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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Erbschaftssteuer

Selbstsucht des Erben nicht den Ausschlag geben. Man kann dabei kaum von
Härte sprechen. Jede Rücksicht, die man auf den einzelnen begünstigten Erben
nimmt, führt vielmehr zur Härte und Rücksichtslosigkeit gegen die Gesamtheit
und die Millionen von Bedürftigen, die überhaupt nichts erben I Zu ihrem
Besten insbesondere erscheint auch eine hohe Abgabe vom unverdienten Gewinn
wohl gerechtfertigt. Das Erben bleibt auch dann noch eine ganz einträgliche
und jedenfalls nicht aufreibende Tätigkeit. Es ist recht und billig, wenn die
große Masse, die sich in harter Arbeit für des Lebens Notdurft müht, wenigstens
bis zu einem gewissen Grade an den Erbschaften teilnimmt, die als müheloser
Gewinn, als Geschenk des Zufalls, wenigen in den Schoß fallen. Ohnehin
kann das Vermögen, das der einzelne hinterläßt, nicht lediglich als das Er¬
zeugnis seiner eigenen Tätigkeit betrachtet werden. Was wir erwerben, ver¬
danken wir mit der wirtschaftlichen Tätigkeit der ganzen Bevölkerung und dem
Schutze des Reiches. Auch auf dem Gebiete des Erbrechts muß deswegen der
hohe Gemeinschaftsgedanke in stärkerem Maße Beachtung finden, als es bisher
der Fall gewesen ist. Wie sich diese Aufgabe im einzelnen durchführen läßt,
welche Maßregeln notwendig sind, um das Steuerpflichtige Vermögen voll zu erfassen,
Hinterziehungen zu hindern -- mögen sie beim beweglichen oder unbeweglichen
Vermöge" vorkommen -- um das schleppende, unzweckmäßige Einziehungs¬
verfahren durch ein schleuniges, sachgemäßes zu ersetzen und so den Ertrag der
Erbschaftssteuer noch zu erhöhen, -- das mag einer weiteren Betrachtung vor¬
behalten bleiben. Hier sollte zunächst ein Weg gezeigt werden, auf dem ohne
Besteuerung von Kindern und Witwen und ohne neue Heranziehung des all¬
mählich doch genügend belasteten Steuerzahlers bedeutende Mehreinnahmen er¬
zielt werden können.




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Erbschaftssteuer

Selbstsucht des Erben nicht den Ausschlag geben. Man kann dabei kaum von
Härte sprechen. Jede Rücksicht, die man auf den einzelnen begünstigten Erben
nimmt, führt vielmehr zur Härte und Rücksichtslosigkeit gegen die Gesamtheit
und die Millionen von Bedürftigen, die überhaupt nichts erben I Zu ihrem
Besten insbesondere erscheint auch eine hohe Abgabe vom unverdienten Gewinn
wohl gerechtfertigt. Das Erben bleibt auch dann noch eine ganz einträgliche
und jedenfalls nicht aufreibende Tätigkeit. Es ist recht und billig, wenn die
große Masse, die sich in harter Arbeit für des Lebens Notdurft müht, wenigstens
bis zu einem gewissen Grade an den Erbschaften teilnimmt, die als müheloser
Gewinn, als Geschenk des Zufalls, wenigen in den Schoß fallen. Ohnehin
kann das Vermögen, das der einzelne hinterläßt, nicht lediglich als das Er¬
zeugnis seiner eigenen Tätigkeit betrachtet werden. Was wir erwerben, ver¬
danken wir mit der wirtschaftlichen Tätigkeit der ganzen Bevölkerung und dem
Schutze des Reiches. Auch auf dem Gebiete des Erbrechts muß deswegen der
hohe Gemeinschaftsgedanke in stärkerem Maße Beachtung finden, als es bisher
der Fall gewesen ist. Wie sich diese Aufgabe im einzelnen durchführen läßt,
welche Maßregeln notwendig sind, um das Steuerpflichtige Vermögen voll zu erfassen,
Hinterziehungen zu hindern — mögen sie beim beweglichen oder unbeweglichen
Vermöge» vorkommen — um das schleppende, unzweckmäßige Einziehungs¬
verfahren durch ein schleuniges, sachgemäßes zu ersetzen und so den Ertrag der
Erbschaftssteuer noch zu erhöhen, — das mag einer weiteren Betrachtung vor¬
behalten bleiben. Hier sollte zunächst ein Weg gezeigt werden, auf dem ohne
Besteuerung von Kindern und Witwen und ohne neue Heranziehung des all¬
mählich doch genügend belasteten Steuerzahlers bedeutende Mehreinnahmen er¬
zielt werden können.




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[0551] Erbschaftssteuer Selbstsucht des Erben nicht den Ausschlag geben. Man kann dabei kaum von Härte sprechen. Jede Rücksicht, die man auf den einzelnen begünstigten Erben nimmt, führt vielmehr zur Härte und Rücksichtslosigkeit gegen die Gesamtheit und die Millionen von Bedürftigen, die überhaupt nichts erben I Zu ihrem Besten insbesondere erscheint auch eine hohe Abgabe vom unverdienten Gewinn wohl gerechtfertigt. Das Erben bleibt auch dann noch eine ganz einträgliche und jedenfalls nicht aufreibende Tätigkeit. Es ist recht und billig, wenn die große Masse, die sich in harter Arbeit für des Lebens Notdurft müht, wenigstens bis zu einem gewissen Grade an den Erbschaften teilnimmt, die als müheloser Gewinn, als Geschenk des Zufalls, wenigen in den Schoß fallen. Ohnehin kann das Vermögen, das der einzelne hinterläßt, nicht lediglich als das Er¬ zeugnis seiner eigenen Tätigkeit betrachtet werden. Was wir erwerben, ver¬ danken wir mit der wirtschaftlichen Tätigkeit der ganzen Bevölkerung und dem Schutze des Reiches. Auch auf dem Gebiete des Erbrechts muß deswegen der hohe Gemeinschaftsgedanke in stärkerem Maße Beachtung finden, als es bisher der Fall gewesen ist. Wie sich diese Aufgabe im einzelnen durchführen läßt, welche Maßregeln notwendig sind, um das Steuerpflichtige Vermögen voll zu erfassen, Hinterziehungen zu hindern — mögen sie beim beweglichen oder unbeweglichen Vermöge» vorkommen — um das schleppende, unzweckmäßige Einziehungs¬ verfahren durch ein schleuniges, sachgemäßes zu ersetzen und so den Ertrag der Erbschaftssteuer noch zu erhöhen, — das mag einer weiteren Betrachtung vor¬ behalten bleiben. Hier sollte zunächst ein Weg gezeigt werden, auf dem ohne Besteuerung von Kindern und Witwen und ohne neue Heranziehung des all¬ mählich doch genügend belasteten Steuerzahlers bedeutende Mehreinnahmen er¬ zielt werden können. 35»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/551>, abgerufen am 27.07.2024.