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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Die irische Renaissance und George Moore

feine Ziselierarbeit der Dichter und Denker gefehlt hat, durch die eine Sprache
erst für den Ausdruck künstlerischer Werte abgestimmt wird. Dem überzeugungs¬
treuen Katholiken ist die römische Religion in Irland untrennbar vom nationalen
Gedanken, während die Gegner dieser Ansicht eben im römischen Dogma die
Ursache des tiefen Niedergangs sehen. In der sehr sympathischen Persönlichkeit
George Russells. der die Weltliteratur mit einigen wunderbar stimmungsvollen
Gedichtsammlungen, gezeichnet L., bereichert hat, gesellt sich der Schar der
Führer gar ein Vorkämpfer der altkeltischen Naturreligion, der sich von der Er¬
schließung des Mysteriums der alten Druidenlehren weltbeglückende Resultate
verspricht. Zwischen diesen heterogenen Strömungen gibt es allerlei Übergänge.
Mancher der jüngeren verharrt unschlüssig an den Kreuzwegen. Aber es ist
außerordentlich charakteristisch sür die Art dieses Geisteslebens, daß das politische
Element nur flüchtig hineinspielt; die Abkehr von den Wirklichkeiten der irdischen
Erscheinungswelt war von alters ein Kennzeichen der keltischen Mythologie
und Dichtung.

Einstweilen bestehen diese heterogenen Richtungen noch ziemlich friedlich
nebeneinander; um des genieinsamen Ziels willen läßt ein jeder des andern
Sonderüberzeugung über Mittel und Wege gelten und konzentriert sich darauf,
innerhalb des eigenen engen Kreises so intensiv wie möglich zu wirken. Ein
übersichtliches Vergleichen zwischen Ziel und Wegen aber ist nicht die Sache
dieses wunderlichen Völkchens. Das bringt nur ein von außen Hereinkommender
fertig, einer, den vorübergehend die Harfenklänge der irischen Volkstradition
War bezaubern konnten, der dann aber doch wieder den ihm Freund gewordenen
und ihm dennoch wesensfremden Künstlern den Rücken kehrte und eigene Wege
ging. Als George Moore sich der Bewegung anschloß mit der Parole, sein
ganzes künftiges Schaffen der Mischen Sache zu weihen, durste man mit Recht
auf das Resultat gespannt sein. Er ist geborener Ire und mehr als einer
unter seinen Vorfahren hat dem unglücklichen Vaterlande das eigene Wohl auf¬
geopfert. Aber der Enkel war der Heimat doch fremd geworden. Lange Kte-
rarische Lehrjahre in Paris, etliche erfolgreiche Romane (Esther Waters. Evelyn
Jnnes). in denen sich keine Spur von keltischen Elementen findet - das alles
'muß bergehohe Scheidewände zwischen den Enkel irischer Pawoten und sein
Stammland gelegt haben. Und dann kam es doch plötzlich über ihn - em
Heimweh - eine Regung des Blutes? Er beschreibt es als eine Stimme, die
er deutlich hörte: "Geh nach Irland!" An anderen Stellen tauchen Erklärungen
°uf. die den ungewöhnlichen Entschluß vielleicht begreiflicher machen Den
Ästheten Moore lockte die junge, urwüchsige Sprache, die aus ,hr zur Entfaltung
strebende neue Kunst. Der Zug der Kunst geht unaufhaltsam westwärts phrlo-
sophiert er; alle Länder der alten Welt hat sie besucht und es es meh rhre
Art. sich zum zweitenmal zu Gaste zu bitten. Warum oll e sie nun meh da
grüne Erin heimsuchen und ihm eine neue Blütezeit bererten? W^und Sagen der Künstlerliga an seine Ohren klang, tönte so herrschend neu.


Die irische Renaissance und George Moore

feine Ziselierarbeit der Dichter und Denker gefehlt hat, durch die eine Sprache
erst für den Ausdruck künstlerischer Werte abgestimmt wird. Dem überzeugungs¬
treuen Katholiken ist die römische Religion in Irland untrennbar vom nationalen
Gedanken, während die Gegner dieser Ansicht eben im römischen Dogma die
Ursache des tiefen Niedergangs sehen. In der sehr sympathischen Persönlichkeit
George Russells. der die Weltliteratur mit einigen wunderbar stimmungsvollen
Gedichtsammlungen, gezeichnet L., bereichert hat, gesellt sich der Schar der
Führer gar ein Vorkämpfer der altkeltischen Naturreligion, der sich von der Er¬
schließung des Mysteriums der alten Druidenlehren weltbeglückende Resultate
verspricht. Zwischen diesen heterogenen Strömungen gibt es allerlei Übergänge.
Mancher der jüngeren verharrt unschlüssig an den Kreuzwegen. Aber es ist
außerordentlich charakteristisch sür die Art dieses Geisteslebens, daß das politische
Element nur flüchtig hineinspielt; die Abkehr von den Wirklichkeiten der irdischen
Erscheinungswelt war von alters ein Kennzeichen der keltischen Mythologie
und Dichtung.

Einstweilen bestehen diese heterogenen Richtungen noch ziemlich friedlich
nebeneinander; um des genieinsamen Ziels willen läßt ein jeder des andern
Sonderüberzeugung über Mittel und Wege gelten und konzentriert sich darauf,
innerhalb des eigenen engen Kreises so intensiv wie möglich zu wirken. Ein
übersichtliches Vergleichen zwischen Ziel und Wegen aber ist nicht die Sache
dieses wunderlichen Völkchens. Das bringt nur ein von außen Hereinkommender
fertig, einer, den vorübergehend die Harfenklänge der irischen Volkstradition
War bezaubern konnten, der dann aber doch wieder den ihm Freund gewordenen
und ihm dennoch wesensfremden Künstlern den Rücken kehrte und eigene Wege
ging. Als George Moore sich der Bewegung anschloß mit der Parole, sein
ganzes künftiges Schaffen der Mischen Sache zu weihen, durste man mit Recht
auf das Resultat gespannt sein. Er ist geborener Ire und mehr als einer
unter seinen Vorfahren hat dem unglücklichen Vaterlande das eigene Wohl auf¬
geopfert. Aber der Enkel war der Heimat doch fremd geworden. Lange Kte-
rarische Lehrjahre in Paris, etliche erfolgreiche Romane (Esther Waters. Evelyn
Jnnes). in denen sich keine Spur von keltischen Elementen findet - das alles
'muß bergehohe Scheidewände zwischen den Enkel irischer Pawoten und sein
Stammland gelegt haben. Und dann kam es doch plötzlich über ihn - em
Heimweh - eine Regung des Blutes? Er beschreibt es als eine Stimme, die
er deutlich hörte: „Geh nach Irland!" An anderen Stellen tauchen Erklärungen
°uf. die den ungewöhnlichen Entschluß vielleicht begreiflicher machen Den
Ästheten Moore lockte die junge, urwüchsige Sprache, die aus ,hr zur Entfaltung
strebende neue Kunst. Der Zug der Kunst geht unaufhaltsam westwärts phrlo-
sophiert er; alle Länder der alten Welt hat sie besucht und es es meh rhre
Art. sich zum zweitenmal zu Gaste zu bitten. Warum oll e sie nun meh da
grüne Erin heimsuchen und ihm eine neue Blütezeit bererten? W^und Sagen der Künstlerliga an seine Ohren klang, tönte so herrschend neu.


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[0047] Die irische Renaissance und George Moore feine Ziselierarbeit der Dichter und Denker gefehlt hat, durch die eine Sprache erst für den Ausdruck künstlerischer Werte abgestimmt wird. Dem überzeugungs¬ treuen Katholiken ist die römische Religion in Irland untrennbar vom nationalen Gedanken, während die Gegner dieser Ansicht eben im römischen Dogma die Ursache des tiefen Niedergangs sehen. In der sehr sympathischen Persönlichkeit George Russells. der die Weltliteratur mit einigen wunderbar stimmungsvollen Gedichtsammlungen, gezeichnet L., bereichert hat, gesellt sich der Schar der Führer gar ein Vorkämpfer der altkeltischen Naturreligion, der sich von der Er¬ schließung des Mysteriums der alten Druidenlehren weltbeglückende Resultate verspricht. Zwischen diesen heterogenen Strömungen gibt es allerlei Übergänge. Mancher der jüngeren verharrt unschlüssig an den Kreuzwegen. Aber es ist außerordentlich charakteristisch sür die Art dieses Geisteslebens, daß das politische Element nur flüchtig hineinspielt; die Abkehr von den Wirklichkeiten der irdischen Erscheinungswelt war von alters ein Kennzeichen der keltischen Mythologie und Dichtung. Einstweilen bestehen diese heterogenen Richtungen noch ziemlich friedlich nebeneinander; um des genieinsamen Ziels willen läßt ein jeder des andern Sonderüberzeugung über Mittel und Wege gelten und konzentriert sich darauf, innerhalb des eigenen engen Kreises so intensiv wie möglich zu wirken. Ein übersichtliches Vergleichen zwischen Ziel und Wegen aber ist nicht die Sache dieses wunderlichen Völkchens. Das bringt nur ein von außen Hereinkommender fertig, einer, den vorübergehend die Harfenklänge der irischen Volkstradition War bezaubern konnten, der dann aber doch wieder den ihm Freund gewordenen und ihm dennoch wesensfremden Künstlern den Rücken kehrte und eigene Wege ging. Als George Moore sich der Bewegung anschloß mit der Parole, sein ganzes künftiges Schaffen der Mischen Sache zu weihen, durste man mit Recht auf das Resultat gespannt sein. Er ist geborener Ire und mehr als einer unter seinen Vorfahren hat dem unglücklichen Vaterlande das eigene Wohl auf¬ geopfert. Aber der Enkel war der Heimat doch fremd geworden. Lange Kte- rarische Lehrjahre in Paris, etliche erfolgreiche Romane (Esther Waters. Evelyn Jnnes). in denen sich keine Spur von keltischen Elementen findet - das alles 'muß bergehohe Scheidewände zwischen den Enkel irischer Pawoten und sein Stammland gelegt haben. Und dann kam es doch plötzlich über ihn - em Heimweh - eine Regung des Blutes? Er beschreibt es als eine Stimme, die er deutlich hörte: „Geh nach Irland!" An anderen Stellen tauchen Erklärungen °uf. die den ungewöhnlichen Entschluß vielleicht begreiflicher machen Den Ästheten Moore lockte die junge, urwüchsige Sprache, die aus ,hr zur Entfaltung strebende neue Kunst. Der Zug der Kunst geht unaufhaltsam westwärts phrlo- sophiert er; alle Länder der alten Welt hat sie besucht und es es meh rhre Art. sich zum zweitenmal zu Gaste zu bitten. Warum oll e sie nun meh da grüne Erin heimsuchen und ihm eine neue Blütezeit bererten? W^und Sagen der Künstlerliga an seine Ohren klang, tönte so herrschend neu.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/47>, abgerufen am 30.12.2024.