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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Die Zukunft der preußischen Ansiedlungspolitik in der Ostmark

nächsten Jahren die Eindeutschung von Stadt und Land mit besonderem Nach¬
druck betrieben werden soll, bei Reibungen innerhalb des gesamten Behörden¬
organismus vermittelnd eingreifen und unerwünschte Seitensprünge einzelner
Sonderbehörden (Eisenbahn, Post usw.) durch Anrufung einer übergeordneten
Instanz hintanhalten.

Das Staatsministerium würde an dem Ostmarkenrat einen zuverlässigen
Berater in den nationalpolitischen Fragen des Ostens haben und nicht mehr
auf die voneinander abweichenden Berichte verschiedener Behördenchefs, die
leicht auch zu einer verschiedenen Stellungnahme der beteiligten Minister führen
können, angewiesen sein. Auch dem Parlament gegenüber würde die --
nötigenfalls bekanntzugebende -- Meinungsäußerung des Ostmarkenrates nicht
ohne Eindruck bleiben und die Regierung würde nicht, wie bisher gelegentlich,
dem Vorwurfe ausgesetzt sein, daß sie sich in der Ostmarkenpolitik von unver¬
antwortlichen Ratgebern (bei energischen Maßnahmen z. B. vom Ostmarken-
verein) bestimmen ließe. Man könnte ja gegen den Gedanken des Ostmarken¬
rates einwenden, daß hierdurch die Ansätze der Selbstverwaltung, wie sie sich bei
der Ansiedlungskommission in Gestalt der Laienmitglieder finden, verkümmert
würden, doch geht dieser Einwand fehl, denn, nachdem dem Präsidenten der
genannten Behörde das selbständige Ankauftsrecht von Gütern auch aus deutscher
Hand eingeräumt ist, ist die Bedeutung des Plenums stark herabgedrückt und
zudem ruht der Schwerpunkt doch natürlich bei den beamteten Mitgliedern.
Auch ist, wie oben bereits gesagt, eine gelegentliche Hinzuziehung der Vertreter
der großen Selbstverwaltungskörperschaften und Standesorganisationen zu den
Beratungen des Ostmarkenrates vorzusehen. Vielleicht könnte man ja den
gleichen Erfolg wie mit der Errichtung des Ostmarkenrates mit der Schaffung
eines Ostmarkenministeriums erreichen, dem alle national-politischen Angelegen¬
heiten des Ostens zuzuweisen wären. Das würde aber einen tiefen Eingriff in
die bisherige Zuständigkeit sämtlicher Minister, insbesondere aber die des
Ministers des Innern und des Landwirtschaftsministers bedeuten und voraus¬
sichtlich bald zu ernsten Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Staats¬
ministeriums über die Abgrenzung der Zuständigkeit der einzelnen Minister
führen, Welcher Minister soll über die schwierigen Personalfragen entscheiden,
insbesondere über die Besetzung der Posten der Oberpräsidenten und des An-
siedlungspräsidenten?! Soll der Minister des Innern gar keinen Einfluß auf
die Städtepolitik, der Landwirtschastsminister keine Machtmittel hinsichtlich der
Bodenpolitik, der Finanzminister keine Zuständigkeit für das Tempo der Ver-
cmsgebung der bewilligten Staatsgelder behalten?! Außerdem wäre ein Staats-
minister, dessen Tätigkeit sich auf einen bestimmten Teil des Staatsgebiets be¬
schränkt, eine völlig neue Erscheinung im preußischen Staate. Da wäre es doch
entschieden vorzuziehen, wenn das Staatsministerium in Ostmarkenfragen von
einiger Wichtigkeit ständig nur auf Grund eines Gutachtens des "Ostmarken¬
rates" verhandelte, worauf jeder Minister in der Lage wäre, die besonderen Gesichts-


Die Zukunft der preußischen Ansiedlungspolitik in der Ostmark

nächsten Jahren die Eindeutschung von Stadt und Land mit besonderem Nach¬
druck betrieben werden soll, bei Reibungen innerhalb des gesamten Behörden¬
organismus vermittelnd eingreifen und unerwünschte Seitensprünge einzelner
Sonderbehörden (Eisenbahn, Post usw.) durch Anrufung einer übergeordneten
Instanz hintanhalten.

Das Staatsministerium würde an dem Ostmarkenrat einen zuverlässigen
Berater in den nationalpolitischen Fragen des Ostens haben und nicht mehr
auf die voneinander abweichenden Berichte verschiedener Behördenchefs, die
leicht auch zu einer verschiedenen Stellungnahme der beteiligten Minister führen
können, angewiesen sein. Auch dem Parlament gegenüber würde die —
nötigenfalls bekanntzugebende — Meinungsäußerung des Ostmarkenrates nicht
ohne Eindruck bleiben und die Regierung würde nicht, wie bisher gelegentlich,
dem Vorwurfe ausgesetzt sein, daß sie sich in der Ostmarkenpolitik von unver¬
antwortlichen Ratgebern (bei energischen Maßnahmen z. B. vom Ostmarken-
verein) bestimmen ließe. Man könnte ja gegen den Gedanken des Ostmarken¬
rates einwenden, daß hierdurch die Ansätze der Selbstverwaltung, wie sie sich bei
der Ansiedlungskommission in Gestalt der Laienmitglieder finden, verkümmert
würden, doch geht dieser Einwand fehl, denn, nachdem dem Präsidenten der
genannten Behörde das selbständige Ankauftsrecht von Gütern auch aus deutscher
Hand eingeräumt ist, ist die Bedeutung des Plenums stark herabgedrückt und
zudem ruht der Schwerpunkt doch natürlich bei den beamteten Mitgliedern.
Auch ist, wie oben bereits gesagt, eine gelegentliche Hinzuziehung der Vertreter
der großen Selbstverwaltungskörperschaften und Standesorganisationen zu den
Beratungen des Ostmarkenrates vorzusehen. Vielleicht könnte man ja den
gleichen Erfolg wie mit der Errichtung des Ostmarkenrates mit der Schaffung
eines Ostmarkenministeriums erreichen, dem alle national-politischen Angelegen¬
heiten des Ostens zuzuweisen wären. Das würde aber einen tiefen Eingriff in
die bisherige Zuständigkeit sämtlicher Minister, insbesondere aber die des
Ministers des Innern und des Landwirtschaftsministers bedeuten und voraus¬
sichtlich bald zu ernsten Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Staats¬
ministeriums über die Abgrenzung der Zuständigkeit der einzelnen Minister
führen, Welcher Minister soll über die schwierigen Personalfragen entscheiden,
insbesondere über die Besetzung der Posten der Oberpräsidenten und des An-
siedlungspräsidenten?! Soll der Minister des Innern gar keinen Einfluß auf
die Städtepolitik, der Landwirtschastsminister keine Machtmittel hinsichtlich der
Bodenpolitik, der Finanzminister keine Zuständigkeit für das Tempo der Ver-
cmsgebung der bewilligten Staatsgelder behalten?! Außerdem wäre ein Staats-
minister, dessen Tätigkeit sich auf einen bestimmten Teil des Staatsgebiets be¬
schränkt, eine völlig neue Erscheinung im preußischen Staate. Da wäre es doch
entschieden vorzuziehen, wenn das Staatsministerium in Ostmarkenfragen von
einiger Wichtigkeit ständig nur auf Grund eines Gutachtens des „Ostmarken¬
rates" verhandelte, worauf jeder Minister in der Lage wäre, die besonderen Gesichts-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/374>, abgerufen am 19.10.2024.