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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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der Panik Reichsbanknoten und Papiergeld mit einem Disagio gegen bares
Geld aufkaufen, spricht zur Genüge für den Grad der eingetretenen Beun¬
ruhigung. Wenn somit die Summen, welche der Volkswirtschaft infolge der
politischen Verhältnisse entzogen worden sind, auf mehr als eine Milliarde Mark
Zu schätzen sind, so bedeutet das einen Kraftverlust, der auch in ruhigen Zeiten
nur schwer überwunden werden kann. Doppelt empfindlich aber muß eine
solche Blutentziehung werden, wenn die allgemeine Wirtschaftslage nicht ein
ruhiges Erholen und Sammeln gestattet, sondern die äußerste Anspannung der
Kräfte fordert. Das aber ist gerade die merkwürdige Erscheinung der jüngsten
Zeit gewesen. Trotz alles Kriegslärms und aller Panik hat sich der wirtschaft¬
liche Aufschwung, da er die Folge einer Weltkonjunktur ist. nicht zurückdämmen
lassen. Es ist das eine geradezu erstaunliche Tatsache. Wäre der politische
Himmel ganz wolkenlos, lebte ganz Europa ini tiefsten, unzerstörbaren Völker¬
frieden, stände uns Geld in Hülle und Fülle zu Gebote: unsere Bergwerke
hätten nicht mehr Kohlen fördern, unsere Hütten nicht fieberhafter arbeiten
können, als sie es in dieser politisch so unruhigen und gefährlichen Zeit getan
haben. Jeder Monat bringt neue Rekordziffern. Die Beteiligungsquoten
im Kohlensyndikat, die man ehedem als unerreichbare Größen auch in
günstigsten Zeiten betrachtet hatte, sind längst überschritten; fast 11 Prozent
beträgt der Mehrabsatz des Syndikats im Monat Januar! Da ist es
denn erklärlich, wenn unter dem Zusammenwirken dieser Umstände, einer
Hochkonjunktur von nie erlebter Stärke, und einer geschwächten monetären
Position, die Lage des Geldmarktes eine Verfassung gewonnen hat. die zu
den schwersten Bedenken Anlaß gibt und den Anschein erweckt, als treibe alles
einer Krisis entgegen. Der Privatdiskont seit Wochen auf 6 Prozent. Ultimo¬
geld 8^ Prozent am Ende März; Geld für Hypotheken auch zu druckends en
Bedingungen nicht aufzutreiben, die Schatzscheinemission Preußens em ellatanter
Mißerfolg, die Reichsbank nur mit Mühe imstande, den sechsprozenttgen ^Zins-
fuß festzuhalten: das sind Erscheinungen, welche der nächsten Zukunft em
schlimmes Prognostikon stellen.




Mitten in diese Zeit schwerster Geldsorgen fiel nun die Ankündigung
der großen deutschen Wehrvorlage und der Milliardensteuer. Es ist be-
Miflich. daß schon die bloße Ankündigung eine tiefgehende Wirkung ausübt
und daß man sich allenthalben die Frage vorlegte, ob eine solche finanzpolitische
Maßregel in der gegenwärtigen Zeit ohne die schwerste Erschütterung des Wirt¬
schaftslebens überhaupt durchführbar sei. Es ist in den letzten Wochen hierher
gar vielerlei geschrieben und debattiert worden. Nachdem anfänglich der Ge¬
danke, die bedeutenden einmaligen Kosten der Heeresverstärkung durch eme all¬
gemeine Besitzsteu-r aufzubringen, eine sympathische Aufnahme gefunden hatte,
sind allmählich auch absprechende Kritiken laut geworden, d.e freilich meist insofern


der Panik Reichsbanknoten und Papiergeld mit einem Disagio gegen bares
Geld aufkaufen, spricht zur Genüge für den Grad der eingetretenen Beun¬
ruhigung. Wenn somit die Summen, welche der Volkswirtschaft infolge der
politischen Verhältnisse entzogen worden sind, auf mehr als eine Milliarde Mark
Zu schätzen sind, so bedeutet das einen Kraftverlust, der auch in ruhigen Zeiten
nur schwer überwunden werden kann. Doppelt empfindlich aber muß eine
solche Blutentziehung werden, wenn die allgemeine Wirtschaftslage nicht ein
ruhiges Erholen und Sammeln gestattet, sondern die äußerste Anspannung der
Kräfte fordert. Das aber ist gerade die merkwürdige Erscheinung der jüngsten
Zeit gewesen. Trotz alles Kriegslärms und aller Panik hat sich der wirtschaft¬
liche Aufschwung, da er die Folge einer Weltkonjunktur ist. nicht zurückdämmen
lassen. Es ist das eine geradezu erstaunliche Tatsache. Wäre der politische
Himmel ganz wolkenlos, lebte ganz Europa ini tiefsten, unzerstörbaren Völker¬
frieden, stände uns Geld in Hülle und Fülle zu Gebote: unsere Bergwerke
hätten nicht mehr Kohlen fördern, unsere Hütten nicht fieberhafter arbeiten
können, als sie es in dieser politisch so unruhigen und gefährlichen Zeit getan
haben. Jeder Monat bringt neue Rekordziffern. Die Beteiligungsquoten
im Kohlensyndikat, die man ehedem als unerreichbare Größen auch in
günstigsten Zeiten betrachtet hatte, sind längst überschritten; fast 11 Prozent
beträgt der Mehrabsatz des Syndikats im Monat Januar! Da ist es
denn erklärlich, wenn unter dem Zusammenwirken dieser Umstände, einer
Hochkonjunktur von nie erlebter Stärke, und einer geschwächten monetären
Position, die Lage des Geldmarktes eine Verfassung gewonnen hat. die zu
den schwersten Bedenken Anlaß gibt und den Anschein erweckt, als treibe alles
einer Krisis entgegen. Der Privatdiskont seit Wochen auf 6 Prozent. Ultimo¬
geld 8^ Prozent am Ende März; Geld für Hypotheken auch zu druckends en
Bedingungen nicht aufzutreiben, die Schatzscheinemission Preußens em ellatanter
Mißerfolg, die Reichsbank nur mit Mühe imstande, den sechsprozenttgen ^Zins-
fuß festzuhalten: das sind Erscheinungen, welche der nächsten Zukunft em
schlimmes Prognostikon stellen.




Mitten in diese Zeit schwerster Geldsorgen fiel nun die Ankündigung
der großen deutschen Wehrvorlage und der Milliardensteuer. Es ist be-
Miflich. daß schon die bloße Ankündigung eine tiefgehende Wirkung ausübt
und daß man sich allenthalben die Frage vorlegte, ob eine solche finanzpolitische
Maßregel in der gegenwärtigen Zeit ohne die schwerste Erschütterung des Wirt¬
schaftslebens überhaupt durchführbar sei. Es ist in den letzten Wochen hierher
gar vielerlei geschrieben und debattiert worden. Nachdem anfänglich der Ge¬
danke, die bedeutenden einmaligen Kosten der Heeresverstärkung durch eme all¬
gemeine Besitzsteu-r aufzubringen, eine sympathische Aufnahme gefunden hatte,
sind allmählich auch absprechende Kritiken laut geworden, d.e freilich meist insofern


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[0053] der Panik Reichsbanknoten und Papiergeld mit einem Disagio gegen bares Geld aufkaufen, spricht zur Genüge für den Grad der eingetretenen Beun¬ ruhigung. Wenn somit die Summen, welche der Volkswirtschaft infolge der politischen Verhältnisse entzogen worden sind, auf mehr als eine Milliarde Mark Zu schätzen sind, so bedeutet das einen Kraftverlust, der auch in ruhigen Zeiten nur schwer überwunden werden kann. Doppelt empfindlich aber muß eine solche Blutentziehung werden, wenn die allgemeine Wirtschaftslage nicht ein ruhiges Erholen und Sammeln gestattet, sondern die äußerste Anspannung der Kräfte fordert. Das aber ist gerade die merkwürdige Erscheinung der jüngsten Zeit gewesen. Trotz alles Kriegslärms und aller Panik hat sich der wirtschaft¬ liche Aufschwung, da er die Folge einer Weltkonjunktur ist. nicht zurückdämmen lassen. Es ist das eine geradezu erstaunliche Tatsache. Wäre der politische Himmel ganz wolkenlos, lebte ganz Europa ini tiefsten, unzerstörbaren Völker¬ frieden, stände uns Geld in Hülle und Fülle zu Gebote: unsere Bergwerke hätten nicht mehr Kohlen fördern, unsere Hütten nicht fieberhafter arbeiten können, als sie es in dieser politisch so unruhigen und gefährlichen Zeit getan haben. Jeder Monat bringt neue Rekordziffern. Die Beteiligungsquoten im Kohlensyndikat, die man ehedem als unerreichbare Größen auch in günstigsten Zeiten betrachtet hatte, sind längst überschritten; fast 11 Prozent beträgt der Mehrabsatz des Syndikats im Monat Januar! Da ist es denn erklärlich, wenn unter dem Zusammenwirken dieser Umstände, einer Hochkonjunktur von nie erlebter Stärke, und einer geschwächten monetären Position, die Lage des Geldmarktes eine Verfassung gewonnen hat. die zu den schwersten Bedenken Anlaß gibt und den Anschein erweckt, als treibe alles einer Krisis entgegen. Der Privatdiskont seit Wochen auf 6 Prozent. Ultimo¬ geld 8^ Prozent am Ende März; Geld für Hypotheken auch zu druckends en Bedingungen nicht aufzutreiben, die Schatzscheinemission Preußens em ellatanter Mißerfolg, die Reichsbank nur mit Mühe imstande, den sechsprozenttgen ^Zins- fuß festzuhalten: das sind Erscheinungen, welche der nächsten Zukunft em schlimmes Prognostikon stellen. Mitten in diese Zeit schwerster Geldsorgen fiel nun die Ankündigung der großen deutschen Wehrvorlage und der Milliardensteuer. Es ist be- Miflich. daß schon die bloße Ankündigung eine tiefgehende Wirkung ausübt und daß man sich allenthalben die Frage vorlegte, ob eine solche finanzpolitische Maßregel in der gegenwärtigen Zeit ohne die schwerste Erschütterung des Wirt¬ schaftslebens überhaupt durchführbar sei. Es ist in den letzten Wochen hierher gar vielerlei geschrieben und debattiert worden. Nachdem anfänglich der Ge¬ danke, die bedeutenden einmaligen Kosten der Heeresverstärkung durch eme all¬ gemeine Besitzsteu-r aufzubringen, eine sympathische Aufnahme gefunden hatte, sind allmählich auch absprechende Kritiken laut geworden, d.e freilich meist insofern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/53>, abgerufen am 27.07.2024.