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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Erbschaftssteuer

als Steuer an die Gesamtheit abgeben, daß dagegen die Mitglieder der anderen
Gruppe, nämlich die weiteren Seitenverwandten und die Fremden, den vierten
Teil der Erbschaft mit 25 Prozent und im Höchstfalle, bei mehr als einer
Million, die Hälfte der Erbschaft mit 50 Prozent als Steuer erlegen. Auf
dieser Grundlage läßt sich folgende Stufenleiter aufstellen:

M. M. M. M. M. M.
bis bis bis bis über
100 bis 6000 60 000 100 000 600 000 1 Mill. 1 Mill.
^> Verwandte in aufsteig. Linie,
Geschwister und deren Kinder 12V-°/o 16°/<> 17-/2°/° 20°/o 22'/-°/° 26
L. Weitere Seitenverwandte und
Fremde.......26°/" 30°/" 36°/g 40°/" 46 °/g 60

Werden die Steuersätze soweit erhöht, so wird sich der Ertrag nahezu
verdreifachen, also um nahezu 100 Millionen erhöhen. Es fragt sich, ob eine
solche Erhöhung den Erben gegenüber zulässig erscheint. Die Frage ist meines
Erachtens zu bejahen. Eine gewisse Willkür ist bei der Aufstellung von Zahlen
nicht zu vermeiden. Auch die geltenden Anfangssätze von 4 Prozent sind
willkürlich, wie ohne weiteres erhellt. Der Gesetzgeber hat nicht etwa ange¬
nommen, man trete den Geschwistern und Neffen und Nichten zu nahe, wenn
man ihnen zumute, mehr als 4 Prozent von ihren Erbschaften an die Staats¬
kasse abzugeben, sondern nach der Begründung des Erbschaftssteuergesetzes vom
3. Juni 1906 Seite 20 war die Erwägung bestimmend, daß kein höherer Satz er¬
forderlich war, um den damals fehlenden Betrag im Reichshaushalt zu decken. Die
Zahl 4 ist also nicht als eine auf einer Naturnotwendigkeit beruhende, unabänderliche
Größe anzusehen, sondern sie erklärt sich einfach rechnerisch aus dem verhältnis¬
mäßig geringen Geldbedürfnis des Jahres 1906. Bei den hier vorgeschlagenen
Sätzen ist berücksichtigt, daß sie nicht etwa die nahen Angehörigen des Erb¬
lassers treffen. Vielmehr handelt es sich vorzugsweise um solche Erbfälle, die
dem natürlichen Gang der Dinge zuwiderlaufen, die nur eintreten, weil der
Erblasser unverheiratet und kinderlos verstorben ist. Italien hat durch Gesetz
vom 23. Juni 1902 für Geschwister und ihre Kinder Anfangssätze von 7 und
8^2 Prozent eingeführt, Frankreich durch Gesetz vom 8. April 1910 Anfangs¬
sätze von 10 und 12 Prozent. Darüber geht man nicht wesentlich hinaus,
wenn man nach obigem Vorschlag einen Satz von 12^ Prozent zugrunde
legt, der sich stufenweise bis zu 25 Prozent steigert, wenn der Wert der Erb¬
schaft mehr als eine Million beträgt. Kommen entferntere Seitenverwandte
oder fremde Personen in Betracht, so ist es nicht unbillig, ihnen 25 Prozent
aufsteigend bis zu 50 Prozent aufzuerlegen, falls es sich um mehr als eine
Million handelt. Auch dann lohnt es noch der Mühe, solche Erbschaft anzu¬
treten. Dem Erben selbst wird ja wohl jede Steuer, die er zahlen soll, über¬
flüssig vorkommen. Vom Standpunkt der Gerechtigkeit aber kann die natürliche


Erbschaftssteuer

als Steuer an die Gesamtheit abgeben, daß dagegen die Mitglieder der anderen
Gruppe, nämlich die weiteren Seitenverwandten und die Fremden, den vierten
Teil der Erbschaft mit 25 Prozent und im Höchstfalle, bei mehr als einer
Million, die Hälfte der Erbschaft mit 50 Prozent als Steuer erlegen. Auf
dieser Grundlage läßt sich folgende Stufenleiter aufstellen:

M. M. M. M. M. M.
bis bis bis bis über
100 bis 6000 60 000 100 000 600 000 1 Mill. 1 Mill.
^> Verwandte in aufsteig. Linie,
Geschwister und deren Kinder 12V-°/o 16°/<> 17-/2°/° 20°/o 22'/-°/° 26
L. Weitere Seitenverwandte und
Fremde.......26°/„ 30°/„ 36°/g 40°/« 46 °/g 60

Werden die Steuersätze soweit erhöht, so wird sich der Ertrag nahezu
verdreifachen, also um nahezu 100 Millionen erhöhen. Es fragt sich, ob eine
solche Erhöhung den Erben gegenüber zulässig erscheint. Die Frage ist meines
Erachtens zu bejahen. Eine gewisse Willkür ist bei der Aufstellung von Zahlen
nicht zu vermeiden. Auch die geltenden Anfangssätze von 4 Prozent sind
willkürlich, wie ohne weiteres erhellt. Der Gesetzgeber hat nicht etwa ange¬
nommen, man trete den Geschwistern und Neffen und Nichten zu nahe, wenn
man ihnen zumute, mehr als 4 Prozent von ihren Erbschaften an die Staats¬
kasse abzugeben, sondern nach der Begründung des Erbschaftssteuergesetzes vom
3. Juni 1906 Seite 20 war die Erwägung bestimmend, daß kein höherer Satz er¬
forderlich war, um den damals fehlenden Betrag im Reichshaushalt zu decken. Die
Zahl 4 ist also nicht als eine auf einer Naturnotwendigkeit beruhende, unabänderliche
Größe anzusehen, sondern sie erklärt sich einfach rechnerisch aus dem verhältnis¬
mäßig geringen Geldbedürfnis des Jahres 1906. Bei den hier vorgeschlagenen
Sätzen ist berücksichtigt, daß sie nicht etwa die nahen Angehörigen des Erb¬
lassers treffen. Vielmehr handelt es sich vorzugsweise um solche Erbfälle, die
dem natürlichen Gang der Dinge zuwiderlaufen, die nur eintreten, weil der
Erblasser unverheiratet und kinderlos verstorben ist. Italien hat durch Gesetz
vom 23. Juni 1902 für Geschwister und ihre Kinder Anfangssätze von 7 und
8^2 Prozent eingeführt, Frankreich durch Gesetz vom 8. April 1910 Anfangs¬
sätze von 10 und 12 Prozent. Darüber geht man nicht wesentlich hinaus,
wenn man nach obigem Vorschlag einen Satz von 12^ Prozent zugrunde
legt, der sich stufenweise bis zu 25 Prozent steigert, wenn der Wert der Erb¬
schaft mehr als eine Million beträgt. Kommen entferntere Seitenverwandte
oder fremde Personen in Betracht, so ist es nicht unbillig, ihnen 25 Prozent
aufsteigend bis zu 50 Prozent aufzuerlegen, falls es sich um mehr als eine
Million handelt. Auch dann lohnt es noch der Mühe, solche Erbschaft anzu¬
treten. Dem Erben selbst wird ja wohl jede Steuer, die er zahlen soll, über¬
flüssig vorkommen. Vom Standpunkt der Gerechtigkeit aber kann die natürliche


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[0550] Erbschaftssteuer als Steuer an die Gesamtheit abgeben, daß dagegen die Mitglieder der anderen Gruppe, nämlich die weiteren Seitenverwandten und die Fremden, den vierten Teil der Erbschaft mit 25 Prozent und im Höchstfalle, bei mehr als einer Million, die Hälfte der Erbschaft mit 50 Prozent als Steuer erlegen. Auf dieser Grundlage läßt sich folgende Stufenleiter aufstellen: M. M. M. M. M. M. bis bis bis bis über 100 bis 6000 60 000 100 000 600 000 1 Mill. 1 Mill. ^> Verwandte in aufsteig. Linie, Geschwister und deren Kinder 12V-°/o 16°/<> 17-/2°/° 20°/o 22'/-°/° 26 L. Weitere Seitenverwandte und Fremde.......26°/„ 30°/„ 36°/g 40°/« 46 °/g 60 Werden die Steuersätze soweit erhöht, so wird sich der Ertrag nahezu verdreifachen, also um nahezu 100 Millionen erhöhen. Es fragt sich, ob eine solche Erhöhung den Erben gegenüber zulässig erscheint. Die Frage ist meines Erachtens zu bejahen. Eine gewisse Willkür ist bei der Aufstellung von Zahlen nicht zu vermeiden. Auch die geltenden Anfangssätze von 4 Prozent sind willkürlich, wie ohne weiteres erhellt. Der Gesetzgeber hat nicht etwa ange¬ nommen, man trete den Geschwistern und Neffen und Nichten zu nahe, wenn man ihnen zumute, mehr als 4 Prozent von ihren Erbschaften an die Staats¬ kasse abzugeben, sondern nach der Begründung des Erbschaftssteuergesetzes vom 3. Juni 1906 Seite 20 war die Erwägung bestimmend, daß kein höherer Satz er¬ forderlich war, um den damals fehlenden Betrag im Reichshaushalt zu decken. Die Zahl 4 ist also nicht als eine auf einer Naturnotwendigkeit beruhende, unabänderliche Größe anzusehen, sondern sie erklärt sich einfach rechnerisch aus dem verhältnis¬ mäßig geringen Geldbedürfnis des Jahres 1906. Bei den hier vorgeschlagenen Sätzen ist berücksichtigt, daß sie nicht etwa die nahen Angehörigen des Erb¬ lassers treffen. Vielmehr handelt es sich vorzugsweise um solche Erbfälle, die dem natürlichen Gang der Dinge zuwiderlaufen, die nur eintreten, weil der Erblasser unverheiratet und kinderlos verstorben ist. Italien hat durch Gesetz vom 23. Juni 1902 für Geschwister und ihre Kinder Anfangssätze von 7 und 8^2 Prozent eingeführt, Frankreich durch Gesetz vom 8. April 1910 Anfangs¬ sätze von 10 und 12 Prozent. Darüber geht man nicht wesentlich hinaus, wenn man nach obigem Vorschlag einen Satz von 12^ Prozent zugrunde legt, der sich stufenweise bis zu 25 Prozent steigert, wenn der Wert der Erb¬ schaft mehr als eine Million beträgt. Kommen entferntere Seitenverwandte oder fremde Personen in Betracht, so ist es nicht unbillig, ihnen 25 Prozent aufsteigend bis zu 50 Prozent aufzuerlegen, falls es sich um mehr als eine Million handelt. Auch dann lohnt es noch der Mühe, solche Erbschaft anzu¬ treten. Dem Erben selbst wird ja wohl jede Steuer, die er zahlen soll, über¬ flüssig vorkommen. Vom Standpunkt der Gerechtigkeit aber kann die natürliche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/550>, abgerufen am 30.12.2024.