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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Die Zukunft der preußische" Ausiedluugspolitik in der Gstniark

punkte seiner Verwaltung hinsichtlich der gemachten Vorschläge geltend zu
machen.

Das, was die Ansiedlungskommission in siebenundzwanzigjähriger Tätigkeit
erreicht hat, ist durchaus nicht zu unterschätzen. Die einhundertundfünfzigtausend
Deutsche, die in den Ansiedlungsgemeinden (und auf den noch nicht fertig besiedelten
Ansiedlungsgütern) leben und zum größten Teile wirtschaftlich gedeihen, stellen
bereits heute im nationalen Kampfe einen starken Machtfaktor auf der deutschen
Seite dar. Auch auf den Gebieten der Kirchen- und Schulpolitik, der Kom¬
munalpolitik, des Kleinsiedlungswesens, des Domänenankaufs und vor allem
der Besitzfestigung sind Anläufe genommen, die zu Hoffnungen für die Zukunft
berechtigen. Trotz alledem aber hat das kinderreiche und volksbewußte Polentum
auch in den letzten Jahrzehnten noch auf vielen Gebieten Fortschritte gemacht
und Boden gewonnen. Zwar hat sich die Verhältniszahl der Deutschen zu den
Polen in den Ansiedlungsprovinzen im letzten Jahrzehnt zum ersten Male seit
sehr langer Zeit zugunsten des Deutschtums verschoben und die Reichs- und
Landtagswahlen ergeben im allgemeinen ein günstiges Bild, aber immer noch
geht mehr deutscher Grundbesitz in polnische Hand über als umgekehrt, und
manche ostmärkische Stadt ist heute stärker slawisch durchsetzt wie 1886.

Sieger in dem großen Nationalitäten kämpfe um die Ostmark werden wir
gegen das polnische Viermillionenvolk nur sein, wenn wir mindestens noch
fünfzig Jahre mit gleicher -- möglichst noch gesteigerter -- Tatkraft den Kampf
weiterführen wie bisher, wenn wir jedes Gebiet, auf dem eine staatliche Ein¬
wirkung überhaupt möglich ist, im nationalen Interesse bearbeiten und wenn
wir ein Mittel finden, der polnischen Presse den Mund zu stopfen. Sollten
wir die Zustimmung des Zentrums zu einer -- das Verbot im Inlande in
nichtdeutscher Sprache erscheinender Zeitungen zulassenden -- Änderung des
Reichspreßgesetzes nur mit der Preisgabe der Reste des Jesuitengesetzes erkaufen
können, so müßte meines Erachtens dies Opfer gebracht werden, denn es stehen
w der Ostmark doch noch wichtigere vaterländische Interessen in Frage.

Erfreulicherweise scheint ja jetzt, nach Jahren der Einschränkung des An-
siedlungswerkes. der Verminderung der Ankäufe und des Rückganges der jährlich
Zur Ansehung gelangenden Ansiedlerzahl wieder ein etwas frischerer Wind die
Segel der Ansiedlungskommission zu schwellen. Die -- leider nur -- 75 Millionen
Mark, die der preußische Landtag zur Fortführung der Tätigkeit dieser Behörde
kürzlich bewilligt hat, haben den Anstoß zu bedeutenden Ankäufen gegeben und
durch den Übergang der Herrschaft Reihen-Görschen und einiger anderer Gro߬
güter in ihre Hand hat sich der Landvorrat der Ansiedlungskommission wesentlich
vermehrt. Doch rächt sich jetzt die Einschränkung der Ankäufe in den letzten
drei bis vier Jahren bitter, denn im laufenden Jahre und wohl auch noch 1914
wuß wegen der unzureichenden Menge ansiedlungsreifen Landes -- zwischen
dem Ankauf eines Gutes und seiner Auslegung zur Besiedlung vergehen regel-
mäßig mindestens ein bis zwei Jahre -- mit einem erheblichen Rückgange der


Die Zukunft der preußische» Ausiedluugspolitik in der Gstniark

punkte seiner Verwaltung hinsichtlich der gemachten Vorschläge geltend zu
machen.

Das, was die Ansiedlungskommission in siebenundzwanzigjähriger Tätigkeit
erreicht hat, ist durchaus nicht zu unterschätzen. Die einhundertundfünfzigtausend
Deutsche, die in den Ansiedlungsgemeinden (und auf den noch nicht fertig besiedelten
Ansiedlungsgütern) leben und zum größten Teile wirtschaftlich gedeihen, stellen
bereits heute im nationalen Kampfe einen starken Machtfaktor auf der deutschen
Seite dar. Auch auf den Gebieten der Kirchen- und Schulpolitik, der Kom¬
munalpolitik, des Kleinsiedlungswesens, des Domänenankaufs und vor allem
der Besitzfestigung sind Anläufe genommen, die zu Hoffnungen für die Zukunft
berechtigen. Trotz alledem aber hat das kinderreiche und volksbewußte Polentum
auch in den letzten Jahrzehnten noch auf vielen Gebieten Fortschritte gemacht
und Boden gewonnen. Zwar hat sich die Verhältniszahl der Deutschen zu den
Polen in den Ansiedlungsprovinzen im letzten Jahrzehnt zum ersten Male seit
sehr langer Zeit zugunsten des Deutschtums verschoben und die Reichs- und
Landtagswahlen ergeben im allgemeinen ein günstiges Bild, aber immer noch
geht mehr deutscher Grundbesitz in polnische Hand über als umgekehrt, und
manche ostmärkische Stadt ist heute stärker slawisch durchsetzt wie 1886.

Sieger in dem großen Nationalitäten kämpfe um die Ostmark werden wir
gegen das polnische Viermillionenvolk nur sein, wenn wir mindestens noch
fünfzig Jahre mit gleicher — möglichst noch gesteigerter — Tatkraft den Kampf
weiterführen wie bisher, wenn wir jedes Gebiet, auf dem eine staatliche Ein¬
wirkung überhaupt möglich ist, im nationalen Interesse bearbeiten und wenn
wir ein Mittel finden, der polnischen Presse den Mund zu stopfen. Sollten
wir die Zustimmung des Zentrums zu einer — das Verbot im Inlande in
nichtdeutscher Sprache erscheinender Zeitungen zulassenden — Änderung des
Reichspreßgesetzes nur mit der Preisgabe der Reste des Jesuitengesetzes erkaufen
können, so müßte meines Erachtens dies Opfer gebracht werden, denn es stehen
w der Ostmark doch noch wichtigere vaterländische Interessen in Frage.

Erfreulicherweise scheint ja jetzt, nach Jahren der Einschränkung des An-
siedlungswerkes. der Verminderung der Ankäufe und des Rückganges der jährlich
Zur Ansehung gelangenden Ansiedlerzahl wieder ein etwas frischerer Wind die
Segel der Ansiedlungskommission zu schwellen. Die — leider nur — 75 Millionen
Mark, die der preußische Landtag zur Fortführung der Tätigkeit dieser Behörde
kürzlich bewilligt hat, haben den Anstoß zu bedeutenden Ankäufen gegeben und
durch den Übergang der Herrschaft Reihen-Görschen und einiger anderer Gro߬
güter in ihre Hand hat sich der Landvorrat der Ansiedlungskommission wesentlich
vermehrt. Doch rächt sich jetzt die Einschränkung der Ankäufe in den letzten
drei bis vier Jahren bitter, denn im laufenden Jahre und wohl auch noch 1914
wuß wegen der unzureichenden Menge ansiedlungsreifen Landes — zwischen
dem Ankauf eines Gutes und seiner Auslegung zur Besiedlung vergehen regel-
mäßig mindestens ein bis zwei Jahre — mit einem erheblichen Rückgange der


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[0375] Die Zukunft der preußische» Ausiedluugspolitik in der Gstniark punkte seiner Verwaltung hinsichtlich der gemachten Vorschläge geltend zu machen. Das, was die Ansiedlungskommission in siebenundzwanzigjähriger Tätigkeit erreicht hat, ist durchaus nicht zu unterschätzen. Die einhundertundfünfzigtausend Deutsche, die in den Ansiedlungsgemeinden (und auf den noch nicht fertig besiedelten Ansiedlungsgütern) leben und zum größten Teile wirtschaftlich gedeihen, stellen bereits heute im nationalen Kampfe einen starken Machtfaktor auf der deutschen Seite dar. Auch auf den Gebieten der Kirchen- und Schulpolitik, der Kom¬ munalpolitik, des Kleinsiedlungswesens, des Domänenankaufs und vor allem der Besitzfestigung sind Anläufe genommen, die zu Hoffnungen für die Zukunft berechtigen. Trotz alledem aber hat das kinderreiche und volksbewußte Polentum auch in den letzten Jahrzehnten noch auf vielen Gebieten Fortschritte gemacht und Boden gewonnen. Zwar hat sich die Verhältniszahl der Deutschen zu den Polen in den Ansiedlungsprovinzen im letzten Jahrzehnt zum ersten Male seit sehr langer Zeit zugunsten des Deutschtums verschoben und die Reichs- und Landtagswahlen ergeben im allgemeinen ein günstiges Bild, aber immer noch geht mehr deutscher Grundbesitz in polnische Hand über als umgekehrt, und manche ostmärkische Stadt ist heute stärker slawisch durchsetzt wie 1886. Sieger in dem großen Nationalitäten kämpfe um die Ostmark werden wir gegen das polnische Viermillionenvolk nur sein, wenn wir mindestens noch fünfzig Jahre mit gleicher — möglichst noch gesteigerter — Tatkraft den Kampf weiterführen wie bisher, wenn wir jedes Gebiet, auf dem eine staatliche Ein¬ wirkung überhaupt möglich ist, im nationalen Interesse bearbeiten und wenn wir ein Mittel finden, der polnischen Presse den Mund zu stopfen. Sollten wir die Zustimmung des Zentrums zu einer — das Verbot im Inlande in nichtdeutscher Sprache erscheinender Zeitungen zulassenden — Änderung des Reichspreßgesetzes nur mit der Preisgabe der Reste des Jesuitengesetzes erkaufen können, so müßte meines Erachtens dies Opfer gebracht werden, denn es stehen w der Ostmark doch noch wichtigere vaterländische Interessen in Frage. Erfreulicherweise scheint ja jetzt, nach Jahren der Einschränkung des An- siedlungswerkes. der Verminderung der Ankäufe und des Rückganges der jährlich Zur Ansehung gelangenden Ansiedlerzahl wieder ein etwas frischerer Wind die Segel der Ansiedlungskommission zu schwellen. Die — leider nur — 75 Millionen Mark, die der preußische Landtag zur Fortführung der Tätigkeit dieser Behörde kürzlich bewilligt hat, haben den Anstoß zu bedeutenden Ankäufen gegeben und durch den Übergang der Herrschaft Reihen-Görschen und einiger anderer Gro߬ güter in ihre Hand hat sich der Landvorrat der Ansiedlungskommission wesentlich vermehrt. Doch rächt sich jetzt die Einschränkung der Ankäufe in den letzten drei bis vier Jahren bitter, denn im laufenden Jahre und wohl auch noch 1914 wuß wegen der unzureichenden Menge ansiedlungsreifen Landes — zwischen dem Ankauf eines Gutes und seiner Auslegung zur Besiedlung vergehen regel- mäßig mindestens ein bis zwei Jahre — mit einem erheblichen Rückgange der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/375>, abgerufen am 19.10.2024.