Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der gegenwärtige Stand der Kinderauswanderung aus England

war nur Haut und Knochen als ich kam, jetzt wiege ich 63 Pfd. Die Schule
ist nur eine Meile weit, in die mein Bruder geht und in die ich auch gehen
werde. Wenn es kalt ist. will uns Mr. S. in die Schule fahren.

Stella Ontario Oct. 9.


Ephraim Sufford


Von einer jungen Frau lief folgende Schilderung ein:

Ich vermute Sie denken, ich hätte Sie völlig vergessen, weil ich Ihnen
die ganze Zeit nicht schrieb und es ist schon lange her, seit ich in dies Land
kam. Aber meine Zeit war so ausgefüllt mit Arbeit und meinen Erfahrungen
und frohen Dingen. Nachdem ich angekommen war, kam ich in eine Dienst¬
stelle, in der ich 11 Monate blieb. Dann heiratete ich im April Mr. B.
Aber vermutlich wissen Sie schon alles über meine Verhältnisse? Nun, wir be¬
sitzen eine 63 acres große Farm, eine Meile von G. Es ist ein großartiger Ort.
Mein Mann hat das Land vor 4 Jahren gerötet und ein paar ansehnliche
Gebäude drauf gebaut. Dann kurz, ehe wir heirateten, wurde unser Wohn¬
haus fertig. Es hat 4 große Zimmer und einen großen, unterirdischen Keller.
Es ist aus Zement gebaut. Wir haben 3 Pferde. 5 Stück Rindvieh.
38 Schweine und 40 Hühner. Außerdem habe ich diesen Sommer ungefähr
80 junge Kücken aufgezogen. Ich kann die Kühe melken und fürchte mich gar
nicht mehr vor den Pferden. Wenn B. fort ist, besorge ich das Füttern der
Tiere ganz allein und doch war ich anfangs furchtbar ängstlich vor den Tieren.

Ich wurde sehr verwöhnt, als ich heiratete. Ich habe die wunderschönsten
Geschenke bekommen. Ich erhielt ein schönes Eß- und Teeservice, Tafelsilber,
leinenes Tischzeug, 13 Stück handgemaltes Porzellan, ein Federbett und Kissen
und viele andere Sachen, die ich gar nicht alle aufzählen kann. Mein Mann
ist hier herum sehr bekannt. Seine Heimat ist nur 2 Meilen weit von hier.
Er hat 14 Geschwister und seine beiden Eltern leben. Meiner Mutter scheint
es gut zu gehen. Meine Schwester ist noch in der gleichen Stelle und mein
Bruder arbeitet in einer Automobilfabrik. Wir alle lieben das Land ungeheuer.
Wissen Sie, daß ich schon 120 M. verdient habe seit ich hier bin? Und ich
bin nun keinen Tag mehr krank. B. nimmt mich diese Woche mit zu einem
großen Bankett zum Besten der Missionare. Es wird von der Frauenhilfe
Annie Taylor gegeben, von der ich Mitglied bin.




Der gegenwärtige Stand der Kinderauswanderung aus England

war nur Haut und Knochen als ich kam, jetzt wiege ich 63 Pfd. Die Schule
ist nur eine Meile weit, in die mein Bruder geht und in die ich auch gehen
werde. Wenn es kalt ist. will uns Mr. S. in die Schule fahren.

Stella Ontario Oct. 9.


Ephraim Sufford


Von einer jungen Frau lief folgende Schilderung ein:

Ich vermute Sie denken, ich hätte Sie völlig vergessen, weil ich Ihnen
die ganze Zeit nicht schrieb und es ist schon lange her, seit ich in dies Land
kam. Aber meine Zeit war so ausgefüllt mit Arbeit und meinen Erfahrungen
und frohen Dingen. Nachdem ich angekommen war, kam ich in eine Dienst¬
stelle, in der ich 11 Monate blieb. Dann heiratete ich im April Mr. B.
Aber vermutlich wissen Sie schon alles über meine Verhältnisse? Nun, wir be¬
sitzen eine 63 acres große Farm, eine Meile von G. Es ist ein großartiger Ort.
Mein Mann hat das Land vor 4 Jahren gerötet und ein paar ansehnliche
Gebäude drauf gebaut. Dann kurz, ehe wir heirateten, wurde unser Wohn¬
haus fertig. Es hat 4 große Zimmer und einen großen, unterirdischen Keller.
Es ist aus Zement gebaut. Wir haben 3 Pferde. 5 Stück Rindvieh.
38 Schweine und 40 Hühner. Außerdem habe ich diesen Sommer ungefähr
80 junge Kücken aufgezogen. Ich kann die Kühe melken und fürchte mich gar
nicht mehr vor den Pferden. Wenn B. fort ist, besorge ich das Füttern der
Tiere ganz allein und doch war ich anfangs furchtbar ängstlich vor den Tieren.

Ich wurde sehr verwöhnt, als ich heiratete. Ich habe die wunderschönsten
Geschenke bekommen. Ich erhielt ein schönes Eß- und Teeservice, Tafelsilber,
leinenes Tischzeug, 13 Stück handgemaltes Porzellan, ein Federbett und Kissen
und viele andere Sachen, die ich gar nicht alle aufzählen kann. Mein Mann
ist hier herum sehr bekannt. Seine Heimat ist nur 2 Meilen weit von hier.
Er hat 14 Geschwister und seine beiden Eltern leben. Meiner Mutter scheint
es gut zu gehen. Meine Schwester ist noch in der gleichen Stelle und mein
Bruder arbeitet in einer Automobilfabrik. Wir alle lieben das Land ungeheuer.
Wissen Sie, daß ich schon 120 M. verdient habe seit ich hier bin? Und ich
bin nun keinen Tag mehr krank. B. nimmt mich diese Woche mit zu einem
großen Bankett zum Besten der Missionare. Es wird von der Frauenhilfe
Annie Taylor gegeben, von der ich Mitglied bin.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0139" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/326309"/>
          <fw type="header" place="top"> Der gegenwärtige Stand der Kinderauswanderung aus England</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_620" prev="#ID_619"> war nur Haut und Knochen als ich kam, jetzt wiege ich 63 Pfd. Die Schule<lb/>
ist nur eine Meile weit, in die mein Bruder geht und in die ich auch gehen<lb/>
werde.  Wenn es kalt ist. will uns Mr. S. in die Schule fahren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_621"> Stella Ontario Oct. 9.</p><lb/>
          <note type="bibl"> Ephraim Sufford</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p xml:id="ID_622"> Von einer jungen Frau lief folgende Schilderung ein:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_623"> Ich vermute Sie denken, ich hätte Sie völlig vergessen, weil ich Ihnen<lb/>
die ganze Zeit nicht schrieb und es ist schon lange her, seit ich in dies Land<lb/>
kam. Aber meine Zeit war so ausgefüllt mit Arbeit und meinen Erfahrungen<lb/>
und frohen Dingen. Nachdem ich angekommen war, kam ich in eine Dienst¬<lb/>
stelle, in der ich 11 Monate blieb. Dann heiratete ich im April Mr. B.<lb/>
Aber vermutlich wissen Sie schon alles über meine Verhältnisse? Nun, wir be¬<lb/>
sitzen eine 63 acres große Farm, eine Meile von G. Es ist ein großartiger Ort.<lb/>
Mein Mann hat das Land vor 4 Jahren gerötet und ein paar ansehnliche<lb/>
Gebäude drauf gebaut. Dann kurz, ehe wir heirateten, wurde unser Wohn¬<lb/>
haus fertig. Es hat 4 große Zimmer und einen großen, unterirdischen Keller.<lb/>
Es ist aus Zement gebaut. Wir haben 3 Pferde. 5 Stück Rindvieh.<lb/>
38 Schweine und 40 Hühner. Außerdem habe ich diesen Sommer ungefähr<lb/>
80 junge Kücken aufgezogen. Ich kann die Kühe melken und fürchte mich gar<lb/>
nicht mehr vor den Pferden. Wenn B. fort ist, besorge ich das Füttern der<lb/>
Tiere ganz allein und doch war ich anfangs furchtbar ängstlich vor den Tieren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_624"> Ich wurde sehr verwöhnt, als ich heiratete. Ich habe die wunderschönsten<lb/>
Geschenke bekommen. Ich erhielt ein schönes Eß- und Teeservice, Tafelsilber,<lb/>
leinenes Tischzeug, 13 Stück handgemaltes Porzellan, ein Federbett und Kissen<lb/>
und viele andere Sachen, die ich gar nicht alle aufzählen kann. Mein Mann<lb/>
ist hier herum sehr bekannt. Seine Heimat ist nur 2 Meilen weit von hier.<lb/>
Er hat 14 Geschwister und seine beiden Eltern leben. Meiner Mutter scheint<lb/>
es gut zu gehen. Meine Schwester ist noch in der gleichen Stelle und mein<lb/>
Bruder arbeitet in einer Automobilfabrik. Wir alle lieben das Land ungeheuer.<lb/>
Wissen Sie, daß ich schon 120 M. verdient habe seit ich hier bin? Und ich<lb/>
bin nun keinen Tag mehr krank. B. nimmt mich diese Woche mit zu einem<lb/>
großen Bankett zum Besten der Missionare. Es wird von der Frauenhilfe<lb/><note type="bibl"> Annie Taylor</note> gegeben, von der ich Mitglied bin. </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0139] Der gegenwärtige Stand der Kinderauswanderung aus England war nur Haut und Knochen als ich kam, jetzt wiege ich 63 Pfd. Die Schule ist nur eine Meile weit, in die mein Bruder geht und in die ich auch gehen werde. Wenn es kalt ist. will uns Mr. S. in die Schule fahren. Stella Ontario Oct. 9. Ephraim Sufford Von einer jungen Frau lief folgende Schilderung ein: Ich vermute Sie denken, ich hätte Sie völlig vergessen, weil ich Ihnen die ganze Zeit nicht schrieb und es ist schon lange her, seit ich in dies Land kam. Aber meine Zeit war so ausgefüllt mit Arbeit und meinen Erfahrungen und frohen Dingen. Nachdem ich angekommen war, kam ich in eine Dienst¬ stelle, in der ich 11 Monate blieb. Dann heiratete ich im April Mr. B. Aber vermutlich wissen Sie schon alles über meine Verhältnisse? Nun, wir be¬ sitzen eine 63 acres große Farm, eine Meile von G. Es ist ein großartiger Ort. Mein Mann hat das Land vor 4 Jahren gerötet und ein paar ansehnliche Gebäude drauf gebaut. Dann kurz, ehe wir heirateten, wurde unser Wohn¬ haus fertig. Es hat 4 große Zimmer und einen großen, unterirdischen Keller. Es ist aus Zement gebaut. Wir haben 3 Pferde. 5 Stück Rindvieh. 38 Schweine und 40 Hühner. Außerdem habe ich diesen Sommer ungefähr 80 junge Kücken aufgezogen. Ich kann die Kühe melken und fürchte mich gar nicht mehr vor den Pferden. Wenn B. fort ist, besorge ich das Füttern der Tiere ganz allein und doch war ich anfangs furchtbar ängstlich vor den Tieren. Ich wurde sehr verwöhnt, als ich heiratete. Ich habe die wunderschönsten Geschenke bekommen. Ich erhielt ein schönes Eß- und Teeservice, Tafelsilber, leinenes Tischzeug, 13 Stück handgemaltes Porzellan, ein Federbett und Kissen und viele andere Sachen, die ich gar nicht alle aufzählen kann. Mein Mann ist hier herum sehr bekannt. Seine Heimat ist nur 2 Meilen weit von hier. Er hat 14 Geschwister und seine beiden Eltern leben. Meiner Mutter scheint es gut zu gehen. Meine Schwester ist noch in der gleichen Stelle und mein Bruder arbeitet in einer Automobilfabrik. Wir alle lieben das Land ungeheuer. Wissen Sie, daß ich schon 120 M. verdient habe seit ich hier bin? Und ich bin nun keinen Tag mehr krank. B. nimmt mich diese Woche mit zu einem großen Bankett zum Besten der Missionare. Es wird von der Frauenhilfe Annie Taylor gegeben, von der ich Mitglied bin.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/139
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/139>, abgerufen am 20.10.2024.