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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Der "Führer" ist ein kleines Kunstwerk für
sich, sowohl dein Inhalte als auch der druck¬
technischen Ausstattung nach. (Verlag von
Bruno Cassirer in Berlin, Druck von Otto
von Hollen.) Prof. Hans Mackowski, der die
Galerie zu leiten berufen ist, hat sich nicht
mit der trockenen Aufzählung der Kunstwerke
begnügt; er hat vielmehr jede der im Bilde
dargestellten Persönlichkeiten, ihre Wirksamkeit
und ihre Bedeutung für die deutsche Geschichte,
das deutsche Geistes- oder Wirtschaftsleben
kurz charakterisiert, häufig durch glücklich ge¬
wählte Zitate. So ist das Museum unter
den günstigsten Auspizien als eine neue Quelle
der Belehrung und Erhebung dein Volke zu¬
gänglich gemacht worden.

Den Besucher grüßt am Eingange die
überlebensgroße Figur des Alten Fritz, ein
vergoldeter Gipsabguß nach dem im Stände-
hnus zu Stettin befindlichen Mnrmororiginal
von Schadow. Das erste Kabinett beherbergt
Bildnisse von Mitgliedern des Königshauses:
Abgüsse der Schadowschen Büsten Friedrich
Wilhelms des Dritten und der Königin Luise,
die Marmorbüsten des ersten Kaisers (von
Joseph von Kopf) und seiner Gemahlin (von
Bernhard Römer), ferner das von Max Koner
1890 gemalte Ölbild des regierenden Kaisers,
das in der Erfassung des geistigen Wesens
Wilhelms des Zweiten als das ähnlichste
gilt. Es folgen im nächsten Raum neun be¬
rühmte Gelehrte: Helmholtz, Mommsen,
Zeller, Neumann, Curtius, Lepsius, Droysen,
Weber, Ranke. Daran schließen sich Generäle
aus den Feldzügen von 1866 und 1870. Im
vierten Zimmer sind Zeichnungen und Büsten
von Gelehrten, Dichtern, Staatsmännern,
Technikern im bunten Wechsel zur Schau ge¬
bracht, darunter Werner von Siemers, ein
Meisterwerk Adolf Hildebrands, vier Aquarelle
Menzels und die glänzende Kohlezeichnung
Stauffer - Beruf, Conrad Ferdinand Meyer
darstellend. Künstler aus der zweiten Hälfte
des neunzehnten Jahrhunderts find im Raum V
gruppiert. Darunter befindet sich als einzige
Ausländerin die herrliche Sängerin Jenny
Lind; ihre Bedeutung für das künstlerische
Leben in Berlin, der Sturm der Begeisterung
und Verehrung, den sie in ganz Deutschland
entsandte, rechtfertigt sicherlich ihre Aufnahme
in die Galerie. Die zwei nächsten Säle re¬

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präsentieren die Zeit der Romantik und das
Zeitalter Goethes. Tiefe Gruppierungen sind
bedingt durch die rein äußerliche Scheidung
in Zeichnungen und Ölgemälde. Trotz des
ziemlich starken Bestandes von fünfundfünfzig
Bildnissen empfindet man in diesen Gruppen
das Fehlen vieler bedeutender Deutscher be¬
sonders stark. Gluck, Wagner, Liszt und Hans
von Bülow sind in der Galerie vertreten,
aber Beethoven, Haydn, Bach, Mozart suchen
wir noch vergebens. Mit Vergnügen ge¬
wahren wir die köstliche Goethebüste Klauers,
auch Lessing, Tieck, Fontane, Hebbel, Heine
und andere, selbst der alte Hans Sachs fehlen
nicht; aber die großen Weimaraner Wieland,
Herder, Schiller und so nianche andere am
deutschen Dichterhimmel strahlende Sterne
erster und zweiter Größe vermissen wir noch.
Und wie vor vierzig Jahren, so ist es auch
heute noch zu beklagen, daß Porträts von
Stein, Hardenberg, Humboldt nicht zu finden
sind.

Ein letzter Saal enthält Bildnisse aus
dem langen Zeitraum von der Reformation
bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts;
die hier ausgestellten Porträts sind Leihgaben
aus der Gemäldegalerie und dem Kupfer¬
stichkabinett.

Heinz Amelung i
Tagesfragen

Der Breslauer "Skandal". Die Ange¬
legenheit des abgebrochenen Hauptmannschen
FestsPieleS schlägt immer weitere Kreise; sie
ist zu einer Politischen Frage geworden.
Das Hineinziehen der Parteipolitik ist von
linksliberaler Seite geschehen. Die Proteste
kommen u. a. von Kriegcrvereinen und Katho¬
liken; beide widersetzen sich natürlich nicht aus
künstlerischen Gründen, sondern die einen aus
nationalen, die anderen aus religiösen. Beider
Gründe sind gutt Mit Parteipolitik hatte
daS Hauptmnnn-Festspiel im Grunde gar
nichts zu tun; die kam erst hinein, als von
linkslibernler Seite entdeckt wurde, daß hier
wieder einmal eine Gelegenheit sei, "die
Geistesfreiheit" zu reklamieren.

Man ließ das teils durch eine frühere
Sozialistin besorgen, die besonders als
solche ja hervorragend geeignet ist zur Beur¬
teilung nationaler und religiöser Beschwerden,

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Der „Führer" ist ein kleines Kunstwerk für
sich, sowohl dein Inhalte als auch der druck¬
technischen Ausstattung nach. (Verlag von
Bruno Cassirer in Berlin, Druck von Otto
von Hollen.) Prof. Hans Mackowski, der die
Galerie zu leiten berufen ist, hat sich nicht
mit der trockenen Aufzählung der Kunstwerke
begnügt; er hat vielmehr jede der im Bilde
dargestellten Persönlichkeiten, ihre Wirksamkeit
und ihre Bedeutung für die deutsche Geschichte,
das deutsche Geistes- oder Wirtschaftsleben
kurz charakterisiert, häufig durch glücklich ge¬
wählte Zitate. So ist das Museum unter
den günstigsten Auspizien als eine neue Quelle
der Belehrung und Erhebung dein Volke zu¬
gänglich gemacht worden.

Den Besucher grüßt am Eingange die
überlebensgroße Figur des Alten Fritz, ein
vergoldeter Gipsabguß nach dem im Stände-
hnus zu Stettin befindlichen Mnrmororiginal
von Schadow. Das erste Kabinett beherbergt
Bildnisse von Mitgliedern des Königshauses:
Abgüsse der Schadowschen Büsten Friedrich
Wilhelms des Dritten und der Königin Luise,
die Marmorbüsten des ersten Kaisers (von
Joseph von Kopf) und seiner Gemahlin (von
Bernhard Römer), ferner das von Max Koner
1890 gemalte Ölbild des regierenden Kaisers,
das in der Erfassung des geistigen Wesens
Wilhelms des Zweiten als das ähnlichste
gilt. Es folgen im nächsten Raum neun be¬
rühmte Gelehrte: Helmholtz, Mommsen,
Zeller, Neumann, Curtius, Lepsius, Droysen,
Weber, Ranke. Daran schließen sich Generäle
aus den Feldzügen von 1866 und 1870. Im
vierten Zimmer sind Zeichnungen und Büsten
von Gelehrten, Dichtern, Staatsmännern,
Technikern im bunten Wechsel zur Schau ge¬
bracht, darunter Werner von Siemers, ein
Meisterwerk Adolf Hildebrands, vier Aquarelle
Menzels und die glänzende Kohlezeichnung
Stauffer - Beruf, Conrad Ferdinand Meyer
darstellend. Künstler aus der zweiten Hälfte
des neunzehnten Jahrhunderts find im Raum V
gruppiert. Darunter befindet sich als einzige
Ausländerin die herrliche Sängerin Jenny
Lind; ihre Bedeutung für das künstlerische
Leben in Berlin, der Sturm der Begeisterung
und Verehrung, den sie in ganz Deutschland
entsandte, rechtfertigt sicherlich ihre Aufnahme
in die Galerie. Die zwei nächsten Säle re¬

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präsentieren die Zeit der Romantik und das
Zeitalter Goethes. Tiefe Gruppierungen sind
bedingt durch die rein äußerliche Scheidung
in Zeichnungen und Ölgemälde. Trotz des
ziemlich starken Bestandes von fünfundfünfzig
Bildnissen empfindet man in diesen Gruppen
das Fehlen vieler bedeutender Deutscher be¬
sonders stark. Gluck, Wagner, Liszt und Hans
von Bülow sind in der Galerie vertreten,
aber Beethoven, Haydn, Bach, Mozart suchen
wir noch vergebens. Mit Vergnügen ge¬
wahren wir die köstliche Goethebüste Klauers,
auch Lessing, Tieck, Fontane, Hebbel, Heine
und andere, selbst der alte Hans Sachs fehlen
nicht; aber die großen Weimaraner Wieland,
Herder, Schiller und so nianche andere am
deutschen Dichterhimmel strahlende Sterne
erster und zweiter Größe vermissen wir noch.
Und wie vor vierzig Jahren, so ist es auch
heute noch zu beklagen, daß Porträts von
Stein, Hardenberg, Humboldt nicht zu finden
sind.

Ein letzter Saal enthält Bildnisse aus
dem langen Zeitraum von der Reformation
bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts;
die hier ausgestellten Porträts sind Leihgaben
aus der Gemäldegalerie und dem Kupfer¬
stichkabinett.

Heinz Amelung i
Tagesfragen

Der Breslauer „Skandal". Die Ange¬
legenheit des abgebrochenen Hauptmannschen
FestsPieleS schlägt immer weitere Kreise; sie
ist zu einer Politischen Frage geworden.
Das Hineinziehen der Parteipolitik ist von
linksliberaler Seite geschehen. Die Proteste
kommen u. a. von Kriegcrvereinen und Katho¬
liken; beide widersetzen sich natürlich nicht aus
künstlerischen Gründen, sondern die einen aus
nationalen, die anderen aus religiösen. Beider
Gründe sind gutt Mit Parteipolitik hatte
daS Hauptmnnn-Festspiel im Grunde gar
nichts zu tun; die kam erst hinein, als von
linkslibernler Seite entdeckt wurde, daß hier
wieder einmal eine Gelegenheit sei, „die
Geistesfreiheit" zu reklamieren.

Man ließ das teils durch eine frühere
Sozialistin besorgen, die besonders als
solche ja hervorragend geeignet ist zur Beur¬
teilung nationaler und religiöser Beschwerden,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/642>, abgerufen am 27.07.2024.