Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.Schon wieder ein Gegner der inneren Kolonisation Vieh stand, mit Ausnahme der Schafe, die fast ganz verschwunden sind, nach der Meine Ausführungen fasse ich wie folgt zusammen: Die Angriffe des Herrn von Chlapowski gegen die Tätigkeit der Anstedlungs- Schon wieder ein Gegner der inneren Kolonisation Vieh stand, mit Ausnahme der Schafe, die fast ganz verschwunden sind, nach der Meine Ausführungen fasse ich wie folgt zusammen: Die Angriffe des Herrn von Chlapowski gegen die Tätigkeit der Anstedlungs- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0088" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/325608"/> <fw type="header" place="top"> Schon wieder ein Gegner der inneren Kolonisation</fw><lb/> <p xml:id="ID_347" prev="#ID_346"> Vieh stand, mit Ausnahme der Schafe, die fast ganz verschwunden sind, nach der<lb/> Besiedlung ganz erheblich zugenommen, Rindvieh auf das Zwei- und Dreifache,<lb/> Schweine auf das Fünf« und Mehrfache des früher auf den aufgeteilten Gütern<lb/> gehaltenen Viehstandes.</p><lb/> <p xml:id="ID_348"> Meine Ausführungen fasse ich wie folgt zusammen:</p><lb/> <p xml:id="ID_349" next="#ID_350"> Die Angriffe des Herrn von Chlapowski gegen die Tätigkeit der Anstedlungs-<lb/> kommisston sind zurückzuweisen. Schon seine Angriffsweise ist verfehlt. Die<lb/> Gegenüberstellung von Rente und Reinertrag zeigt, daß ihm das Feld, auf<lb/> dem sich seine Angriffe bewegen, durchaus fremd ist. Den Versuch, mit vier<lb/> nicht näher begründeten Beispielen die außerordentliche Höhe des Reinertrages<lb/> der Großgüter vor Augen zu stellen, mußte er von vornherein als aussichtslos<lb/> erkennen. Die allgemeine Begründung seiner Leitsätze ist sehr mangelhaft. Wo<lb/> er Zahlen anwendet, wie bei der Berechnung der Produktionskosten (Seite<lb/> 301 ff.) und bei den Durchschnittserträgen des Rübenbaus (Seite 311 ff.), sind<lb/> sie für eine Nachprüfung kaum geeignet. Jeder landwirtschaftliche Sachver¬<lb/> ständige kann andere an ihre Stelle setzen und durch kleine Abänderungen völlig<lb/> abweichende Ergebnisse erzielen. Den großen Vorteil, der dem Kleinbesitz durch<lb/> die Verwertung der eigenen Arbeit des Besitzers und seiner Angehörigen zugute<lb/> kommt, unterschätzt er. Die Intensität und Sorgfalt der eigenen Arbeit werden<lb/> vergeblich bemängelt. Der Ausspruch des Professors Gering, „mit dem immensen<lb/> Kapital, das die Ansiedler in ihren Armen und Beinen haben, kann der Gro߬<lb/> grundbesitzer nicht konkurrieren", bleibt unerschüttert bestehen. Von „Mißver¬<lb/> ständnissen" kann keine Rede sein. Der Satz enthält nicht nur „viel Wahres",<lb/> wie der Verfasser selbst zugibt, sondern er enthält die volle, die ent¬<lb/> scheidende Wahrheit. Den Leitsatz Ur. 1, der sich dahin ausspricht,<lb/> daß sich in bezug auf die laufenden Produktionskosten möglicherweise ein<lb/> kleiner Vorteil zugunsten des Kleinbetriebs ergebe, wird den Tatsachen<lb/> nicht gerecht. Die Vervollkommnung des Maschinenwesens und die Ausbildung<lb/> des Verkehrswesens werden unrichtig beurteilt oder doch zu gunsten des Gro߬<lb/> betriebes maßlos überschätzt. Daß für den Großbetrieb „im allgemeinen ein höherer<lb/> Rohertrag anzunehmen" sei, ist auch in dieser vorsichtigen Fassung eine durch nichts<lb/> bewiesene Behauptung. Seine Einschätzung des Rübenbaues ist übertrieben und zu¬<lb/> gleich ist sie ein weiterer Beweis, wie parteiisch er Umstände, die vielleicht in einzelnen<lb/> Gebietsteilen zugunsten des Großbetriebs sprechen können, bewertet. Seite 300<lb/> sagt er ganz richtig, daß sich nicht alle Produktionszweige gleichmäßig sür den<lb/> Groß- und Kleinbetrieb eigneten; es gäbe solche, die im Großen und wieder<lb/> andere, die im Kleinen besser gedeihen. Er erkennt also unbedingt an, daß<lb/> der bäuerliche Betrieb für bestimmte Produktionszweige dem Großbetrieb über¬<lb/> legen, also volkswirtschaftlich notwendig ist. Wenn er im Widerspruch damit<lb/> Seite 312 ff. den Satz aufstellt, daß der Großbetrieb mit Hilfe des Hackfrucht¬<lb/> baues — offenbar ist nur oder doch vorzugsweise der Rübenbau gemeint —<lb/> dem Kleinbefitz überlegen sei, so hätte er folgerichtig auch in eine unparteiische</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0088]
Schon wieder ein Gegner der inneren Kolonisation
Vieh stand, mit Ausnahme der Schafe, die fast ganz verschwunden sind, nach der
Besiedlung ganz erheblich zugenommen, Rindvieh auf das Zwei- und Dreifache,
Schweine auf das Fünf« und Mehrfache des früher auf den aufgeteilten Gütern
gehaltenen Viehstandes.
Meine Ausführungen fasse ich wie folgt zusammen:
Die Angriffe des Herrn von Chlapowski gegen die Tätigkeit der Anstedlungs-
kommisston sind zurückzuweisen. Schon seine Angriffsweise ist verfehlt. Die
Gegenüberstellung von Rente und Reinertrag zeigt, daß ihm das Feld, auf
dem sich seine Angriffe bewegen, durchaus fremd ist. Den Versuch, mit vier
nicht näher begründeten Beispielen die außerordentliche Höhe des Reinertrages
der Großgüter vor Augen zu stellen, mußte er von vornherein als aussichtslos
erkennen. Die allgemeine Begründung seiner Leitsätze ist sehr mangelhaft. Wo
er Zahlen anwendet, wie bei der Berechnung der Produktionskosten (Seite
301 ff.) und bei den Durchschnittserträgen des Rübenbaus (Seite 311 ff.), sind
sie für eine Nachprüfung kaum geeignet. Jeder landwirtschaftliche Sachver¬
ständige kann andere an ihre Stelle setzen und durch kleine Abänderungen völlig
abweichende Ergebnisse erzielen. Den großen Vorteil, der dem Kleinbesitz durch
die Verwertung der eigenen Arbeit des Besitzers und seiner Angehörigen zugute
kommt, unterschätzt er. Die Intensität und Sorgfalt der eigenen Arbeit werden
vergeblich bemängelt. Der Ausspruch des Professors Gering, „mit dem immensen
Kapital, das die Ansiedler in ihren Armen und Beinen haben, kann der Gro߬
grundbesitzer nicht konkurrieren", bleibt unerschüttert bestehen. Von „Mißver¬
ständnissen" kann keine Rede sein. Der Satz enthält nicht nur „viel Wahres",
wie der Verfasser selbst zugibt, sondern er enthält die volle, die ent¬
scheidende Wahrheit. Den Leitsatz Ur. 1, der sich dahin ausspricht,
daß sich in bezug auf die laufenden Produktionskosten möglicherweise ein
kleiner Vorteil zugunsten des Kleinbetriebs ergebe, wird den Tatsachen
nicht gerecht. Die Vervollkommnung des Maschinenwesens und die Ausbildung
des Verkehrswesens werden unrichtig beurteilt oder doch zu gunsten des Gro߬
betriebes maßlos überschätzt. Daß für den Großbetrieb „im allgemeinen ein höherer
Rohertrag anzunehmen" sei, ist auch in dieser vorsichtigen Fassung eine durch nichts
bewiesene Behauptung. Seine Einschätzung des Rübenbaues ist übertrieben und zu¬
gleich ist sie ein weiterer Beweis, wie parteiisch er Umstände, die vielleicht in einzelnen
Gebietsteilen zugunsten des Großbetriebs sprechen können, bewertet. Seite 300
sagt er ganz richtig, daß sich nicht alle Produktionszweige gleichmäßig sür den
Groß- und Kleinbetrieb eigneten; es gäbe solche, die im Großen und wieder
andere, die im Kleinen besser gedeihen. Er erkennt also unbedingt an, daß
der bäuerliche Betrieb für bestimmte Produktionszweige dem Großbetrieb über¬
legen, also volkswirtschaftlich notwendig ist. Wenn er im Widerspruch damit
Seite 312 ff. den Satz aufstellt, daß der Großbetrieb mit Hilfe des Hackfrucht¬
baues — offenbar ist nur oder doch vorzugsweise der Rübenbau gemeint —
dem Kleinbefitz überlegen sei, so hätte er folgerichtig auch in eine unparteiische
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