Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] Eine schwerwiegende Bestätigung dessen, gegen die Religion einstellen; den Volksschul¬ Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] Eine schwerwiegende Bestätigung dessen, gegen die Religion einstellen; den Volksschul¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0595" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/326115"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_2828" next="#ID_2829"> Eine schwerwiegende Bestätigung dessen,<lb/> was Julius Wolf (siehe den ersten diesjährigen<lb/> Bund der Grenzboten S, 45) als Hauptursache<lb/> des Geburtenrückganges gefunden hat: kluge<lb/> Berechnung im Interesse einer ideallosen ma¬<lb/> terialistischen Gesinnung und Abschüttelung aller<lb/> Fesseln, die der Selbstsucht von Autoritäten und<lb/> Traditionen und namentlich von der Religion<lb/> angelegt werden. Der französische Nativnal-<lb/> ökonom berechnet, daß nach hundert Jahren<lb/> die französische Nation verschwunden, Frank¬<lb/> reich von eingewanderten Belgiern, Deutschen,<lb/> Italienern und Spaniern bewohnt sein werde.<lb/> Was den Schwund noch einigermaßen auf¬<lb/> halte und verschleiere, das sei die Fruchtbar¬<lb/> keit einiger Landschaften: der Bretagne, der<lb/> Vendöe, eines Teiles von Lothringen, der<lb/> Departements Böarn, Nord und Pas de<lb/> Calais! das seien aber gerade die gläubig<lb/> gebliebenen Lnndesteile, Das einzige Mittel,<lb/> das französische Volk vor dem Untergange zu<lb/> retten, bestehe demnach in der Rückkehr zum<lb/> Glauben und zu einer idealen, opferwilligen<lb/> Gesinnung. Die Regierung müsse den Kampf</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_2829" prev="#ID_2828" next="#ID_2830"> gegen die Religion einstellen; den Volksschul¬<lb/> lehrern dürfe nicht länger gestattet werden,<lb/> an der Zerstörung der Religion zu arbeiten,<lb/> der unsittlichen Literatur und Bühne müsse<lb/> gewehrt, die Fruchtnbtreibung, die Nnleunng<lb/> zu den Praktiken der Neomalthusianer müßten<lb/> bestraft werden. Zu den mitwirkenden Ur¬<lb/> sachen des Geburtenrückganges rechnet der<lb/> Verfasser u. a. den „Arrivisme": der Arrivist<lb/> wolle sich nicht mit Kindern belasten, die ihm<lb/> das Vorwärtsstreben erschweren, wolle auch<lb/> seiner Nachkommenschaft das Emporsteigen<lb/> erleichtern, was seiner Meinung nach dadurch<lb/> am sichersten geschehe, daß er nur einen Sohn<lb/> habe, auf den er all seine Sorge und seine<lb/> Mittel konzentrieren könne. (Ein doppelter<lb/> Irrtum, meint Leroy-Beaulieu, weil einzige<lb/> Söhne verzärtelt werden und meistens nichts<lb/> taugen, und weil nach der geschichtlichen Er¬<lb/> fahrung gerade nachgeborene Söhne es zu<lb/> sein Pflegen, die den Ruhm einer Familie<lb/> begründen.) Ferner wirkten ungünstig die<lb/> Kinderschutzgesetzgebung und die übertriebene<lb/> Ausdehnung des Schulzwangs, die dem Armen</p> <cb type="end"/><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0595]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Eine schwerwiegende Bestätigung dessen,
was Julius Wolf (siehe den ersten diesjährigen
Bund der Grenzboten S, 45) als Hauptursache
des Geburtenrückganges gefunden hat: kluge
Berechnung im Interesse einer ideallosen ma¬
terialistischen Gesinnung und Abschüttelung aller
Fesseln, die der Selbstsucht von Autoritäten und
Traditionen und namentlich von der Religion
angelegt werden. Der französische Nativnal-
ökonom berechnet, daß nach hundert Jahren
die französische Nation verschwunden, Frank¬
reich von eingewanderten Belgiern, Deutschen,
Italienern und Spaniern bewohnt sein werde.
Was den Schwund noch einigermaßen auf¬
halte und verschleiere, das sei die Fruchtbar¬
keit einiger Landschaften: der Bretagne, der
Vendöe, eines Teiles von Lothringen, der
Departements Böarn, Nord und Pas de
Calais! das seien aber gerade die gläubig
gebliebenen Lnndesteile, Das einzige Mittel,
das französische Volk vor dem Untergange zu
retten, bestehe demnach in der Rückkehr zum
Glauben und zu einer idealen, opferwilligen
Gesinnung. Die Regierung müsse den Kampf
gegen die Religion einstellen; den Volksschul¬
lehrern dürfe nicht länger gestattet werden,
an der Zerstörung der Religion zu arbeiten,
der unsittlichen Literatur und Bühne müsse
gewehrt, die Fruchtnbtreibung, die Nnleunng
zu den Praktiken der Neomalthusianer müßten
bestraft werden. Zu den mitwirkenden Ur¬
sachen des Geburtenrückganges rechnet der
Verfasser u. a. den „Arrivisme": der Arrivist
wolle sich nicht mit Kindern belasten, die ihm
das Vorwärtsstreben erschweren, wolle auch
seiner Nachkommenschaft das Emporsteigen
erleichtern, was seiner Meinung nach dadurch
am sichersten geschehe, daß er nur einen Sohn
habe, auf den er all seine Sorge und seine
Mittel konzentrieren könne. (Ein doppelter
Irrtum, meint Leroy-Beaulieu, weil einzige
Söhne verzärtelt werden und meistens nichts
taugen, und weil nach der geschichtlichen Er¬
fahrung gerade nachgeborene Söhne es zu
sein Pflegen, die den Ruhm einer Familie
begründen.) Ferner wirkten ungünstig die
Kinderschutzgesetzgebung und die übertriebene
Ausdehnung des Schulzwangs, die dem Armen
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