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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

mit Bezug auf die folgende gesamte Aktion
der Puppen heißt:

Was hat das hier zu tun? Und warum
muß der große König hier in dem Moment,
wo es gegen Frankreich geht, in einer ganz
übertrieben fmnzöselnden Weise deutsch radc-
brechen, als wäre er kein geborener Deutscher
gewesen und könnte nicht das H in dem Worte
"Haben" aussprechenI Daß Friedrich Wilhelm
der Dritte sodann nicht der Held der Be¬
wegung war, wissen wir, aber der Aufruf
"An mein Volk" ist doch erschienen und hat
gewirkt -- kein Wort davon hören wir hier,
wo selbst Ludwig der Sechzehnte, der schon
zwanzig Jahre vorher hingerichtet war, eine
ganze Reihe wohlwollender Verse für sein
mutiges Sterben bekommt, das mit dem Mär¬
tyrertod Jesu verglichen wird.

so werden die meisten von uns wieder für
diese Sorte Humor keinen Sinn haben. Und
eben nach dem Kriege 1813 durfte die Athene-
Deutschland den Krieg nicht den "nackten Mord
und eine Missetat" nennen. Und weiter: ge¬
rade in Breslau, in der so stark katholischen
Provinz Schlesien, die doch 1313 eine hervor¬
ragende Rolle spielte, durste in einem Fest¬
spiel, das für das ganze Volk gellen sollte,
nicht Friedrich der Große fast nur dazu auf¬
treten, um den Katholiken Grobheiten zu sagen.
Er wird aufgefordert, den deutschen Aar zu
befreien, und antwortet mit dem ganz ab¬
liegenden Gedanken:

Der Geist, der in dem allen waltet, ist uns
fatal bekannt. Wenn am Schluß nach dem
Frieden ein großer Zug erscheint von allerlei
Kulturträgern, so kommen zuletzt "auch einige
Herrscher, die sich um die echte Kultur ihrer
Völker verdient gemacht haben". Und der
Dichter dieses Werkes und seine jetzigen un¬
entwegter Freunde wollen über Parteigeist
klagen? Wir anderen sehen in dem Festspiel
ein Erzeugnis jenes unpolitischen Jdevlogen-
tums, das so naiv ist zu glauben, daß auf
politischem Gebiete eine Weltanschauung, wie
etwa die des Berliner Tageblatts, die frei¬
heitliche und moderne Weltanschauung über¬
haupt bedeute. Daß Blätter dieser Art jetzt
einen Skandal aus der Angelegenheit machen
wollen, das ist ein Kulturskandal für uns
Deutsche.






Nachdruck fiimMchcr Nufsiitj- nur mit "uSbriiSlichcr Erlaubnis drL Verlags grstattct.
verantwortlich: der Hciauc-geber George Tleinow in Berlin-Schöneberg. -- Manuslriptsenduugen und Brief"
werden erbeten unter der Adresse: "n den Herausgeber der Grenzbote" in Berlin-Friedena", Hedwigstr. 1".
Sernjpr-es-r der Schrtstleitung: Amt Uhland S6M, de" Verlag" - Amt Lützow 6610.
Verlag: Verlag der "renzboten ". in. b. H. in B"rum SV. 11.
Druck: .Der ReichKbote- ". in.". H. in Berlin LV. 11, Dessau" Stab- SL/S7.
Maßgebliches und Unmaßgebliches

mit Bezug auf die folgende gesamte Aktion
der Puppen heißt:

Was hat das hier zu tun? Und warum
muß der große König hier in dem Moment,
wo es gegen Frankreich geht, in einer ganz
übertrieben fmnzöselnden Weise deutsch radc-
brechen, als wäre er kein geborener Deutscher
gewesen und könnte nicht das H in dem Worte
„Haben" aussprechenI Daß Friedrich Wilhelm
der Dritte sodann nicht der Held der Be¬
wegung war, wissen wir, aber der Aufruf
„An mein Volk" ist doch erschienen und hat
gewirkt — kein Wort davon hören wir hier,
wo selbst Ludwig der Sechzehnte, der schon
zwanzig Jahre vorher hingerichtet war, eine
ganze Reihe wohlwollender Verse für sein
mutiges Sterben bekommt, das mit dem Mär¬
tyrertod Jesu verglichen wird.

so werden die meisten von uns wieder für
diese Sorte Humor keinen Sinn haben. Und
eben nach dem Kriege 1813 durfte die Athene-
Deutschland den Krieg nicht den „nackten Mord
und eine Missetat" nennen. Und weiter: ge¬
rade in Breslau, in der so stark katholischen
Provinz Schlesien, die doch 1313 eine hervor¬
ragende Rolle spielte, durste in einem Fest¬
spiel, das für das ganze Volk gellen sollte,
nicht Friedrich der Große fast nur dazu auf¬
treten, um den Katholiken Grobheiten zu sagen.
Er wird aufgefordert, den deutschen Aar zu
befreien, und antwortet mit dem ganz ab¬
liegenden Gedanken:

Der Geist, der in dem allen waltet, ist uns
fatal bekannt. Wenn am Schluß nach dem
Frieden ein großer Zug erscheint von allerlei
Kulturträgern, so kommen zuletzt „auch einige
Herrscher, die sich um die echte Kultur ihrer
Völker verdient gemacht haben". Und der
Dichter dieses Werkes und seine jetzigen un¬
entwegter Freunde wollen über Parteigeist
klagen? Wir anderen sehen in dem Festspiel
ein Erzeugnis jenes unpolitischen Jdevlogen-
tums, das so naiv ist zu glauben, daß auf
politischem Gebiete eine Weltanschauung, wie
etwa die des Berliner Tageblatts, die frei¬
heitliche und moderne Weltanschauung über¬
haupt bedeute. Daß Blätter dieser Art jetzt
einen Skandal aus der Angelegenheit machen
wollen, das ist ein Kulturskandal für uns
Deutsche.






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verantwortlich: der Hciauc-geber George Tleinow in Berlin-Schöneberg. — Manuslriptsenduugen und Brief«
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Sernjpr-es-r der Schrtstleitung: Amt Uhland S6M, de» Verlag» - Amt Lützow 6610.
Verlag: Verlag der «renzboten «. in. b. H. in B«rum SV. 11.
Druck: .Der ReichKbote- «. in.». H. in Berlin LV. 11, Dessau« Stab- SL/S7.
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[0644] Maßgebliches und Unmaßgebliches mit Bezug auf die folgende gesamte Aktion der Puppen heißt: Was hat das hier zu tun? Und warum muß der große König hier in dem Moment, wo es gegen Frankreich geht, in einer ganz übertrieben fmnzöselnden Weise deutsch radc- brechen, als wäre er kein geborener Deutscher gewesen und könnte nicht das H in dem Worte „Haben" aussprechenI Daß Friedrich Wilhelm der Dritte sodann nicht der Held der Be¬ wegung war, wissen wir, aber der Aufruf „An mein Volk" ist doch erschienen und hat gewirkt — kein Wort davon hören wir hier, wo selbst Ludwig der Sechzehnte, der schon zwanzig Jahre vorher hingerichtet war, eine ganze Reihe wohlwollender Verse für sein mutiges Sterben bekommt, das mit dem Mär¬ tyrertod Jesu verglichen wird. so werden die meisten von uns wieder für diese Sorte Humor keinen Sinn haben. Und eben nach dem Kriege 1813 durfte die Athene- Deutschland den Krieg nicht den „nackten Mord und eine Missetat" nennen. Und weiter: ge¬ rade in Breslau, in der so stark katholischen Provinz Schlesien, die doch 1313 eine hervor¬ ragende Rolle spielte, durste in einem Fest¬ spiel, das für das ganze Volk gellen sollte, nicht Friedrich der Große fast nur dazu auf¬ treten, um den Katholiken Grobheiten zu sagen. Er wird aufgefordert, den deutschen Aar zu befreien, und antwortet mit dem ganz ab¬ liegenden Gedanken: Der Geist, der in dem allen waltet, ist uns fatal bekannt. Wenn am Schluß nach dem Frieden ein großer Zug erscheint von allerlei Kulturträgern, so kommen zuletzt „auch einige Herrscher, die sich um die echte Kultur ihrer Völker verdient gemacht haben". Und der Dichter dieses Werkes und seine jetzigen un¬ entwegter Freunde wollen über Parteigeist klagen? Wir anderen sehen in dem Festspiel ein Erzeugnis jenes unpolitischen Jdevlogen- tums, das so naiv ist zu glauben, daß auf politischem Gebiete eine Weltanschauung, wie etwa die des Berliner Tageblatts, die frei¬ heitliche und moderne Weltanschauung über¬ haupt bedeute. Daß Blätter dieser Art jetzt einen Skandal aus der Angelegenheit machen wollen, das ist ein Kulturskandal für uns Deutsche. Nachdruck fiimMchcr Nufsiitj- nur mit »uSbriiSlichcr Erlaubnis drL Verlags grstattct. verantwortlich: der Hciauc-geber George Tleinow in Berlin-Schöneberg. — Manuslriptsenduugen und Brief« werden erbeten unter der Adresse: «n den Herausgeber der Grenzbote» in Berlin-Friedena«, Hedwigstr. 1». Sernjpr-es-r der Schrtstleitung: Amt Uhland S6M, de» Verlag» - Amt Lützow 6610. Verlag: Verlag der «renzboten «. in. b. H. in B«rum SV. 11. Druck: .Der ReichKbote- «. in.». H. in Berlin LV. 11, Dessau« Stab- SL/S7.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/644>, abgerufen am 27.07.2024.