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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Die gelbe Gefahr in Kalifornien
Die Japaner in Hawaii

Simsons Haar wurde abgeschnitten, während er schlief. Die Japaner
brauchen Hawaii nicht mehr zu erobern, -- sie haben es bereits. Das Juwel
des Stillen Ozeans, ein Inselreich von 6000 Quadratmeilen, wurde dem
kleinen braunen Manne ausgeliefert, als der hawaiische Pflanzer sein Erst¬
geburtsrecht für ein Schiff voll Kontraktarbeitern verhandelte, von dessen Mast
die Flagge der aufgehenden Sonne wehte.

Am Ende der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts erschienen auf
Ansuchen der Regierung und der Plantagenbesitzer die ersten japanischen Arbeiter
in Hawaii, wurden in den Zuckerrohrfeldern angestellt und verdrängten die dort
in gleicher Tätigkeit beschäftigten Eingeborenen und Chinesen. Sie kamen als
sogenannte freie Arbeiter, waren aber tatsächlich nichts als Sklaven, für die der
Pflanzer 35 Dollar pro Kopf entrichten mußte.

Im Jahre 1886 wurden nicht weniger als achtundzwanzigtausend Mann
von Japan eingeführt. Zehn Jahre später hatte die Anzahl der japanischen
Bevölkerung in Hawaii eine solche Höhe erreicht, daß sich die Regierung in
Tokio ins Mittel legte und für jeden ihrer auswandernden Untertanen eine
Schutzgarantie in bar verlangte. Am Anfang dieses Jahrhunderts lebten nahezu
einhunderttausend Japaner in Hawaii gegen zwanzigtausend Weiße, wovon nur
wenige aus Amerika gekommen waren. Der Japaner ist seitdem ständig in
Hawaii eingewandert, und mit gleicher Regelmäßigkeit verließ der weiße Mann
das Inselreich; und wenn dasselbe heute ungefähr zweihunderttausend Einwohner
zählt, so sind darunter sicherlich mehr als die Hälfte Japaner. Nach dem Re¬
gister der dort ausgestellten Gewerbescheine sind von zweitausend etwa fünfzehn¬
hundert in japanischen Händen. Fünfzehn einfache Feldarbeiter begannen die
Eroberung; mit seinem rätselhaften Lächeln hat der Japaner in Hawaii alle
anderen Elemente vor sich her und hinausgetrieben.

Bei meinem kurzen Aufenthalte dort -- fünfzehn Jahre sind seitdem ver¬
gangen, und doch sehe ich immer noch die Gemme Honolulu vor dem
geistigen Auge -- hörte ich eine k eine Geschichte, die bezeichnend genug klang.
Auf einer Plantage bot ein Japaner einem weißen Installateur 50 Dollar,
wenn er ihm nur eine kleine, aber schwierig herzustellende Einzelheit in seinen:
Handwerke zeige. Der Weiße weigerte sich. Ein anderer Kaukasier von gleicher
Profession prahlte damit, daß sein japanischer Gehilfe für ihn irgendeine Arbeit
verrichte, während der Besitzer der Werkstatt sich vor den glühenden Strahlen
der subtropischen Sonne im Schatten ausruhte. Bald aber -- nach nur sechs
Jahren -- besaß der Japaner das Geschäft, und der Weiße mußte anderswo
seinen Lebensunterhalt erwerben.

So eroberte der Japaner sich wirtschaftlich das Kanakenreich im Stillen
Ozean, das heute zwar als Territorium den Vereinigten Staaten angehört, zu
80 Prozent aber in japanischen Händen ist.


Die gelbe Gefahr in Kalifornien
Die Japaner in Hawaii

Simsons Haar wurde abgeschnitten, während er schlief. Die Japaner
brauchen Hawaii nicht mehr zu erobern, — sie haben es bereits. Das Juwel
des Stillen Ozeans, ein Inselreich von 6000 Quadratmeilen, wurde dem
kleinen braunen Manne ausgeliefert, als der hawaiische Pflanzer sein Erst¬
geburtsrecht für ein Schiff voll Kontraktarbeitern verhandelte, von dessen Mast
die Flagge der aufgehenden Sonne wehte.

Am Ende der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts erschienen auf
Ansuchen der Regierung und der Plantagenbesitzer die ersten japanischen Arbeiter
in Hawaii, wurden in den Zuckerrohrfeldern angestellt und verdrängten die dort
in gleicher Tätigkeit beschäftigten Eingeborenen und Chinesen. Sie kamen als
sogenannte freie Arbeiter, waren aber tatsächlich nichts als Sklaven, für die der
Pflanzer 35 Dollar pro Kopf entrichten mußte.

Im Jahre 1886 wurden nicht weniger als achtundzwanzigtausend Mann
von Japan eingeführt. Zehn Jahre später hatte die Anzahl der japanischen
Bevölkerung in Hawaii eine solche Höhe erreicht, daß sich die Regierung in
Tokio ins Mittel legte und für jeden ihrer auswandernden Untertanen eine
Schutzgarantie in bar verlangte. Am Anfang dieses Jahrhunderts lebten nahezu
einhunderttausend Japaner in Hawaii gegen zwanzigtausend Weiße, wovon nur
wenige aus Amerika gekommen waren. Der Japaner ist seitdem ständig in
Hawaii eingewandert, und mit gleicher Regelmäßigkeit verließ der weiße Mann
das Inselreich; und wenn dasselbe heute ungefähr zweihunderttausend Einwohner
zählt, so sind darunter sicherlich mehr als die Hälfte Japaner. Nach dem Re¬
gister der dort ausgestellten Gewerbescheine sind von zweitausend etwa fünfzehn¬
hundert in japanischen Händen. Fünfzehn einfache Feldarbeiter begannen die
Eroberung; mit seinem rätselhaften Lächeln hat der Japaner in Hawaii alle
anderen Elemente vor sich her und hinausgetrieben.

Bei meinem kurzen Aufenthalte dort — fünfzehn Jahre sind seitdem ver¬
gangen, und doch sehe ich immer noch die Gemme Honolulu vor dem
geistigen Auge — hörte ich eine k eine Geschichte, die bezeichnend genug klang.
Auf einer Plantage bot ein Japaner einem weißen Installateur 50 Dollar,
wenn er ihm nur eine kleine, aber schwierig herzustellende Einzelheit in seinen:
Handwerke zeige. Der Weiße weigerte sich. Ein anderer Kaukasier von gleicher
Profession prahlte damit, daß sein japanischer Gehilfe für ihn irgendeine Arbeit
verrichte, während der Besitzer der Werkstatt sich vor den glühenden Strahlen
der subtropischen Sonne im Schatten ausruhte. Bald aber — nach nur sechs
Jahren — besaß der Japaner das Geschäft, und der Weiße mußte anderswo
seinen Lebensunterhalt erwerben.

So eroberte der Japaner sich wirtschaftlich das Kanakenreich im Stillen
Ozean, das heute zwar als Territorium den Vereinigten Staaten angehört, zu
80 Prozent aber in japanischen Händen ist.


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[0322] Die gelbe Gefahr in Kalifornien Die Japaner in Hawaii Simsons Haar wurde abgeschnitten, während er schlief. Die Japaner brauchen Hawaii nicht mehr zu erobern, — sie haben es bereits. Das Juwel des Stillen Ozeans, ein Inselreich von 6000 Quadratmeilen, wurde dem kleinen braunen Manne ausgeliefert, als der hawaiische Pflanzer sein Erst¬ geburtsrecht für ein Schiff voll Kontraktarbeitern verhandelte, von dessen Mast die Flagge der aufgehenden Sonne wehte. Am Ende der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts erschienen auf Ansuchen der Regierung und der Plantagenbesitzer die ersten japanischen Arbeiter in Hawaii, wurden in den Zuckerrohrfeldern angestellt und verdrängten die dort in gleicher Tätigkeit beschäftigten Eingeborenen und Chinesen. Sie kamen als sogenannte freie Arbeiter, waren aber tatsächlich nichts als Sklaven, für die der Pflanzer 35 Dollar pro Kopf entrichten mußte. Im Jahre 1886 wurden nicht weniger als achtundzwanzigtausend Mann von Japan eingeführt. Zehn Jahre später hatte die Anzahl der japanischen Bevölkerung in Hawaii eine solche Höhe erreicht, daß sich die Regierung in Tokio ins Mittel legte und für jeden ihrer auswandernden Untertanen eine Schutzgarantie in bar verlangte. Am Anfang dieses Jahrhunderts lebten nahezu einhunderttausend Japaner in Hawaii gegen zwanzigtausend Weiße, wovon nur wenige aus Amerika gekommen waren. Der Japaner ist seitdem ständig in Hawaii eingewandert, und mit gleicher Regelmäßigkeit verließ der weiße Mann das Inselreich; und wenn dasselbe heute ungefähr zweihunderttausend Einwohner zählt, so sind darunter sicherlich mehr als die Hälfte Japaner. Nach dem Re¬ gister der dort ausgestellten Gewerbescheine sind von zweitausend etwa fünfzehn¬ hundert in japanischen Händen. Fünfzehn einfache Feldarbeiter begannen die Eroberung; mit seinem rätselhaften Lächeln hat der Japaner in Hawaii alle anderen Elemente vor sich her und hinausgetrieben. Bei meinem kurzen Aufenthalte dort — fünfzehn Jahre sind seitdem ver¬ gangen, und doch sehe ich immer noch die Gemme Honolulu vor dem geistigen Auge — hörte ich eine k eine Geschichte, die bezeichnend genug klang. Auf einer Plantage bot ein Japaner einem weißen Installateur 50 Dollar, wenn er ihm nur eine kleine, aber schwierig herzustellende Einzelheit in seinen: Handwerke zeige. Der Weiße weigerte sich. Ein anderer Kaukasier von gleicher Profession prahlte damit, daß sein japanischer Gehilfe für ihn irgendeine Arbeit verrichte, während der Besitzer der Werkstatt sich vor den glühenden Strahlen der subtropischen Sonne im Schatten ausruhte. Bald aber — nach nur sechs Jahren — besaß der Japaner das Geschäft, und der Weiße mußte anderswo seinen Lebensunterhalt erwerben. So eroberte der Japaner sich wirtschaftlich das Kanakenreich im Stillen Ozean, das heute zwar als Territorium den Vereinigten Staaten angehört, zu 80 Prozent aber in japanischen Händen ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/322>, abgerufen am 27.12.2024.