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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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schlagen wurde, dürfte kaum angehen, weil
nun einmal die Marktlage für die Staats¬
papiere sich so gestaltet hat, wie sie ist; richtig
erscheint vielmehr nur der Gedanke, mit allen
Mitteln dahin zu arbeiten, daß die Marktlage
für unsere Staatspapiere eine bessere wird,
daß der Anlagemarkt entlastet, der Preis der
Anlagewerte dadurch wieder gesteigert und so
das völlig verloren gegangene Vertrauen des
Publikums in die Staatspapiere wieder
zurückgewonnen wird.

Hierzu giebt es nach der Ansicht des Ein¬
senders zwei Wege: einmal die tunlichste
Zurückhaltung der Regierungen in der Auf¬
nahme neuer Anlehen und zusammenhängend
damit die tunlichst rasche Hennzahlung der be¬
stehenden Anlehen; dann aber die Vermehrung
der Nachfrage nach AnlehenSwertcn durch eine
Planmäßige Steigerung der Hartgeldmenge.
Den ersten Weg, die Vermeidung neuer An¬
lehen, hat die Reichsregierung mit gutem
Geschick durch die Deckung der Kosten der
neuen Wehrvorlage nnttelst einer außerordent¬
lichen Anlage auf die größeren Vermögen
und Einkommen eingeschlagen und es würde
sich vielleicht auch für unsere Einzelstaaten
empfehlen, die Ausgabe neuer Anlehen über¬
haupt grundsätzlich zu unterlassen und den
Bedarf für ihre außerordentlichen Bedürfnisse
ebenfalls durch vermehrte Steuern zu decken.
Das würde jedenfalls den großen Vorteil
auch für den Steuerzahler bieten, daß dann
die Zinslasten, welche neue Anlehen immer
für den Steuerzahler mit sich bringen, ver¬
mieden würden und daß das Bedürfnis nach
einem sparsameren Wirtschaften im Staats¬
und Gemeindehaushalt, das heute den wei¬
testen Kreisen des Volkes verloren gegangen
zu sein scheint, sich mit elementarer Gewalt
Geltung verschaffen würde. In dieser Be¬
ziehung wird es eben nicht besser kommen,
als bis es einmal auch den reichen Leuten
ernstlich an die Rippen geht.

Gehen wir erst einmal im Reiche wie in
den Einzelstaaten von dem Grundsatze aus,
daß neue Anlehen unter gar keinen Um¬
ständen mehr aufgenommen werden dürfen
und daß von den bestehenden Anlehen künftig,
wie das früher Wohl erwogener Wirtschafts¬
grundsatz war, mindestens 2 Prozent jährlich
heimzuzahlen sind, so werden wir bald wieder

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in geordnete Wirtschaftsbahnen kommen, und
der Einsender glaubt, daß dieses Ziel einmal
fest ins Auge gefaßt werden sollte, selbst wenn
z B. zur Durchführung desselben die Ein¬
kommensteuer für die Leute mit einem Ein¬
kommen von über 10000 Mark ganz erheb¬
lich gesteigert und die indirekten Steuern auf
Bier und Wein sowie die Personen- und
Gütertarife unserer Verkehrsanstalten nicht
unwesentlich erhöht werden müßten. Eine
solche energische Finanzpolitik wäre sicher ge¬
eignet, in verhältnismäßig kurzer Zeit eine
derartige Erleichterung unserer Staatsfinanzen
herbeizuführen, daß dann wieder in vor¬
sichtiger Weise mit den Steuern und Ge¬
bühren abgebaut werden könnte.

Aber dieser Gedanke der Verminderung
der Ansprüche an den Kapitalmarkt erscheint
dem Einsender nur der eine Teil des wirt¬
schaftlichen Reformprogramms, das uns not
tut; neben dieser Verminderung der Nachfrage
des Staats nach Geld muß auch eine ganz
erhebliche Vermehrung der Hartgeldmenge
treten, wenn rasch geholfen werden soll. Und
diese rasche Hilfe tut wahrlich dringend not.

Da legt nun der Gedanke der Reichs-'
regierung, die für die Heeresvermehrung er¬
forderlichen Mittel durch eine dem Mittelalter
entnommene, seither nicht übliche außerordent¬
liche Vermögens- und Einkommensteuer, eine
"Schätzung" oder "Beede" aufzubringen, den
weiteren Gedanken nahe, warum unsere Reichs¬
regierung, wenn sie nun schon einmal unserem
Heere zuliebe zum steuerlichen Rüstzeuge des
Mittelalters gegriffen hat, nicht auch unserem
zerrütteten Anlagemarkt zuliebe die im Mittel¬
alter so gern geübte Maßregel einer außer¬
ordentlichen Münzprägung anwenden und da¬
durch die Menge unseres Hartgeldes ent¬
sprechend vermehren sollte. Es legt sich dieser
Gedanke nach Ansicht des Einsenders um so
mehr nahe, als dieser Gedanke von der Reichs¬
regierung ja bereits zur Hebung des Be¬
standes unseres Neichskriegsschatzes in An¬
wendung gebracht wird in der Art, daß die
Hälfte dieses Reichskriegsschatzes in Gold ge¬
prägt und in der Neichsbank niedergelegt
wird und die Kosten für dieses Gold durch
Ausgabe von Neichskassenscheinen gedeckt wer¬
den, während die andere Hälfte mit 120 Mil¬
lionen Mark in Silber ausgeprägt und die

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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schlagen wurde, dürfte kaum angehen, weil
nun einmal die Marktlage für die Staats¬
papiere sich so gestaltet hat, wie sie ist; richtig
erscheint vielmehr nur der Gedanke, mit allen
Mitteln dahin zu arbeiten, daß die Marktlage
für unsere Staatspapiere eine bessere wird,
daß der Anlagemarkt entlastet, der Preis der
Anlagewerte dadurch wieder gesteigert und so
das völlig verloren gegangene Vertrauen des
Publikums in die Staatspapiere wieder
zurückgewonnen wird.

Hierzu giebt es nach der Ansicht des Ein¬
senders zwei Wege: einmal die tunlichste
Zurückhaltung der Regierungen in der Auf¬
nahme neuer Anlehen und zusammenhängend
damit die tunlichst rasche Hennzahlung der be¬
stehenden Anlehen; dann aber die Vermehrung
der Nachfrage nach AnlehenSwertcn durch eine
Planmäßige Steigerung der Hartgeldmenge.
Den ersten Weg, die Vermeidung neuer An¬
lehen, hat die Reichsregierung mit gutem
Geschick durch die Deckung der Kosten der
neuen Wehrvorlage nnttelst einer außerordent¬
lichen Anlage auf die größeren Vermögen
und Einkommen eingeschlagen und es würde
sich vielleicht auch für unsere Einzelstaaten
empfehlen, die Ausgabe neuer Anlehen über¬
haupt grundsätzlich zu unterlassen und den
Bedarf für ihre außerordentlichen Bedürfnisse
ebenfalls durch vermehrte Steuern zu decken.
Das würde jedenfalls den großen Vorteil
auch für den Steuerzahler bieten, daß dann
die Zinslasten, welche neue Anlehen immer
für den Steuerzahler mit sich bringen, ver¬
mieden würden und daß das Bedürfnis nach
einem sparsameren Wirtschaften im Staats¬
und Gemeindehaushalt, das heute den wei¬
testen Kreisen des Volkes verloren gegangen
zu sein scheint, sich mit elementarer Gewalt
Geltung verschaffen würde. In dieser Be¬
ziehung wird es eben nicht besser kommen,
als bis es einmal auch den reichen Leuten
ernstlich an die Rippen geht.

Gehen wir erst einmal im Reiche wie in
den Einzelstaaten von dem Grundsatze aus,
daß neue Anlehen unter gar keinen Um¬
ständen mehr aufgenommen werden dürfen
und daß von den bestehenden Anlehen künftig,
wie das früher Wohl erwogener Wirtschafts¬
grundsatz war, mindestens 2 Prozent jährlich
heimzuzahlen sind, so werden wir bald wieder

[Spaltenumbruch]

in geordnete Wirtschaftsbahnen kommen, und
der Einsender glaubt, daß dieses Ziel einmal
fest ins Auge gefaßt werden sollte, selbst wenn
z B. zur Durchführung desselben die Ein¬
kommensteuer für die Leute mit einem Ein¬
kommen von über 10000 Mark ganz erheb¬
lich gesteigert und die indirekten Steuern auf
Bier und Wein sowie die Personen- und
Gütertarife unserer Verkehrsanstalten nicht
unwesentlich erhöht werden müßten. Eine
solche energische Finanzpolitik wäre sicher ge¬
eignet, in verhältnismäßig kurzer Zeit eine
derartige Erleichterung unserer Staatsfinanzen
herbeizuführen, daß dann wieder in vor¬
sichtiger Weise mit den Steuern und Ge¬
bühren abgebaut werden könnte.

Aber dieser Gedanke der Verminderung
der Ansprüche an den Kapitalmarkt erscheint
dem Einsender nur der eine Teil des wirt¬
schaftlichen Reformprogramms, das uns not
tut; neben dieser Verminderung der Nachfrage
des Staats nach Geld muß auch eine ganz
erhebliche Vermehrung der Hartgeldmenge
treten, wenn rasch geholfen werden soll. Und
diese rasche Hilfe tut wahrlich dringend not.

Da legt nun der Gedanke der Reichs-'
regierung, die für die Heeresvermehrung er¬
forderlichen Mittel durch eine dem Mittelalter
entnommene, seither nicht übliche außerordent¬
liche Vermögens- und Einkommensteuer, eine
„Schätzung" oder „Beede" aufzubringen, den
weiteren Gedanken nahe, warum unsere Reichs¬
regierung, wenn sie nun schon einmal unserem
Heere zuliebe zum steuerlichen Rüstzeuge des
Mittelalters gegriffen hat, nicht auch unserem
zerrütteten Anlagemarkt zuliebe die im Mittel¬
alter so gern geübte Maßregel einer außer¬
ordentlichen Münzprägung anwenden und da¬
durch die Menge unseres Hartgeldes ent¬
sprechend vermehren sollte. Es legt sich dieser
Gedanke nach Ansicht des Einsenders um so
mehr nahe, als dieser Gedanke von der Reichs¬
regierung ja bereits zur Hebung des Be¬
standes unseres Neichskriegsschatzes in An¬
wendung gebracht wird in der Art, daß die
Hälfte dieses Reichskriegsschatzes in Gold ge¬
prägt und in der Neichsbank niedergelegt
wird und die Kosten für dieses Gold durch
Ausgabe von Neichskassenscheinen gedeckt wer¬
den, während die andere Hälfte mit 120 Mil¬
lionen Mark in Silber ausgeprägt und die

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[0536] Maßgebliches und Unmaßgebliches schlagen wurde, dürfte kaum angehen, weil nun einmal die Marktlage für die Staats¬ papiere sich so gestaltet hat, wie sie ist; richtig erscheint vielmehr nur der Gedanke, mit allen Mitteln dahin zu arbeiten, daß die Marktlage für unsere Staatspapiere eine bessere wird, daß der Anlagemarkt entlastet, der Preis der Anlagewerte dadurch wieder gesteigert und so das völlig verloren gegangene Vertrauen des Publikums in die Staatspapiere wieder zurückgewonnen wird. Hierzu giebt es nach der Ansicht des Ein¬ senders zwei Wege: einmal die tunlichste Zurückhaltung der Regierungen in der Auf¬ nahme neuer Anlehen und zusammenhängend damit die tunlichst rasche Hennzahlung der be¬ stehenden Anlehen; dann aber die Vermehrung der Nachfrage nach AnlehenSwertcn durch eine Planmäßige Steigerung der Hartgeldmenge. Den ersten Weg, die Vermeidung neuer An¬ lehen, hat die Reichsregierung mit gutem Geschick durch die Deckung der Kosten der neuen Wehrvorlage nnttelst einer außerordent¬ lichen Anlage auf die größeren Vermögen und Einkommen eingeschlagen und es würde sich vielleicht auch für unsere Einzelstaaten empfehlen, die Ausgabe neuer Anlehen über¬ haupt grundsätzlich zu unterlassen und den Bedarf für ihre außerordentlichen Bedürfnisse ebenfalls durch vermehrte Steuern zu decken. Das würde jedenfalls den großen Vorteil auch für den Steuerzahler bieten, daß dann die Zinslasten, welche neue Anlehen immer für den Steuerzahler mit sich bringen, ver¬ mieden würden und daß das Bedürfnis nach einem sparsameren Wirtschaften im Staats¬ und Gemeindehaushalt, das heute den wei¬ testen Kreisen des Volkes verloren gegangen zu sein scheint, sich mit elementarer Gewalt Geltung verschaffen würde. In dieser Be¬ ziehung wird es eben nicht besser kommen, als bis es einmal auch den reichen Leuten ernstlich an die Rippen geht. Gehen wir erst einmal im Reiche wie in den Einzelstaaten von dem Grundsatze aus, daß neue Anlehen unter gar keinen Um¬ ständen mehr aufgenommen werden dürfen und daß von den bestehenden Anlehen künftig, wie das früher Wohl erwogener Wirtschafts¬ grundsatz war, mindestens 2 Prozent jährlich heimzuzahlen sind, so werden wir bald wieder in geordnete Wirtschaftsbahnen kommen, und der Einsender glaubt, daß dieses Ziel einmal fest ins Auge gefaßt werden sollte, selbst wenn z B. zur Durchführung desselben die Ein¬ kommensteuer für die Leute mit einem Ein¬ kommen von über 10000 Mark ganz erheb¬ lich gesteigert und die indirekten Steuern auf Bier und Wein sowie die Personen- und Gütertarife unserer Verkehrsanstalten nicht unwesentlich erhöht werden müßten. Eine solche energische Finanzpolitik wäre sicher ge¬ eignet, in verhältnismäßig kurzer Zeit eine derartige Erleichterung unserer Staatsfinanzen herbeizuführen, daß dann wieder in vor¬ sichtiger Weise mit den Steuern und Ge¬ bühren abgebaut werden könnte. Aber dieser Gedanke der Verminderung der Ansprüche an den Kapitalmarkt erscheint dem Einsender nur der eine Teil des wirt¬ schaftlichen Reformprogramms, das uns not tut; neben dieser Verminderung der Nachfrage des Staats nach Geld muß auch eine ganz erhebliche Vermehrung der Hartgeldmenge treten, wenn rasch geholfen werden soll. Und diese rasche Hilfe tut wahrlich dringend not. Da legt nun der Gedanke der Reichs-' regierung, die für die Heeresvermehrung er¬ forderlichen Mittel durch eine dem Mittelalter entnommene, seither nicht übliche außerordent¬ liche Vermögens- und Einkommensteuer, eine „Schätzung" oder „Beede" aufzubringen, den weiteren Gedanken nahe, warum unsere Reichs¬ regierung, wenn sie nun schon einmal unserem Heere zuliebe zum steuerlichen Rüstzeuge des Mittelalters gegriffen hat, nicht auch unserem zerrütteten Anlagemarkt zuliebe die im Mittel¬ alter so gern geübte Maßregel einer außer¬ ordentlichen Münzprägung anwenden und da¬ durch die Menge unseres Hartgeldes ent¬ sprechend vermehren sollte. Es legt sich dieser Gedanke nach Ansicht des Einsenders um so mehr nahe, als dieser Gedanke von der Reichs¬ regierung ja bereits zur Hebung des Be¬ standes unseres Neichskriegsschatzes in An¬ wendung gebracht wird in der Art, daß die Hälfte dieses Reichskriegsschatzes in Gold ge¬ prägt und in der Neichsbank niedergelegt wird und die Kosten für dieses Gold durch Ausgabe von Neichskassenscheinen gedeckt wer¬ den, während die andere Hälfte mit 120 Mil¬ lionen Mark in Silber ausgeprägt und die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/536>, abgerufen am 27.12.2024.