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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Frankreichs Aulturexpcmsion und ihre Bedeutung für Deutschland

augenblicklich große Anstrengungen. Man verbreitet systematisch die Kenntnis
der französischen Sprache, Literatur und der sonstigen französischen Kultur über
den ganzen Erdball. Man betont drüben, daß unsere Expansion militärischer,
industrieller, handelspolitischer, die französische aber geistiger, kultureller Natur ist.

In erster Linie hat man dabei die lateinischen Schwesternationen Spanien
und Italien, ferner auch Rußland bearbeitet. Es sind dort sogenannte fran¬
zösische Institute gegründet worden, die zum Teil weiter nichts sind als kleine
Universitäten und die vom Ministerium des Auswärtigen pekuniär reichlich unter¬
stützt werden. Man organisiert in diesen Ländern umfassende Vorlesungskurse
über französische Sprache, Literatur, Geschichte, Kunst, handelspolitisches Leben
und die sonstige Kultur Frankreichs.

Zuerst haben sich die drei Universitäten Bordeaux, Toulouse, Montpellier
zusammengetan, um in dieser Weise in Spanien vorzugehen. Professoren dieser
Universitäten werden an die spanischen wie Barcelona, Salamanca, Burgos, Madrid
geschickt, um Vortragsreisen über französische Kultur zu veranstalten; vielfach
gründen sie zu gleicher Zeit französisch-spanische Studentenvereinigungen. Die
Krönung des ganzen bildet ein Institut in Madrid, das der Herd des französischen
Kultureinflusses in Spanien ist und das seine Lehrkräfte von jenen drei
südlichen Universitäten Frankreichs bezieht. Die Universitäten Lyon,
Grenoble, Marseille haben als Feld derselben Betätigung Italien über¬
nommen. Sie haben mit vielen italienischen Universitäten Beziehungen
angeknüpft, vor allem mit Florenz, wo ebenfalls ein Institut besteht. Es
soll die wissenschaftlichen und literarischen Bande zwischen beiden Ländern
verstärken und sorgt für französische Vorträge aller Art. Auch eine französisch¬
italienische Zeitschrift erscheint in der Arnostadt. Vor allem hat man sich aber
in Nußland festgesetzt. Man kann sagen, daß eine wirkliche kleine französische
Universität in Petersburg gegründet worden ist. Sie soll angeblich der Mittel¬
punkt des Studiums der slawischen Kultur für französische Gelehrte und
Studenten sein; in Wirklichkeit ist sie ein Herd des französischen Kultureinflusses
in Nußland. Auch Stipendien werden verliehen, um Franzosen den Besuch
dieses Instituts zu ermöglichen; ferner erscheint dort eine französische Zeitschrift.
Von hier aus wird ganz Nußland mit einem Netz französischer Darbietungen
wissenschaftlicher und künstlerischer Art überzogen. Die Universitäten Paris
und Nancy haben die slawische Welt als Arbeitsdomäne zugewiesen erhalten.
Vor einer Reihe von Jahren ließen sich in einer gewissen Wiener Presse deutsch¬
feindliche Stimmen hören. Das mußte dem nicht auffällig erscheinen, der weiß,
daß seit Jahren französische Bemühungen im Gange sind, auch in der Donau¬
stadt ein französisches Institut zu gründen und Wiener Zeitungen in Abhängigkeit
von französischem Gelde zu bringen. Diese Bestrebungen finden in Österreich
mächtige Bundesgenossen in den Tschechen und Polen, die immer franzosen¬
freundlich gewesen sind. In ähnlicher Weise versucht man schon lange gegen
den deutschen Einfluß in Konstantinopel vorzugehen. Französische Sprache und


Frankreichs Aulturexpcmsion und ihre Bedeutung für Deutschland

augenblicklich große Anstrengungen. Man verbreitet systematisch die Kenntnis
der französischen Sprache, Literatur und der sonstigen französischen Kultur über
den ganzen Erdball. Man betont drüben, daß unsere Expansion militärischer,
industrieller, handelspolitischer, die französische aber geistiger, kultureller Natur ist.

In erster Linie hat man dabei die lateinischen Schwesternationen Spanien
und Italien, ferner auch Rußland bearbeitet. Es sind dort sogenannte fran¬
zösische Institute gegründet worden, die zum Teil weiter nichts sind als kleine
Universitäten und die vom Ministerium des Auswärtigen pekuniär reichlich unter¬
stützt werden. Man organisiert in diesen Ländern umfassende Vorlesungskurse
über französische Sprache, Literatur, Geschichte, Kunst, handelspolitisches Leben
und die sonstige Kultur Frankreichs.

Zuerst haben sich die drei Universitäten Bordeaux, Toulouse, Montpellier
zusammengetan, um in dieser Weise in Spanien vorzugehen. Professoren dieser
Universitäten werden an die spanischen wie Barcelona, Salamanca, Burgos, Madrid
geschickt, um Vortragsreisen über französische Kultur zu veranstalten; vielfach
gründen sie zu gleicher Zeit französisch-spanische Studentenvereinigungen. Die
Krönung des ganzen bildet ein Institut in Madrid, das der Herd des französischen
Kultureinflusses in Spanien ist und das seine Lehrkräfte von jenen drei
südlichen Universitäten Frankreichs bezieht. Die Universitäten Lyon,
Grenoble, Marseille haben als Feld derselben Betätigung Italien über¬
nommen. Sie haben mit vielen italienischen Universitäten Beziehungen
angeknüpft, vor allem mit Florenz, wo ebenfalls ein Institut besteht. Es
soll die wissenschaftlichen und literarischen Bande zwischen beiden Ländern
verstärken und sorgt für französische Vorträge aller Art. Auch eine französisch¬
italienische Zeitschrift erscheint in der Arnostadt. Vor allem hat man sich aber
in Nußland festgesetzt. Man kann sagen, daß eine wirkliche kleine französische
Universität in Petersburg gegründet worden ist. Sie soll angeblich der Mittel¬
punkt des Studiums der slawischen Kultur für französische Gelehrte und
Studenten sein; in Wirklichkeit ist sie ein Herd des französischen Kultureinflusses
in Nußland. Auch Stipendien werden verliehen, um Franzosen den Besuch
dieses Instituts zu ermöglichen; ferner erscheint dort eine französische Zeitschrift.
Von hier aus wird ganz Nußland mit einem Netz französischer Darbietungen
wissenschaftlicher und künstlerischer Art überzogen. Die Universitäten Paris
und Nancy haben die slawische Welt als Arbeitsdomäne zugewiesen erhalten.
Vor einer Reihe von Jahren ließen sich in einer gewissen Wiener Presse deutsch¬
feindliche Stimmen hören. Das mußte dem nicht auffällig erscheinen, der weiß,
daß seit Jahren französische Bemühungen im Gange sind, auch in der Donau¬
stadt ein französisches Institut zu gründen und Wiener Zeitungen in Abhängigkeit
von französischem Gelde zu bringen. Diese Bestrebungen finden in Österreich
mächtige Bundesgenossen in den Tschechen und Polen, die immer franzosen¬
freundlich gewesen sind. In ähnlicher Weise versucht man schon lange gegen
den deutschen Einfluß in Konstantinopel vorzugehen. Französische Sprache und


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[0470] Frankreichs Aulturexpcmsion und ihre Bedeutung für Deutschland augenblicklich große Anstrengungen. Man verbreitet systematisch die Kenntnis der französischen Sprache, Literatur und der sonstigen französischen Kultur über den ganzen Erdball. Man betont drüben, daß unsere Expansion militärischer, industrieller, handelspolitischer, die französische aber geistiger, kultureller Natur ist. In erster Linie hat man dabei die lateinischen Schwesternationen Spanien und Italien, ferner auch Rußland bearbeitet. Es sind dort sogenannte fran¬ zösische Institute gegründet worden, die zum Teil weiter nichts sind als kleine Universitäten und die vom Ministerium des Auswärtigen pekuniär reichlich unter¬ stützt werden. Man organisiert in diesen Ländern umfassende Vorlesungskurse über französische Sprache, Literatur, Geschichte, Kunst, handelspolitisches Leben und die sonstige Kultur Frankreichs. Zuerst haben sich die drei Universitäten Bordeaux, Toulouse, Montpellier zusammengetan, um in dieser Weise in Spanien vorzugehen. Professoren dieser Universitäten werden an die spanischen wie Barcelona, Salamanca, Burgos, Madrid geschickt, um Vortragsreisen über französische Kultur zu veranstalten; vielfach gründen sie zu gleicher Zeit französisch-spanische Studentenvereinigungen. Die Krönung des ganzen bildet ein Institut in Madrid, das der Herd des französischen Kultureinflusses in Spanien ist und das seine Lehrkräfte von jenen drei südlichen Universitäten Frankreichs bezieht. Die Universitäten Lyon, Grenoble, Marseille haben als Feld derselben Betätigung Italien über¬ nommen. Sie haben mit vielen italienischen Universitäten Beziehungen angeknüpft, vor allem mit Florenz, wo ebenfalls ein Institut besteht. Es soll die wissenschaftlichen und literarischen Bande zwischen beiden Ländern verstärken und sorgt für französische Vorträge aller Art. Auch eine französisch¬ italienische Zeitschrift erscheint in der Arnostadt. Vor allem hat man sich aber in Nußland festgesetzt. Man kann sagen, daß eine wirkliche kleine französische Universität in Petersburg gegründet worden ist. Sie soll angeblich der Mittel¬ punkt des Studiums der slawischen Kultur für französische Gelehrte und Studenten sein; in Wirklichkeit ist sie ein Herd des französischen Kultureinflusses in Nußland. Auch Stipendien werden verliehen, um Franzosen den Besuch dieses Instituts zu ermöglichen; ferner erscheint dort eine französische Zeitschrift. Von hier aus wird ganz Nußland mit einem Netz französischer Darbietungen wissenschaftlicher und künstlerischer Art überzogen. Die Universitäten Paris und Nancy haben die slawische Welt als Arbeitsdomäne zugewiesen erhalten. Vor einer Reihe von Jahren ließen sich in einer gewissen Wiener Presse deutsch¬ feindliche Stimmen hören. Das mußte dem nicht auffällig erscheinen, der weiß, daß seit Jahren französische Bemühungen im Gange sind, auch in der Donau¬ stadt ein französisches Institut zu gründen und Wiener Zeitungen in Abhängigkeit von französischem Gelde zu bringen. Diese Bestrebungen finden in Österreich mächtige Bundesgenossen in den Tschechen und Polen, die immer franzosen¬ freundlich gewesen sind. In ähnlicher Weise versucht man schon lange gegen den deutschen Einfluß in Konstantinopel vorzugehen. Französische Sprache und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/470>, abgerufen am 27.07.2024.