Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Führung und Verpflegung der Millionenheere

übersehen läßt und wenn auch die letzten Befehle der höheren Instanzen ein¬
getroffen sind.

Auch wenn plötzlich Änderungen der ursprünglichen Absichten eintreten
sollten und eine Abänderung der früher erlassenen Befehle sich als notwendig
herausstellen sollte, so ist dies jetzt viel leichter auszuführen. In dieser
Hinsicht ist die Führung also beweglicher geworden. Die Einführung be¬
sonderer Bureauwagen, die Mitführung des Unterpersonals auf Motoromni¬
bussen ermöglicht die Abwicklung des regelmäßigen Geschäftsbetriebes un¬
mittelbar nach dem Eintreffen im Unterkunftsorte. Ja auch für den Fall,
daß die Stäbe auf freiem Felde in Tätigkeit treten sollten, ist durch Ein¬
richtung der Wagen, Mitführung von Zelten usw. Vorsorge getroffen. Nicht
gering ist ferner der Vorteil einzuschätzen, den die Führung durch die
reichliche Ausstattung aller Stäbe und Truppen mit Kartenmaterial erhalten
hat. In napoleonischer Zeit machte sich der Mangel an guten und zuver¬
lässigen Karten in empfindlichster Weise fühlbar. Wenn man die Berichte
hoher Offiziere jener Zeit liest, so frägt man sich oft verwundert, wie es denn
möglich gewesen sei, ohne jede Karte Krieg zu führen. Es kommt ferner noch
hinzu, daß man jetzt über den Gegner, seine Armee, die vorhandenen Festungen,
die Beschaffenheit des Landes, seine Ressourcen, die Wegeverhältnisse viel besser
unterrichtet ist wie früher. Man wird bei einem Kriege schwerlich durch irgend¬
eine bedeutende Tatsache überrascht werden. Etwaige Schwierigkeiten sind be¬
kannt, so daß man beizeiten die entsprechenden Gegenmaßregeln treffen konnte.

Von der Verwendung der lenkbarem Luftschiffe und Flugfahrzeuge ver¬
spricht man sich viel für die Aufklärung. Ob mit Recht soll hier nicht unter¬
sucht werden. Sollten aber tatsächlich diese neuen Mittel die Aufklärung weit¬
reichender und zuverlässiger gestalten, als es bisher der Fall war, wo der
Führer lediglich auf die Meldungen seiner Kavallerie und gelegentliche Agenten-
und Spionennachrichten, auf die Mitteilungen der Einwohner und die Angaben
der Presse angewiesen war, so wird dies doch keinen wesentlichen Unterschied
in der großen Kriegführung herbeiführen. Ein einzelnes Armeekorps, ja auch
noch eine Armee, die selbständig ohne Anlehnung an andere Verbände operiert,
kann auf Grund der noch in später Abendstunde eingelaufenen Nachrichten ihre
Front verschieben, die Marschziele ändern, eine andere Gruppierung der Kräfte
herbeiführen. In größeren Verhältnissen ist dies nicht mehr in diesem Maße
möglich. Alle Bewegungen müssen dann aus einer größeren Tiefe und auf
weitere Entfernungen angesetzt sein. Der Plan, nach dem die Truppen ver¬
wendet werden sollen, muß seit längerer Zeit gefaßt sein und kann nicht von
den täglich einlaufenden Meldungen mehr abhängig sein, sonst kommt die
Ausführung zu spät. Wer sich von den Meldungen über den Feind ab¬
hängig macht, mit seinen Entschlüssen auf deren Eintreffen wartet, wird in
der Regel zu spät kommen. Er überläßt dem Gegner die Vorhand, macht
sich von ihm abhängig und gerät schon dadurch in Nachteil. Sind außer-


Führung und Verpflegung der Millionenheere

übersehen läßt und wenn auch die letzten Befehle der höheren Instanzen ein¬
getroffen sind.

Auch wenn plötzlich Änderungen der ursprünglichen Absichten eintreten
sollten und eine Abänderung der früher erlassenen Befehle sich als notwendig
herausstellen sollte, so ist dies jetzt viel leichter auszuführen. In dieser
Hinsicht ist die Führung also beweglicher geworden. Die Einführung be¬
sonderer Bureauwagen, die Mitführung des Unterpersonals auf Motoromni¬
bussen ermöglicht die Abwicklung des regelmäßigen Geschäftsbetriebes un¬
mittelbar nach dem Eintreffen im Unterkunftsorte. Ja auch für den Fall,
daß die Stäbe auf freiem Felde in Tätigkeit treten sollten, ist durch Ein¬
richtung der Wagen, Mitführung von Zelten usw. Vorsorge getroffen. Nicht
gering ist ferner der Vorteil einzuschätzen, den die Führung durch die
reichliche Ausstattung aller Stäbe und Truppen mit Kartenmaterial erhalten
hat. In napoleonischer Zeit machte sich der Mangel an guten und zuver¬
lässigen Karten in empfindlichster Weise fühlbar. Wenn man die Berichte
hoher Offiziere jener Zeit liest, so frägt man sich oft verwundert, wie es denn
möglich gewesen sei, ohne jede Karte Krieg zu führen. Es kommt ferner noch
hinzu, daß man jetzt über den Gegner, seine Armee, die vorhandenen Festungen,
die Beschaffenheit des Landes, seine Ressourcen, die Wegeverhältnisse viel besser
unterrichtet ist wie früher. Man wird bei einem Kriege schwerlich durch irgend¬
eine bedeutende Tatsache überrascht werden. Etwaige Schwierigkeiten sind be¬
kannt, so daß man beizeiten die entsprechenden Gegenmaßregeln treffen konnte.

Von der Verwendung der lenkbarem Luftschiffe und Flugfahrzeuge ver¬
spricht man sich viel für die Aufklärung. Ob mit Recht soll hier nicht unter¬
sucht werden. Sollten aber tatsächlich diese neuen Mittel die Aufklärung weit¬
reichender und zuverlässiger gestalten, als es bisher der Fall war, wo der
Führer lediglich auf die Meldungen seiner Kavallerie und gelegentliche Agenten-
und Spionennachrichten, auf die Mitteilungen der Einwohner und die Angaben
der Presse angewiesen war, so wird dies doch keinen wesentlichen Unterschied
in der großen Kriegführung herbeiführen. Ein einzelnes Armeekorps, ja auch
noch eine Armee, die selbständig ohne Anlehnung an andere Verbände operiert,
kann auf Grund der noch in später Abendstunde eingelaufenen Nachrichten ihre
Front verschieben, die Marschziele ändern, eine andere Gruppierung der Kräfte
herbeiführen. In größeren Verhältnissen ist dies nicht mehr in diesem Maße
möglich. Alle Bewegungen müssen dann aus einer größeren Tiefe und auf
weitere Entfernungen angesetzt sein. Der Plan, nach dem die Truppen ver¬
wendet werden sollen, muß seit längerer Zeit gefaßt sein und kann nicht von
den täglich einlaufenden Meldungen mehr abhängig sein, sonst kommt die
Ausführung zu spät. Wer sich von den Meldungen über den Feind ab¬
hängig macht, mit seinen Entschlüssen auf deren Eintreffen wartet, wird in
der Regel zu spät kommen. Er überläßt dem Gegner die Vorhand, macht
sich von ihm abhängig und gerät schon dadurch in Nachteil. Sind außer-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0558" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/326078"/>
          <fw type="header" place="top"> Führung und Verpflegung der Millionenheere</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2580" prev="#ID_2579"> übersehen läßt und wenn auch die letzten Befehle der höheren Instanzen ein¬<lb/>
getroffen sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2581"> Auch wenn plötzlich Änderungen der ursprünglichen Absichten eintreten<lb/>
sollten und eine Abänderung der früher erlassenen Befehle sich als notwendig<lb/>
herausstellen sollte, so ist dies jetzt viel leichter auszuführen. In dieser<lb/>
Hinsicht ist die Führung also beweglicher geworden. Die Einführung be¬<lb/>
sonderer Bureauwagen, die Mitführung des Unterpersonals auf Motoromni¬<lb/>
bussen ermöglicht die Abwicklung des regelmäßigen Geschäftsbetriebes un¬<lb/>
mittelbar nach dem Eintreffen im Unterkunftsorte. Ja auch für den Fall,<lb/>
daß die Stäbe auf freiem Felde in Tätigkeit treten sollten, ist durch Ein¬<lb/>
richtung der Wagen, Mitführung von Zelten usw. Vorsorge getroffen. Nicht<lb/>
gering ist ferner der Vorteil einzuschätzen, den die Führung durch die<lb/>
reichliche Ausstattung aller Stäbe und Truppen mit Kartenmaterial erhalten<lb/>
hat. In napoleonischer Zeit machte sich der Mangel an guten und zuver¬<lb/>
lässigen Karten in empfindlichster Weise fühlbar. Wenn man die Berichte<lb/>
hoher Offiziere jener Zeit liest, so frägt man sich oft verwundert, wie es denn<lb/>
möglich gewesen sei, ohne jede Karte Krieg zu führen. Es kommt ferner noch<lb/>
hinzu, daß man jetzt über den Gegner, seine Armee, die vorhandenen Festungen,<lb/>
die Beschaffenheit des Landes, seine Ressourcen, die Wegeverhältnisse viel besser<lb/>
unterrichtet ist wie früher. Man wird bei einem Kriege schwerlich durch irgend¬<lb/>
eine bedeutende Tatsache überrascht werden. Etwaige Schwierigkeiten sind be¬<lb/>
kannt, so daß man beizeiten die entsprechenden Gegenmaßregeln treffen konnte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2582" next="#ID_2583"> Von der Verwendung der lenkbarem Luftschiffe und Flugfahrzeuge ver¬<lb/>
spricht man sich viel für die Aufklärung. Ob mit Recht soll hier nicht unter¬<lb/>
sucht werden. Sollten aber tatsächlich diese neuen Mittel die Aufklärung weit¬<lb/>
reichender und zuverlässiger gestalten, als es bisher der Fall war, wo der<lb/>
Führer lediglich auf die Meldungen seiner Kavallerie und gelegentliche Agenten-<lb/>
und Spionennachrichten, auf die Mitteilungen der Einwohner und die Angaben<lb/>
der Presse angewiesen war, so wird dies doch keinen wesentlichen Unterschied<lb/>
in der großen Kriegführung herbeiführen. Ein einzelnes Armeekorps, ja auch<lb/>
noch eine Armee, die selbständig ohne Anlehnung an andere Verbände operiert,<lb/>
kann auf Grund der noch in später Abendstunde eingelaufenen Nachrichten ihre<lb/>
Front verschieben, die Marschziele ändern, eine andere Gruppierung der Kräfte<lb/>
herbeiführen. In größeren Verhältnissen ist dies nicht mehr in diesem Maße<lb/>
möglich. Alle Bewegungen müssen dann aus einer größeren Tiefe und auf<lb/>
weitere Entfernungen angesetzt sein. Der Plan, nach dem die Truppen ver¬<lb/>
wendet werden sollen, muß seit längerer Zeit gefaßt sein und kann nicht von<lb/>
den täglich einlaufenden Meldungen mehr abhängig sein, sonst kommt die<lb/>
Ausführung zu spät. Wer sich von den Meldungen über den Feind ab¬<lb/>
hängig macht, mit seinen Entschlüssen auf deren Eintreffen wartet, wird in<lb/>
der Regel zu spät kommen. Er überläßt dem Gegner die Vorhand, macht<lb/>
sich von ihm abhängig und gerät schon dadurch in Nachteil.  Sind außer-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0558] Führung und Verpflegung der Millionenheere übersehen läßt und wenn auch die letzten Befehle der höheren Instanzen ein¬ getroffen sind. Auch wenn plötzlich Änderungen der ursprünglichen Absichten eintreten sollten und eine Abänderung der früher erlassenen Befehle sich als notwendig herausstellen sollte, so ist dies jetzt viel leichter auszuführen. In dieser Hinsicht ist die Führung also beweglicher geworden. Die Einführung be¬ sonderer Bureauwagen, die Mitführung des Unterpersonals auf Motoromni¬ bussen ermöglicht die Abwicklung des regelmäßigen Geschäftsbetriebes un¬ mittelbar nach dem Eintreffen im Unterkunftsorte. Ja auch für den Fall, daß die Stäbe auf freiem Felde in Tätigkeit treten sollten, ist durch Ein¬ richtung der Wagen, Mitführung von Zelten usw. Vorsorge getroffen. Nicht gering ist ferner der Vorteil einzuschätzen, den die Führung durch die reichliche Ausstattung aller Stäbe und Truppen mit Kartenmaterial erhalten hat. In napoleonischer Zeit machte sich der Mangel an guten und zuver¬ lässigen Karten in empfindlichster Weise fühlbar. Wenn man die Berichte hoher Offiziere jener Zeit liest, so frägt man sich oft verwundert, wie es denn möglich gewesen sei, ohne jede Karte Krieg zu führen. Es kommt ferner noch hinzu, daß man jetzt über den Gegner, seine Armee, die vorhandenen Festungen, die Beschaffenheit des Landes, seine Ressourcen, die Wegeverhältnisse viel besser unterrichtet ist wie früher. Man wird bei einem Kriege schwerlich durch irgend¬ eine bedeutende Tatsache überrascht werden. Etwaige Schwierigkeiten sind be¬ kannt, so daß man beizeiten die entsprechenden Gegenmaßregeln treffen konnte. Von der Verwendung der lenkbarem Luftschiffe und Flugfahrzeuge ver¬ spricht man sich viel für die Aufklärung. Ob mit Recht soll hier nicht unter¬ sucht werden. Sollten aber tatsächlich diese neuen Mittel die Aufklärung weit¬ reichender und zuverlässiger gestalten, als es bisher der Fall war, wo der Führer lediglich auf die Meldungen seiner Kavallerie und gelegentliche Agenten- und Spionennachrichten, auf die Mitteilungen der Einwohner und die Angaben der Presse angewiesen war, so wird dies doch keinen wesentlichen Unterschied in der großen Kriegführung herbeiführen. Ein einzelnes Armeekorps, ja auch noch eine Armee, die selbständig ohne Anlehnung an andere Verbände operiert, kann auf Grund der noch in später Abendstunde eingelaufenen Nachrichten ihre Front verschieben, die Marschziele ändern, eine andere Gruppierung der Kräfte herbeiführen. In größeren Verhältnissen ist dies nicht mehr in diesem Maße möglich. Alle Bewegungen müssen dann aus einer größeren Tiefe und auf weitere Entfernungen angesetzt sein. Der Plan, nach dem die Truppen ver¬ wendet werden sollen, muß seit längerer Zeit gefaßt sein und kann nicht von den täglich einlaufenden Meldungen mehr abhängig sein, sonst kommt die Ausführung zu spät. Wer sich von den Meldungen über den Feind ab¬ hängig macht, mit seinen Entschlüssen auf deren Eintreffen wartet, wird in der Regel zu spät kommen. Er überläßt dem Gegner die Vorhand, macht sich von ihm abhängig und gerät schon dadurch in Nachteil. Sind außer-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/558
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/558>, abgerufen am 22.12.2024.