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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Abschaffung des "Min") erneut zur Er¬
örterung gestellt. Es sei zunächst betont, daß
es sich hierbei aller Wahrscheinlichkeit nicht
um den Schutz der noch in den ersten An¬
fängen befindlichen chinesischen Industrie, son¬
dern um reine Finanzzölle, sowie um die Ab¬
stellung von Miszständen handeln wird, die in
dem mangelhaften Arbeiten des chinesischen
Verwaltungsapparates begründet sind. Die
in Aussicht stehenden Verhandlungen werden
daher in gleicher Weise die Aufbesserung der
chinesischen Finanzen wie die Föroerung des
fremden Handels in China zu berücksichtigen
haben.

Der Handel Chinas mit dem Auslande
gründet sich auch heute noch auf die Verträge,
die die Großmächte in den Jahren 1842 bis
18S1 mit China geschlossen haben. Ganz
China ist dem Warenverkehr mit dem Aus¬
lande gegen Zahlung bestimmter Zölle an die
chinesische Regierung, bestehend in Einfuhr-,
Ausfuhr- und Durchgangszoll geöffnet. Von
bestimmten -- dem sogenannten "fremden
Handel geöffneten" -- Hafenplätzen und ein¬
zelnen größeren Orten im Inlande aus dürfen
fremde Kaufleute Geschäfte mit irgendeinem
Teile des chinesischen Reiches anknüpfen und
abschließen und Waren versenden. Bei der
Einfuhr soll nach Zahlung des Einfuhr- und
Durchgangszolls (Transit) keine andere Ab¬
gabe irgendwelcher Art (!), nach welchem Teile
des Reiches die Waren auch gebracht werden
mögen, von ihnen erhoben werden. Einfuhr-
und Ausfuhrzoll betragen je 5 v. H. des
Wertes; soll die Ware in Durchfuhr nach einem
anderen Ort im Innern des Reiches versandt
oder aus diesem angebracht werden, so be¬
trägt die Transitgebühr (Durchgangszoll) die
Hälfte des Ein- bzw. Ausfuhrzolls, also
2^2 v. H.; -außerdem wird ein, Zuschlags¬
zoll von der Hälfte des Ausfuhrzolles, also
ebenfalls 2'/z v. H. bei der Einfuhr der
Waren in irgendeinem chinesischen Hasen der
Küste erhoben. Eine Quelle von Schwierig¬
keiten ist von Anfang an die Bestimmung ge¬
wesen, daß bei der Einfuhr nach Zahlung der
Transitgebühr keine Abgabe irgendeiner Art,

[Spaltenumbruch]

nach welchem Teile des Reiches die Waren
auch gebracht werden mögen, von ihnen er¬
hoben werden soll. Dieser Durchgangszoll --
im Chinesischen "Jnlandzoll" (nicht Likin) --
wurde von Lord Elgin, dem Unterzeichner
des britisch-chinesischen Vertrages von 18S8,
ursprünglich als Ersatz für alle bis dahin
bestehenden Zölle und Abgaben im Innern
Chinas aufgefaßt und wäre daher besser auch
im englischen Text jenes Vertrages als In¬
land- oder Jnlandersatzzoll bezeichnet worden.
Wie aber der Name auch sein mag -- Transit¬
oder Jnlandzoll --, es ist sicher, daß er als
eine unwandelbare Ablösung aller willkür¬
lichen Auflagen (Likin) der Provinzialregie-
gierungen, d. h aller und jeder Abgaben im
Inlands gedacht war. Es war und ist ver¬
tragsgemäß dem Kaufmann überlassen, die
sämtlichen Abgaben der Steuern im Inlands
zu bezahlen, oder sie durch einmalige Zahlung
der 2^/gprozentigen Transitgebühr abzulösen.
China dagegen vertritt die Auffassung, daß
der Transitzoll die Ware nur vom Hafen auf
dem Wege bis zum Bestimmungsort schütze
und daß, nachdem die Ware dort angekommen
und der sie "unterwegs" schützende Paß ab¬
gegeben sei, sie jeder andern chinesischen Lokal¬
steuer, genau wie einheimische chinesische Ware,
unterliege. Diese Meinungsverschiedenheiten
bestehen trotz den weitläufigen Verhandlungen,
die in den letzten fünfzig Jahren zwischen
China und den Mächten geführt worden sind,
auch heute noch, obgleich China in Artikel 8
des mit England am 5. September 1902 ge¬
schlossenen, allerdings nicht in Kraft gesetzten
Mackay-Vertrages, daS Likin ausdrücklich als
verkehrsstörend und damit schädlich für den
Handel anerkennt.

Die nach Beendigung der Boxerunruhen
im Schlußprotokoll vom 7. September 1901
ausbedungenen neuen Handelsverträge boten
und bieten Gelegenheit, das Likinwesen zu
beseitigen; um so mehr als China von Jahr
zu Jahr in stärkerem Maße sich genötigt sieht,
auf höhere Einnahmen aus den vertraglichen
Zöllen zu dringen und dieser Möglichkeit
gegenüber sich zur Abstellung gewisser Be¬
lästigungen des Handels zu verstehen. Eng¬
lind, die Vereinigten Staaten und Japan
haben dementsprechend mit China verhandelt.
Es sind auch Verträge unterzeichnet worden,

[Ende Spaltensatz]
*) Ein Tausendstel von jedem Tael (ki)
des Wertes der Ware in bar (Kilt ----- Metall).
Ein Tael zurzeit rund 3 Mark.
Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Abschaffung des „Min") erneut zur Er¬
örterung gestellt. Es sei zunächst betont, daß
es sich hierbei aller Wahrscheinlichkeit nicht
um den Schutz der noch in den ersten An¬
fängen befindlichen chinesischen Industrie, son¬
dern um reine Finanzzölle, sowie um die Ab¬
stellung von Miszständen handeln wird, die in
dem mangelhaften Arbeiten des chinesischen
Verwaltungsapparates begründet sind. Die
in Aussicht stehenden Verhandlungen werden
daher in gleicher Weise die Aufbesserung der
chinesischen Finanzen wie die Föroerung des
fremden Handels in China zu berücksichtigen
haben.

Der Handel Chinas mit dem Auslande
gründet sich auch heute noch auf die Verträge,
die die Großmächte in den Jahren 1842 bis
18S1 mit China geschlossen haben. Ganz
China ist dem Warenverkehr mit dem Aus¬
lande gegen Zahlung bestimmter Zölle an die
chinesische Regierung, bestehend in Einfuhr-,
Ausfuhr- und Durchgangszoll geöffnet. Von
bestimmten — dem sogenannten „fremden
Handel geöffneten" — Hafenplätzen und ein¬
zelnen größeren Orten im Inlande aus dürfen
fremde Kaufleute Geschäfte mit irgendeinem
Teile des chinesischen Reiches anknüpfen und
abschließen und Waren versenden. Bei der
Einfuhr soll nach Zahlung des Einfuhr- und
Durchgangszolls (Transit) keine andere Ab¬
gabe irgendwelcher Art (!), nach welchem Teile
des Reiches die Waren auch gebracht werden
mögen, von ihnen erhoben werden. Einfuhr-
und Ausfuhrzoll betragen je 5 v. H. des
Wertes; soll die Ware in Durchfuhr nach einem
anderen Ort im Innern des Reiches versandt
oder aus diesem angebracht werden, so be¬
trägt die Transitgebühr (Durchgangszoll) die
Hälfte des Ein- bzw. Ausfuhrzolls, also
2^2 v. H.; -außerdem wird ein, Zuschlags¬
zoll von der Hälfte des Ausfuhrzolles, also
ebenfalls 2'/z v. H. bei der Einfuhr der
Waren in irgendeinem chinesischen Hasen der
Küste erhoben. Eine Quelle von Schwierig¬
keiten ist von Anfang an die Bestimmung ge¬
wesen, daß bei der Einfuhr nach Zahlung der
Transitgebühr keine Abgabe irgendeiner Art,

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nach welchem Teile des Reiches die Waren
auch gebracht werden mögen, von ihnen er¬
hoben werden soll. Dieser Durchgangszoll —
im Chinesischen „Jnlandzoll" (nicht Likin) —
wurde von Lord Elgin, dem Unterzeichner
des britisch-chinesischen Vertrages von 18S8,
ursprünglich als Ersatz für alle bis dahin
bestehenden Zölle und Abgaben im Innern
Chinas aufgefaßt und wäre daher besser auch
im englischen Text jenes Vertrages als In¬
land- oder Jnlandersatzzoll bezeichnet worden.
Wie aber der Name auch sein mag — Transit¬
oder Jnlandzoll —, es ist sicher, daß er als
eine unwandelbare Ablösung aller willkür¬
lichen Auflagen (Likin) der Provinzialregie-
gierungen, d. h aller und jeder Abgaben im
Inlands gedacht war. Es war und ist ver¬
tragsgemäß dem Kaufmann überlassen, die
sämtlichen Abgaben der Steuern im Inlands
zu bezahlen, oder sie durch einmalige Zahlung
der 2^/gprozentigen Transitgebühr abzulösen.
China dagegen vertritt die Auffassung, daß
der Transitzoll die Ware nur vom Hafen auf
dem Wege bis zum Bestimmungsort schütze
und daß, nachdem die Ware dort angekommen
und der sie „unterwegs" schützende Paß ab¬
gegeben sei, sie jeder andern chinesischen Lokal¬
steuer, genau wie einheimische chinesische Ware,
unterliege. Diese Meinungsverschiedenheiten
bestehen trotz den weitläufigen Verhandlungen,
die in den letzten fünfzig Jahren zwischen
China und den Mächten geführt worden sind,
auch heute noch, obgleich China in Artikel 8
des mit England am 5. September 1902 ge¬
schlossenen, allerdings nicht in Kraft gesetzten
Mackay-Vertrages, daS Likin ausdrücklich als
verkehrsstörend und damit schädlich für den
Handel anerkennt.

Die nach Beendigung der Boxerunruhen
im Schlußprotokoll vom 7. September 1901
ausbedungenen neuen Handelsverträge boten
und bieten Gelegenheit, das Likinwesen zu
beseitigen; um so mehr als China von Jahr
zu Jahr in stärkerem Maße sich genötigt sieht,
auf höhere Einnahmen aus den vertraglichen
Zöllen zu dringen und dieser Möglichkeit
gegenüber sich zur Abstellung gewisser Be¬
lästigungen des Handels zu verstehen. Eng¬
lind, die Vereinigten Staaten und Japan
haben dementsprechend mit China verhandelt.
Es sind auch Verträge unterzeichnet worden,

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*) Ein Tausendstel von jedem Tael (ki)
des Wertes der Ware in bar (Kilt ----- Metall).
Ein Tael zurzeit rund 3 Mark.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/394>, abgerufen am 19.10.2024.