Geschwistern. 29,15 „
Summa 69,18 Prozent.

Um den durch Erbgang zu erwartenden Gewinn des Fiskus (Reich, Staat,
Gemeinde) annähernd richtig berechnen zu können, müßten noch die auf weitere
Abkömmlinge der Geschwister und auf die Großeltern entfallenden Erbschaften
prozentual bekannt sein — nicht zu vergessen die Fälle, in denen ein Testament
errichtet wurde.

Über die künftige Grenze des Jntestaterbrechts herrschen verschiedene An¬
sichten. Der Entwurf spricht in 8 1 nur den Abkömmlingen des Erblassers,
seinen Eltern und deren Abkömmlingen, den Großeltern (ohne Abkömmlinge)
und schließlich dem Ehegatten ein gesetzliches Erbrecht zu.

Er geht hierbei einmal von der historischen, eingangs erwähnten Tatsache
aus, daß das ältere römische und deutsche Recht, sowie verschiedene moderne
Gesetzgebungen (Frankreich, Österreich, Schweiz) kein unbeschränktes Jntestaterb-
recht kennen, auch die für die zweite Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen
Gesetzbuchs eingesetzte Kommission ursprünglich für eine Beschränkung des Erb¬
rechts gewesen ist.

Was die Beschränkung des Erbrechts im besonderen betrifft, so tritt der
Entwurf einerseits nicht nur für die unbeschränkte Erbfolge von Ehegatten,
Abkömmlingen und Eltern, als etwas ganz Selbstverständliches, ein, sondern


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[0607] Das Erbrecht des Staates Der Entwurf von 1908 nannte 25 Millionen Mark, was der von 1913 als wesentlich zu hoch gegriffen, mangels sicherer Schätzungsgrundlagen, bezeichnet. Wenn Justizrat Bamberger (Erbschaftsreform 1908) den zu erzielenden Gewinn auf 500 Millionen schätzt, so ist nicht zu vergessen, daß er hierbei von einer weitergehenden Einschränkung des Jntestaterbrechts ausgeht, als der Ent¬ wurf von 1913 es tut. Daß der von der Regierung berechnete Gewinn von 20 Millionen Mark infolge der von der Kommission beschlossenen Änderung des Z 5 und Einfügung des Z 6a in den Entwurf noch etwas vermindert wird, muß als selbstverständlich angenommen werden. statistisch festgestellt (Vierteljahrshefte zur Statistik des Deutschen Reichs im Jahre 1913) sind in Deutschland Steuerpflichtige Erwerbsanfälle im Werte: 1910 .... 738777738 Mark 1911 .... 817764802 „ Die Erbanfälle an Abkömmlinge und Gatten, sowie alle Erbansälle von weniger als 500 Mark sind nicht einberechnet. Hiervon kommen im Jahre 1911 auf: 1. leibliche Eltern.......... 5,23 Prozent, 2. Geschwister........... 34.80 3. Abkömmlinge ersten Grades von Geschwistern. 29,15 „ Summa 69,18 Prozent. Um den durch Erbgang zu erwartenden Gewinn des Fiskus (Reich, Staat, Gemeinde) annähernd richtig berechnen zu können, müßten noch die auf weitere Abkömmlinge der Geschwister und auf die Großeltern entfallenden Erbschaften prozentual bekannt sein — nicht zu vergessen die Fälle, in denen ein Testament errichtet wurde. Über die künftige Grenze des Jntestaterbrechts herrschen verschiedene An¬ sichten. Der Entwurf spricht in 8 1 nur den Abkömmlingen des Erblassers, seinen Eltern und deren Abkömmlingen, den Großeltern (ohne Abkömmlinge) und schließlich dem Ehegatten ein gesetzliches Erbrecht zu. Er geht hierbei einmal von der historischen, eingangs erwähnten Tatsache aus, daß das ältere römische und deutsche Recht, sowie verschiedene moderne Gesetzgebungen (Frankreich, Österreich, Schweiz) kein unbeschränktes Jntestaterb- recht kennen, auch die für die zweite Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs eingesetzte Kommission ursprünglich für eine Beschränkung des Erb¬ rechts gewesen ist. Was die Beschränkung des Erbrechts im besonderen betrifft, so tritt der Entwurf einerseits nicht nur für die unbeschränkte Erbfolge von Ehegatten, Abkömmlingen und Eltern, als etwas ganz Selbstverständliches, ein, sondern 38'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/607>, abgerufen am 20.10.2024.