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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Romme die Kaperei wieder?

Einen recht interessanten Versuch machte die englische Delegation noch, um
auf einem Umwege wenigstens etwas gegen die Umwandlung auf hoher See
zu erreichen: sie verlangte, daß der Kommandant eines solchen Schiffes eine
Bestallung aufweisen müsse, damit sein Schiff als Kriegsschiff anerkannt werden
könne. Der dahinter liegende Gedanke war naturgemäß der, daß es meistens
nicht möglich sein werde, den nicht unmittelbar im Heimatshafen befindlichen
Schiffen rechtzeitig eine Bestallung zuzustellen. Deutschland, Rußland und die
Vereinigten Staaten widersprachen und nach längerer Debatte kam man (Art. 3
des Abkommens) zur Einigung: "Der Befehlshaber muß im Staatsdienste stehen
und von der zuständigen Staatsgewalt ordnungsmäßig bestellt sein. Sein Name
muß in der Rangliste der Kriegsmarine stehen." Mit dieser Bestimmung läßt
sich auch unter dem deutschen Gesichtspunkte vertraglich einwandfrei und mili¬
tärisch wirksam arbeiten, denn der Kommandant des Schiffes braucht keine "Be¬
stallung aufzuweisen", wenn er irgendwo aus dem Ozean schwimmend sein Schiff,
auf ein Funkentelegramm hin. in ein Kriegsschiff verwandelt hat, sondern es
genügt, wenn er und sein Schiff in der Heimat, gemäß Artikel 3, geführt und
politisch "aufgerechnet" werden.

Im übrigen enthält dieses Haager Abkommen die folgenden Hauptpunkte,
auf welche die Aufmerksamkeit des Lesers gelenkt werden muß: das in ein
Kriegsschiff umgewandelte Handelsschiff hat die Rechte und Pflichten des ersteren
nur dann, wenn es dem direkten Befehle und der unmittelbaren Aufsicht und
der Verantwortlichkeit der Macht, deren Flagge es führt, unterstellt ist. Das
Schiff muß die äußeren Abzeichen der Kriegsschiffe seines Heimatlandes tragen,
die Gesetze und Bräuche des Krieges beobachten. Die kriegführende Partei muß
die Umwandlung möglichst bald aus der Liste seiner Kriegsschiffe vermerken.
Die Mannschaft muß den Regeln der militärischen Disziplin unterworfen sein.
Diese Bestimmungen wurden also vereinbart, während -- um es hier noch ein¬
mal zu wiederholen -- die Frage: Umwandlung auf hoher See oder nicht?
offen, mithin theoretisch im Belieben der einzelnen Mächte blieb. Praktisch
pflegt solches Belieben zur Machtfrage zu werden.

Nun hat die britische Regierung trotz des Fiasko im Haag gehofft und
Anstrengungen gemacht doch noch ein Verbot der Umwandlung von Handels¬
schiffen in Kriegsschiffe auf hoher See in das internationale Dokument hinein¬
bringen zu können. Trotz der klaren Stellungnahme der Mächte zur Frage auf
der Haager Konferenz 1907 setzte die britische Regierung sie auch wieder auf
das Programm der Londoner Konferenz im Jahre 1908/09. Zu diesem Programm
reichten die eingeladenen Mächte Denkschriften ein, in denen eingehend zu den ver¬
schiedenen Programmpunkten Stellung genommen wurde. Es istheute vonbesonderem
Interesse, einige Argumente aus der britischen Denkschrift der Vergessenheit zu ent¬
reißen, welche gegen das Recht der Umwandlung auf hoher See angeführt wurden:

"Nach Ansicht der Regierung Seiner Majestät ist diese Frage vom Rechts¬
standpunkte der Neutralen aus zu lösen." Eine starke Beunruhigung der Neu¬
tralen und eine Gefährdung ihrer Interessen wurde aus der Umwandlung von


Romme die Kaperei wieder?

Einen recht interessanten Versuch machte die englische Delegation noch, um
auf einem Umwege wenigstens etwas gegen die Umwandlung auf hoher See
zu erreichen: sie verlangte, daß der Kommandant eines solchen Schiffes eine
Bestallung aufweisen müsse, damit sein Schiff als Kriegsschiff anerkannt werden
könne. Der dahinter liegende Gedanke war naturgemäß der, daß es meistens
nicht möglich sein werde, den nicht unmittelbar im Heimatshafen befindlichen
Schiffen rechtzeitig eine Bestallung zuzustellen. Deutschland, Rußland und die
Vereinigten Staaten widersprachen und nach längerer Debatte kam man (Art. 3
des Abkommens) zur Einigung: „Der Befehlshaber muß im Staatsdienste stehen
und von der zuständigen Staatsgewalt ordnungsmäßig bestellt sein. Sein Name
muß in der Rangliste der Kriegsmarine stehen." Mit dieser Bestimmung läßt
sich auch unter dem deutschen Gesichtspunkte vertraglich einwandfrei und mili¬
tärisch wirksam arbeiten, denn der Kommandant des Schiffes braucht keine „Be¬
stallung aufzuweisen", wenn er irgendwo aus dem Ozean schwimmend sein Schiff,
auf ein Funkentelegramm hin. in ein Kriegsschiff verwandelt hat, sondern es
genügt, wenn er und sein Schiff in der Heimat, gemäß Artikel 3, geführt und
politisch „aufgerechnet" werden.

Im übrigen enthält dieses Haager Abkommen die folgenden Hauptpunkte,
auf welche die Aufmerksamkeit des Lesers gelenkt werden muß: das in ein
Kriegsschiff umgewandelte Handelsschiff hat die Rechte und Pflichten des ersteren
nur dann, wenn es dem direkten Befehle und der unmittelbaren Aufsicht und
der Verantwortlichkeit der Macht, deren Flagge es führt, unterstellt ist. Das
Schiff muß die äußeren Abzeichen der Kriegsschiffe seines Heimatlandes tragen,
die Gesetze und Bräuche des Krieges beobachten. Die kriegführende Partei muß
die Umwandlung möglichst bald aus der Liste seiner Kriegsschiffe vermerken.
Die Mannschaft muß den Regeln der militärischen Disziplin unterworfen sein.
Diese Bestimmungen wurden also vereinbart, während — um es hier noch ein¬
mal zu wiederholen — die Frage: Umwandlung auf hoher See oder nicht?
offen, mithin theoretisch im Belieben der einzelnen Mächte blieb. Praktisch
pflegt solches Belieben zur Machtfrage zu werden.

Nun hat die britische Regierung trotz des Fiasko im Haag gehofft und
Anstrengungen gemacht doch noch ein Verbot der Umwandlung von Handels¬
schiffen in Kriegsschiffe auf hoher See in das internationale Dokument hinein¬
bringen zu können. Trotz der klaren Stellungnahme der Mächte zur Frage auf
der Haager Konferenz 1907 setzte die britische Regierung sie auch wieder auf
das Programm der Londoner Konferenz im Jahre 1908/09. Zu diesem Programm
reichten die eingeladenen Mächte Denkschriften ein, in denen eingehend zu den ver¬
schiedenen Programmpunkten Stellung genommen wurde. Es istheute vonbesonderem
Interesse, einige Argumente aus der britischen Denkschrift der Vergessenheit zu ent¬
reißen, welche gegen das Recht der Umwandlung auf hoher See angeführt wurden:

„Nach Ansicht der Regierung Seiner Majestät ist diese Frage vom Rechts¬
standpunkte der Neutralen aus zu lösen." Eine starke Beunruhigung der Neu¬
tralen und eine Gefährdung ihrer Interessen wurde aus der Umwandlung von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/256>, abgerufen am 19.10.2024.