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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Lin Nachwort zum Metzer Katholikentag

begegneten. So war es bei dem Rundschreiben gegen den Modernismus, das
doch soviel Klarheit gebracht hat in Fragen, die nur im grellsten Lichte der
Wahrheit ihre rechte Lösung finden können, so bei den Anordnungen über die
Kinderkommunion. Gar mancher unter uns mag erschrocken sein über die Kühn¬
heit, mit der der Papst in so heikle Verhältnisse hineingegriffen. Und doch macht
schon heute der Erfolg sich fühlbar. Wer heute noch immer nicht erkennt, daß
die Enzyklika Singular! quaäam ein Segen für uns ist, der möge es aus
früheren Erfahrungen schließen. (Beifall.) Wir danken dir. Heiliger Vater, für
dieses Wort zur rechten Zeit, und wir wollen es befolgen. (Langanhallendev
Beifall und Zustimmung.) Wir bitten dir ab allen Kummer, den wir dir,
ohne es zu wollen, bereitet haben mögen, und versprechen dir, dich in schweren
Zeiten zu trösten durch freudigen Gehorsam gegen deine väterlichen Ermahnungen."

Man braucht über die verhimmelnden Ausdrücke gegenüber dem Papst nich
erstaunt zu sein, wenn sie auch typisch sind für den Kultus, der von einem
Teil der deutschen Katholiken mit der Autorität der Kurie im allgemeinen
und dem jetzigen Papst im besonderen getrieben wird und der seitens des
offiziellen Kirchentums, ganz besonders aber vom Papst selbst, immer stürmischer
verlangt wird.

Wichtiger ist, daß wir durch sie zum ersten Male an prononzierter Stelle
durch den Mund eines rückhaltlosen Bewunderers Pius des Zehnten erfahren,
wie selbst bei den unerschütterlichsten Anhängern der Kurie die pcistlichen Erlasse
Bedenken hervorriefen und erst nach und nach verdaut oder besser herunter¬
geschluckt wurden. Jene Worte des Fürsten Löwenstein sind merkwürdigerweise
verhältnismäßig wenig beachtet und in ihrer wahren Bedeutung wohl kaum
erkannt worden. Und doch werfen sie ein grelles Schlaglicht auf die geistige
Verfassung der großen Masse der heutigen gebildeten Katholiken bis weit in
die akademischen Kreise hinein. Hier erfährt die intellektuelle Lage des modernen
Durchschnittskatholizismus eine psychologische Aufhellung, die auch dem Draußen¬
stehenden einen Einblick gewährt in die jede Autonomie auf die Dauer zugrunde
richtende römische Denkweise. Ganz absehen wollen wir von der großen Anzahl der
meist unbewußt, vielfach aber auch bewußt auf jede Denkautonomie verzichtenden
Katholiken. Daß diese auch die ärgste Zumutung des Papstes kritiklos hin¬
nehmen und ohne weiteres als Produkt höchster religiöser Weisheit betrachten,
bedarf keiner besonderen Hervorhebung. Wie weit "hinauf" in die Kreise von
"Wissenschaft" und "Literatur" dieser bewußte Verzicht sich erstrecken kann, hat
das schon fast groteske Gebaren der österreichischen Dichtergruppe des Gral¬
bundes und ihres "universell-genialen" Führers Richard von Kraut anläßlich
der literarischen Kämpfe der deutschen Katholiken in den letzten Jahren
gezeigt. Über dieser breiten Unterschicht der restlos der Heteronomie Verfallenen
befindet sich nun eine zweite, weniger umfangreiche, aber wohl einflußreichere
und für das nationale Leben bedeutungsvollere Schicht, die sich aus den ge¬
weckteren und intelligenteren Kreisen des deutschen Katholizismus rekrutiert.


Lin Nachwort zum Metzer Katholikentag

begegneten. So war es bei dem Rundschreiben gegen den Modernismus, das
doch soviel Klarheit gebracht hat in Fragen, die nur im grellsten Lichte der
Wahrheit ihre rechte Lösung finden können, so bei den Anordnungen über die
Kinderkommunion. Gar mancher unter uns mag erschrocken sein über die Kühn¬
heit, mit der der Papst in so heikle Verhältnisse hineingegriffen. Und doch macht
schon heute der Erfolg sich fühlbar. Wer heute noch immer nicht erkennt, daß
die Enzyklika Singular! quaäam ein Segen für uns ist, der möge es aus
früheren Erfahrungen schließen. (Beifall.) Wir danken dir. Heiliger Vater, für
dieses Wort zur rechten Zeit, und wir wollen es befolgen. (Langanhallendev
Beifall und Zustimmung.) Wir bitten dir ab allen Kummer, den wir dir,
ohne es zu wollen, bereitet haben mögen, und versprechen dir, dich in schweren
Zeiten zu trösten durch freudigen Gehorsam gegen deine väterlichen Ermahnungen."

Man braucht über die verhimmelnden Ausdrücke gegenüber dem Papst nich
erstaunt zu sein, wenn sie auch typisch sind für den Kultus, der von einem
Teil der deutschen Katholiken mit der Autorität der Kurie im allgemeinen
und dem jetzigen Papst im besonderen getrieben wird und der seitens des
offiziellen Kirchentums, ganz besonders aber vom Papst selbst, immer stürmischer
verlangt wird.

Wichtiger ist, daß wir durch sie zum ersten Male an prononzierter Stelle
durch den Mund eines rückhaltlosen Bewunderers Pius des Zehnten erfahren,
wie selbst bei den unerschütterlichsten Anhängern der Kurie die pcistlichen Erlasse
Bedenken hervorriefen und erst nach und nach verdaut oder besser herunter¬
geschluckt wurden. Jene Worte des Fürsten Löwenstein sind merkwürdigerweise
verhältnismäßig wenig beachtet und in ihrer wahren Bedeutung wohl kaum
erkannt worden. Und doch werfen sie ein grelles Schlaglicht auf die geistige
Verfassung der großen Masse der heutigen gebildeten Katholiken bis weit in
die akademischen Kreise hinein. Hier erfährt die intellektuelle Lage des modernen
Durchschnittskatholizismus eine psychologische Aufhellung, die auch dem Draußen¬
stehenden einen Einblick gewährt in die jede Autonomie auf die Dauer zugrunde
richtende römische Denkweise. Ganz absehen wollen wir von der großen Anzahl der
meist unbewußt, vielfach aber auch bewußt auf jede Denkautonomie verzichtenden
Katholiken. Daß diese auch die ärgste Zumutung des Papstes kritiklos hin¬
nehmen und ohne weiteres als Produkt höchster religiöser Weisheit betrachten,
bedarf keiner besonderen Hervorhebung. Wie weit „hinauf" in die Kreise von
„Wissenschaft" und „Literatur" dieser bewußte Verzicht sich erstrecken kann, hat
das schon fast groteske Gebaren der österreichischen Dichtergruppe des Gral¬
bundes und ihres „universell-genialen" Führers Richard von Kraut anläßlich
der literarischen Kämpfe der deutschen Katholiken in den letzten Jahren
gezeigt. Über dieser breiten Unterschicht der restlos der Heteronomie Verfallenen
befindet sich nun eine zweite, weniger umfangreiche, aber wohl einflußreichere
und für das nationale Leben bedeutungsvollere Schicht, die sich aus den ge¬
weckteren und intelligenteren Kreisen des deutschen Katholizismus rekrutiert.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/595>, abgerufen am 28.12.2024.