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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Zur Geschichte der modernen Arbeiterbewegung

mixers" (Tapetendrucker und Farbenmischer der Stadt New Uorl) 1910 eine
Aufnahmegebühr von 100 Dollars. In seinem Bericht zur internationalen
Gewerkschaftsbewegung des Jahres 1911 bemerkte Samuel Gompers, der Vor¬
sitzende der American leäeralion ok Uabor, u. a., daß das Jahr 19)1 als
ein epochemachendes bezeichnet werden kann, indem ein größerer Teil der großen
Armee des gewöhnlichen Volkes politisch und wirtschaftlich mehr in den Vorder¬
grund trat, wie dies je zuvor der Fall war. Samuel Gompers bemerkte:
"Wir haben heute einen Grad der Entwicklung erreicht, von dem wir nicht
sagen können, daß die Arbeiterschaft sich aufrafft, sondern sie hat sich schon auf¬
gerafft; nicht nur, daß die Dämmerung weicht, nein, das Morgengrauen ist eine
vollendete Tatsache. Die organisierten Arbeiter der ganzen Welt müssen sich
nur ihrer eigenen Macht, ihrer eigenen Kraft und reichen Hilfsquellen bewußt
werden, und sie müssen von dem Werte dieser Vorzüge genau so durchdrungen
sein, wie man das unter jenen Gliedern der Gesellschaft findet, die den Besitz und
die sogenannten .erworbenen Interessen' vertreten."

Die ersten Anfänge der australischen Arbeiterbewegung, welche mit der
englischen sehr stark verknüpft ist, reichen bis zum Jahre 1878 zurück, wo bereits
in Sydney der erste internationale Gracie Unions LonZress abgehalten wurde.
Im Gegensatz zur englischen und amerikanischen hat sich die australische Arbeiter¬
bewegung von jeher sehr stark politisch beteiligt. So befaßte sich z. B. schon
der Kongreß vom Jahre 1884 zu Melbourne neben gewerkschaftlichen Fragen
mit politischen Angelegenheiten, wie der Wahlrechtsreform, dem Verbot der Ein¬
wanderung von Chinesen, dem Verbot von der Errichtung von Sträflings¬
kolonien auf den australischen Inseln und anderem mehr. Die australischen
Gewerkschaften, welche größtenteils lokalen Charakter tragen, sind am besten im
Staat Neu-Südwales entwickelt. Die stärksten Organisationen hinsichtlich der
Mitgliederzahlen sind hier die "^ustralian WorKers Union" (Viehzüchter) mit
28 521 Mitgliedern im Jahre 1910. die "Kailwav ana 1'rarnxvav Service
^880Liati0n" (Eisenbahn- und Trambahnbedienstete) mit 8224 Mitgliedern im
Jahre 1910, die "I^ortnern Lollierv Lmplovers keäeration" (Bergarbeiter)
mit 7571 Mitgliedern im Jahre 1910 und die "l^eäerareä Learnens Union"
(Seeleute) mit 5332 Mitgliedern im Jahre 1910.

Analog der Entwicklung der australischen Arbeiterbewegung ist diejenige
Neu-Seelands gegangen. Die Zahl der teilweise sehr kleinen Gewerkschaften
stieg von 258 im Jahre 1903 auf 308 im Jahre 1910. Wenn man England
als das klassische Land der Arbeiterbewegung bezeichnet, so kann man ohne alle
Frage wohl Neu-Seeland das "Dorado" der Arbeiterbewegung nennen. Hier
besteht die denkbar weitestgehende Arbeiterschutzgesetzgebung. Für Unfälle im
Betriebe ist der Unternehmer unter allen Umständen haftbar. Der Lohn
eines Arbeiters darf nicht geschändet werden. Für Frauen gibt es keine
Überstundenarbeit und Kinder unter vierzehn Jahren dürfen nicht beschäftigt
werden.


Zur Geschichte der modernen Arbeiterbewegung

mixers" (Tapetendrucker und Farbenmischer der Stadt New Uorl) 1910 eine
Aufnahmegebühr von 100 Dollars. In seinem Bericht zur internationalen
Gewerkschaftsbewegung des Jahres 1911 bemerkte Samuel Gompers, der Vor¬
sitzende der American leäeralion ok Uabor, u. a., daß das Jahr 19)1 als
ein epochemachendes bezeichnet werden kann, indem ein größerer Teil der großen
Armee des gewöhnlichen Volkes politisch und wirtschaftlich mehr in den Vorder¬
grund trat, wie dies je zuvor der Fall war. Samuel Gompers bemerkte:
„Wir haben heute einen Grad der Entwicklung erreicht, von dem wir nicht
sagen können, daß die Arbeiterschaft sich aufrafft, sondern sie hat sich schon auf¬
gerafft; nicht nur, daß die Dämmerung weicht, nein, das Morgengrauen ist eine
vollendete Tatsache. Die organisierten Arbeiter der ganzen Welt müssen sich
nur ihrer eigenen Macht, ihrer eigenen Kraft und reichen Hilfsquellen bewußt
werden, und sie müssen von dem Werte dieser Vorzüge genau so durchdrungen
sein, wie man das unter jenen Gliedern der Gesellschaft findet, die den Besitz und
die sogenannten .erworbenen Interessen' vertreten."

Die ersten Anfänge der australischen Arbeiterbewegung, welche mit der
englischen sehr stark verknüpft ist, reichen bis zum Jahre 1878 zurück, wo bereits
in Sydney der erste internationale Gracie Unions LonZress abgehalten wurde.
Im Gegensatz zur englischen und amerikanischen hat sich die australische Arbeiter¬
bewegung von jeher sehr stark politisch beteiligt. So befaßte sich z. B. schon
der Kongreß vom Jahre 1884 zu Melbourne neben gewerkschaftlichen Fragen
mit politischen Angelegenheiten, wie der Wahlrechtsreform, dem Verbot der Ein¬
wanderung von Chinesen, dem Verbot von der Errichtung von Sträflings¬
kolonien auf den australischen Inseln und anderem mehr. Die australischen
Gewerkschaften, welche größtenteils lokalen Charakter tragen, sind am besten im
Staat Neu-Südwales entwickelt. Die stärksten Organisationen hinsichtlich der
Mitgliederzahlen sind hier die „^ustralian WorKers Union" (Viehzüchter) mit
28 521 Mitgliedern im Jahre 1910. die „Kailwav ana 1'rarnxvav Service
^880Liati0n" (Eisenbahn- und Trambahnbedienstete) mit 8224 Mitgliedern im
Jahre 1910, die „I^ortnern Lollierv Lmplovers keäeration" (Bergarbeiter)
mit 7571 Mitgliedern im Jahre 1910 und die „l^eäerareä Learnens Union"
(Seeleute) mit 5332 Mitgliedern im Jahre 1910.

Analog der Entwicklung der australischen Arbeiterbewegung ist diejenige
Neu-Seelands gegangen. Die Zahl der teilweise sehr kleinen Gewerkschaften
stieg von 258 im Jahre 1903 auf 308 im Jahre 1910. Wenn man England
als das klassische Land der Arbeiterbewegung bezeichnet, so kann man ohne alle
Frage wohl Neu-Seeland das „Dorado" der Arbeiterbewegung nennen. Hier
besteht die denkbar weitestgehende Arbeiterschutzgesetzgebung. Für Unfälle im
Betriebe ist der Unternehmer unter allen Umständen haftbar. Der Lohn
eines Arbeiters darf nicht geschändet werden. Für Frauen gibt es keine
Überstundenarbeit und Kinder unter vierzehn Jahren dürfen nicht beschäftigt
werden.


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[0607] Zur Geschichte der modernen Arbeiterbewegung mixers" (Tapetendrucker und Farbenmischer der Stadt New Uorl) 1910 eine Aufnahmegebühr von 100 Dollars. In seinem Bericht zur internationalen Gewerkschaftsbewegung des Jahres 1911 bemerkte Samuel Gompers, der Vor¬ sitzende der American leäeralion ok Uabor, u. a., daß das Jahr 19)1 als ein epochemachendes bezeichnet werden kann, indem ein größerer Teil der großen Armee des gewöhnlichen Volkes politisch und wirtschaftlich mehr in den Vorder¬ grund trat, wie dies je zuvor der Fall war. Samuel Gompers bemerkte: „Wir haben heute einen Grad der Entwicklung erreicht, von dem wir nicht sagen können, daß die Arbeiterschaft sich aufrafft, sondern sie hat sich schon auf¬ gerafft; nicht nur, daß die Dämmerung weicht, nein, das Morgengrauen ist eine vollendete Tatsache. Die organisierten Arbeiter der ganzen Welt müssen sich nur ihrer eigenen Macht, ihrer eigenen Kraft und reichen Hilfsquellen bewußt werden, und sie müssen von dem Werte dieser Vorzüge genau so durchdrungen sein, wie man das unter jenen Gliedern der Gesellschaft findet, die den Besitz und die sogenannten .erworbenen Interessen' vertreten." Die ersten Anfänge der australischen Arbeiterbewegung, welche mit der englischen sehr stark verknüpft ist, reichen bis zum Jahre 1878 zurück, wo bereits in Sydney der erste internationale Gracie Unions LonZress abgehalten wurde. Im Gegensatz zur englischen und amerikanischen hat sich die australische Arbeiter¬ bewegung von jeher sehr stark politisch beteiligt. So befaßte sich z. B. schon der Kongreß vom Jahre 1884 zu Melbourne neben gewerkschaftlichen Fragen mit politischen Angelegenheiten, wie der Wahlrechtsreform, dem Verbot der Ein¬ wanderung von Chinesen, dem Verbot von der Errichtung von Sträflings¬ kolonien auf den australischen Inseln und anderem mehr. Die australischen Gewerkschaften, welche größtenteils lokalen Charakter tragen, sind am besten im Staat Neu-Südwales entwickelt. Die stärksten Organisationen hinsichtlich der Mitgliederzahlen sind hier die „^ustralian WorKers Union" (Viehzüchter) mit 28 521 Mitgliedern im Jahre 1910. die „Kailwav ana 1'rarnxvav Service ^880Liati0n" (Eisenbahn- und Trambahnbedienstete) mit 8224 Mitgliedern im Jahre 1910, die „I^ortnern Lollierv Lmplovers keäeration" (Bergarbeiter) mit 7571 Mitgliedern im Jahre 1910 und die „l^eäerareä Learnens Union" (Seeleute) mit 5332 Mitgliedern im Jahre 1910. Analog der Entwicklung der australischen Arbeiterbewegung ist diejenige Neu-Seelands gegangen. Die Zahl der teilweise sehr kleinen Gewerkschaften stieg von 258 im Jahre 1903 auf 308 im Jahre 1910. Wenn man England als das klassische Land der Arbeiterbewegung bezeichnet, so kann man ohne alle Frage wohl Neu-Seeland das „Dorado" der Arbeiterbewegung nennen. Hier besteht die denkbar weitestgehende Arbeiterschutzgesetzgebung. Für Unfälle im Betriebe ist der Unternehmer unter allen Umständen haftbar. Der Lohn eines Arbeiters darf nicht geschändet werden. Für Frauen gibt es keine Überstundenarbeit und Kinder unter vierzehn Jahren dürfen nicht beschäftigt werden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/607>, abgerufen am 27.07.2024.