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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Mit dem Kaiser auf Reisen

Heinrich, aus, deren Geburtstag der 11. Juli ist. Zu Ehren des Tages waren
auch Toppslaggen gesetzt worden. Am nächsten Morgen, den 12. Juli, wurde
eine Partie nach demi "Suphelle", einem der Jostedalgletscher, unternommen.
Der Weg führt vom Ende des Fjärlandfjords ganz eben durch ein ziemlich
breites, wohlangebautes Tal, in dem einige Gehöfte mit freundlichen Häusern
liegen. Der Weg steigt kaum merklich an und führt in etwa fünfviertel Stunden
an die Moräne, welche der an der linken Talseite befindliche Suphelgletscher
quer über das Tal geschoben hat. Man denke sich zwischen zwei hohen Felsen¬
bergen eine riesige, steil, oft fast senkrecht abfallende Schnee- und Eiswand,
deren ausgezackter Firn 5000 Fuß hoch ist. Die Eis- und Schneemasse, weiß
leuchtend, ist in der Mitte zerteilt durch einen zuckerhutartig aufgerichteten Felsen.
schroff abfallend läuft die Wand auf der Talsohle in die schwarzgraue Moräne
aus. Aus einem gewaltigen Eistor in dieser letzteren stürzt der reißende
Gletscherbach hervor, fortwährend abfallende Eisblöcke mit sich führend. Auf
dem Gletscher selbst erblickt man verschiedene Gießbäche. Wegen des steilen
Abfalls des Gletschers sind hier die Lawinen besonders häufig. Von einem
größeren Niedersturz am Tage vorher sah man noch die frischen Schneemassen
auf dem Eise liegen, und kaum war Se. Majestät vor dem Gletscher an¬
gekommen, als mit donnerähnlichem Getöse eine Lawine niederging, der bald
zwei weitere folgten. Später gingen dann noch zwei Lawinen nieder. Diese
großartige Vereinigung von Schnee. Eis und Wasser macht einen überwältigenden
Eindruck.

Am meisten wird man noch an die Wengeralp und die Jungfrau er¬
innert. Doch hat man hier in Norwegen alles viel näher vor sich: man geht
fast eben bis dicht an die Moräne heran, die bis auf eine Höhe von 47 Meter
über dem Meeresspiegel in das Tal herabreicht, und man übersieht mit einem
Blick den 5000 Fuß hohen Gletscher.

Der Kaiser, der wie zu allen solchen Ausflügen seinen grauen Touristen¬
anzug trug, saß auf einem Steinblock gerade dem Gletscher gegenüber und be¬
wunderte lange Zeit stumm dieses herrliche Naturschauspiel.

Nach etwa einer Stunde nahmen dann Se. Majestät mit ihren Begleitern
das Frühstück, bestehend in harten Eiern, Schinken, kaltem Fleisch und Käse,
auf den moosbedeckten Steinen lagernd, angesichts des Gletschers ein.

Nach dem Frühstück wurde die Rückkehr angetreten; Se. Majestät benutzten
dazu, ebenso wie zum Hinwege, Ihr norwegisches Karriol, das bis dicht an den
Gletscher herangebracht werden konnte.

Um fünf Uhr verließ die "Hohenzollern" Mundal, um sich nach Motte zu
begeben. Das Wetter war prachtvoll und die immer Heller werdenden Nächte
geben der Reise immer mehr den Charakter einer Nordlandsreise.

Die Fahrt ging teilweise durch flache Scharen, die ganz eigentümliche
Steinformationen und Jnselbildungen aufweisen. Am frühen Morgen wurde
unter leichtem Stampfen des Dampfers das wegen seiner Dünung berüchtigte


Mit dem Kaiser auf Reisen

Heinrich, aus, deren Geburtstag der 11. Juli ist. Zu Ehren des Tages waren
auch Toppslaggen gesetzt worden. Am nächsten Morgen, den 12. Juli, wurde
eine Partie nach demi „Suphelle", einem der Jostedalgletscher, unternommen.
Der Weg führt vom Ende des Fjärlandfjords ganz eben durch ein ziemlich
breites, wohlangebautes Tal, in dem einige Gehöfte mit freundlichen Häusern
liegen. Der Weg steigt kaum merklich an und führt in etwa fünfviertel Stunden
an die Moräne, welche der an der linken Talseite befindliche Suphelgletscher
quer über das Tal geschoben hat. Man denke sich zwischen zwei hohen Felsen¬
bergen eine riesige, steil, oft fast senkrecht abfallende Schnee- und Eiswand,
deren ausgezackter Firn 5000 Fuß hoch ist. Die Eis- und Schneemasse, weiß
leuchtend, ist in der Mitte zerteilt durch einen zuckerhutartig aufgerichteten Felsen.
schroff abfallend läuft die Wand auf der Talsohle in die schwarzgraue Moräne
aus. Aus einem gewaltigen Eistor in dieser letzteren stürzt der reißende
Gletscherbach hervor, fortwährend abfallende Eisblöcke mit sich führend. Auf
dem Gletscher selbst erblickt man verschiedene Gießbäche. Wegen des steilen
Abfalls des Gletschers sind hier die Lawinen besonders häufig. Von einem
größeren Niedersturz am Tage vorher sah man noch die frischen Schneemassen
auf dem Eise liegen, und kaum war Se. Majestät vor dem Gletscher an¬
gekommen, als mit donnerähnlichem Getöse eine Lawine niederging, der bald
zwei weitere folgten. Später gingen dann noch zwei Lawinen nieder. Diese
großartige Vereinigung von Schnee. Eis und Wasser macht einen überwältigenden
Eindruck.

Am meisten wird man noch an die Wengeralp und die Jungfrau er¬
innert. Doch hat man hier in Norwegen alles viel näher vor sich: man geht
fast eben bis dicht an die Moräne heran, die bis auf eine Höhe von 47 Meter
über dem Meeresspiegel in das Tal herabreicht, und man übersieht mit einem
Blick den 5000 Fuß hohen Gletscher.

Der Kaiser, der wie zu allen solchen Ausflügen seinen grauen Touristen¬
anzug trug, saß auf einem Steinblock gerade dem Gletscher gegenüber und be¬
wunderte lange Zeit stumm dieses herrliche Naturschauspiel.

Nach etwa einer Stunde nahmen dann Se. Majestät mit ihren Begleitern
das Frühstück, bestehend in harten Eiern, Schinken, kaltem Fleisch und Käse,
auf den moosbedeckten Steinen lagernd, angesichts des Gletschers ein.

Nach dem Frühstück wurde die Rückkehr angetreten; Se. Majestät benutzten
dazu, ebenso wie zum Hinwege, Ihr norwegisches Karriol, das bis dicht an den
Gletscher herangebracht werden konnte.

Um fünf Uhr verließ die „Hohenzollern" Mundal, um sich nach Motte zu
begeben. Das Wetter war prachtvoll und die immer Heller werdenden Nächte
geben der Reise immer mehr den Charakter einer Nordlandsreise.

Die Fahrt ging teilweise durch flache Scharen, die ganz eigentümliche
Steinformationen und Jnselbildungen aufweisen. Am frühen Morgen wurde
unter leichtem Stampfen des Dampfers das wegen seiner Dünung berüchtigte


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[0611] Mit dem Kaiser auf Reisen Heinrich, aus, deren Geburtstag der 11. Juli ist. Zu Ehren des Tages waren auch Toppslaggen gesetzt worden. Am nächsten Morgen, den 12. Juli, wurde eine Partie nach demi „Suphelle", einem der Jostedalgletscher, unternommen. Der Weg führt vom Ende des Fjärlandfjords ganz eben durch ein ziemlich breites, wohlangebautes Tal, in dem einige Gehöfte mit freundlichen Häusern liegen. Der Weg steigt kaum merklich an und führt in etwa fünfviertel Stunden an die Moräne, welche der an der linken Talseite befindliche Suphelgletscher quer über das Tal geschoben hat. Man denke sich zwischen zwei hohen Felsen¬ bergen eine riesige, steil, oft fast senkrecht abfallende Schnee- und Eiswand, deren ausgezackter Firn 5000 Fuß hoch ist. Die Eis- und Schneemasse, weiß leuchtend, ist in der Mitte zerteilt durch einen zuckerhutartig aufgerichteten Felsen. schroff abfallend läuft die Wand auf der Talsohle in die schwarzgraue Moräne aus. Aus einem gewaltigen Eistor in dieser letzteren stürzt der reißende Gletscherbach hervor, fortwährend abfallende Eisblöcke mit sich führend. Auf dem Gletscher selbst erblickt man verschiedene Gießbäche. Wegen des steilen Abfalls des Gletschers sind hier die Lawinen besonders häufig. Von einem größeren Niedersturz am Tage vorher sah man noch die frischen Schneemassen auf dem Eise liegen, und kaum war Se. Majestät vor dem Gletscher an¬ gekommen, als mit donnerähnlichem Getöse eine Lawine niederging, der bald zwei weitere folgten. Später gingen dann noch zwei Lawinen nieder. Diese großartige Vereinigung von Schnee. Eis und Wasser macht einen überwältigenden Eindruck. Am meisten wird man noch an die Wengeralp und die Jungfrau er¬ innert. Doch hat man hier in Norwegen alles viel näher vor sich: man geht fast eben bis dicht an die Moräne heran, die bis auf eine Höhe von 47 Meter über dem Meeresspiegel in das Tal herabreicht, und man übersieht mit einem Blick den 5000 Fuß hohen Gletscher. Der Kaiser, der wie zu allen solchen Ausflügen seinen grauen Touristen¬ anzug trug, saß auf einem Steinblock gerade dem Gletscher gegenüber und be¬ wunderte lange Zeit stumm dieses herrliche Naturschauspiel. Nach etwa einer Stunde nahmen dann Se. Majestät mit ihren Begleitern das Frühstück, bestehend in harten Eiern, Schinken, kaltem Fleisch und Käse, auf den moosbedeckten Steinen lagernd, angesichts des Gletschers ein. Nach dem Frühstück wurde die Rückkehr angetreten; Se. Majestät benutzten dazu, ebenso wie zum Hinwege, Ihr norwegisches Karriol, das bis dicht an den Gletscher herangebracht werden konnte. Um fünf Uhr verließ die „Hohenzollern" Mundal, um sich nach Motte zu begeben. Das Wetter war prachtvoll und die immer Heller werdenden Nächte geben der Reise immer mehr den Charakter einer Nordlandsreise. Die Fahrt ging teilweise durch flache Scharen, die ganz eigentümliche Steinformationen und Jnselbildungen aufweisen. Am frühen Morgen wurde unter leichtem Stampfen des Dampfers das wegen seiner Dünung berüchtigte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/611>, abgerufen am 27.07.2024.