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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Deutsches Bluts- und Bodenrecht

festhielt, ihn aber, wenn er nicht innerhalb dieser Zeit für seine Eintragung in
die Listen des Konsuls sorgte, nach Fristablauf aus der reichsdeutschen Gemeinschaft
ausstieß.

Eines von deutschen Heeresbedürfnissen diktierten Zwanges zum Verbleibe
beim Reiche, wie er in jenen zehn Jahren lag, glaubt Deutschland, obwohl es
im Inlande fortan alle wehrfähigen Männer zur Fahne heranziehen will,
künftig entraten zu können. Damit entfällt auch die oft als geringschätzig be¬
zeichnete Art, in der Deutschland bislang, allen Mahnern zum Trotze, die Er¬
haltung der überseeischen Reichsgemeinschaft vernachlässigte. Man verlangte
bislang vom Deutschen, daß er den Willen, über zehn Jahre hinaus deutsch
zu bleiben, innerhalb der zehn Jahre durch den Antrag auf Eintragung in die
Listen der Konsuln bekunden solle. Man stellte also die staatliche Vermutung
einer mangelnden Treue auf, widerlegbar lediglich durch die Eintragung. Es
war der norddeutsche Bund, der wenige Jahre vor der Reichsgründung diese
für mehr als ein Menschenalter in unsere Reichsgesetzgebung übergegangene
Bestimmung schuf, die von unseren nationalen Verbänden mit anhaltender Ver¬
bitterung schon darum bekämpft worden ist, weil sie des deutschen Blutes im
Auswanderer und seinen Kindern nicht achtete und ausging von der Meinung,
die Wehrpflicht werde in Vätern und Söhnen den Willen zum Deutschtum
immer wieder zerstören.

Diese Meinung und die aus dieser Vermutung hervorgegangene Be¬
stimmung war einseitig, aber sie war ihrem geschichtlichen Ursprünge nach nicht
ganz so unbegreiflich, wie sie uns Deutschen von heute erscheinen möchte. Und
auch künftig werden wir auf Englands Vorsprung, sollte sich unser neues Reichs¬
gesetz selbst zum verständigsten von der Welt gestalten, solange mit einer ge¬
wissen Entsagung blicken müssen, als nicht entweder Deutschland seinen Aus-
landkindern die Wehrfreiheit gewährt oder England sich unter dem Drucke
kontinentaler Kräfte veranlaßt sieht, auch seinerseits die allgemeine Wehrpflicht
einzuführen. Es ist bitter aber wahr, und wird trotz aller überaus anerkennens¬
werten und im neuen Gesetzentwurfe geplanten Erleichterungen immer Wahrheit
bleiben, daß der Auslanddeutsche sich mit der Eigenschaft eines Trägers unserer
Kultur trösten, aber die reichsdeutsche Eigenschaft fast immer abstreifen wird,
wenn er sich oder seine Kinder vor die Notwendigkeit gestellt sieht, über das
Weltmeer, sei es auch mit Unterstützung aus dem speziellen Reichsfonds, zurück¬
zueilen, um in Deutschland oder seinen Kolonien Waffendienst zu tun. Daß
dieser Reichsfond bislang kaum jemals, vielleicht sogar noch nie in Anspruch
genommen worden ist, zeigt leider, wie wenig alle sonstigen persönlichen Er¬
leichterungen eine größere Bereitwilligkeit zu dem oft enormen Opfer erhoffen
lassen. Wenn überhaupt, wird man nur an Angehörige derjenigen Kreise denken
dürfen, aus denen sich die Einjährig-Freiwilligen rekrutieren; gerade hier jedoch
steht die seltene Ausstattung der deutschen Auslandschulen mit der Berechtigung
zum einjährig-freiwilligen Dienste der Ausübung der Wehrpflicht im Wege.


Deutsches Bluts- und Bodenrecht

festhielt, ihn aber, wenn er nicht innerhalb dieser Zeit für seine Eintragung in
die Listen des Konsuls sorgte, nach Fristablauf aus der reichsdeutschen Gemeinschaft
ausstieß.

Eines von deutschen Heeresbedürfnissen diktierten Zwanges zum Verbleibe
beim Reiche, wie er in jenen zehn Jahren lag, glaubt Deutschland, obwohl es
im Inlande fortan alle wehrfähigen Männer zur Fahne heranziehen will,
künftig entraten zu können. Damit entfällt auch die oft als geringschätzig be¬
zeichnete Art, in der Deutschland bislang, allen Mahnern zum Trotze, die Er¬
haltung der überseeischen Reichsgemeinschaft vernachlässigte. Man verlangte
bislang vom Deutschen, daß er den Willen, über zehn Jahre hinaus deutsch
zu bleiben, innerhalb der zehn Jahre durch den Antrag auf Eintragung in die
Listen der Konsuln bekunden solle. Man stellte also die staatliche Vermutung
einer mangelnden Treue auf, widerlegbar lediglich durch die Eintragung. Es
war der norddeutsche Bund, der wenige Jahre vor der Reichsgründung diese
für mehr als ein Menschenalter in unsere Reichsgesetzgebung übergegangene
Bestimmung schuf, die von unseren nationalen Verbänden mit anhaltender Ver¬
bitterung schon darum bekämpft worden ist, weil sie des deutschen Blutes im
Auswanderer und seinen Kindern nicht achtete und ausging von der Meinung,
die Wehrpflicht werde in Vätern und Söhnen den Willen zum Deutschtum
immer wieder zerstören.

Diese Meinung und die aus dieser Vermutung hervorgegangene Be¬
stimmung war einseitig, aber sie war ihrem geschichtlichen Ursprünge nach nicht
ganz so unbegreiflich, wie sie uns Deutschen von heute erscheinen möchte. Und
auch künftig werden wir auf Englands Vorsprung, sollte sich unser neues Reichs¬
gesetz selbst zum verständigsten von der Welt gestalten, solange mit einer ge¬
wissen Entsagung blicken müssen, als nicht entweder Deutschland seinen Aus-
landkindern die Wehrfreiheit gewährt oder England sich unter dem Drucke
kontinentaler Kräfte veranlaßt sieht, auch seinerseits die allgemeine Wehrpflicht
einzuführen. Es ist bitter aber wahr, und wird trotz aller überaus anerkennens¬
werten und im neuen Gesetzentwurfe geplanten Erleichterungen immer Wahrheit
bleiben, daß der Auslanddeutsche sich mit der Eigenschaft eines Trägers unserer
Kultur trösten, aber die reichsdeutsche Eigenschaft fast immer abstreifen wird,
wenn er sich oder seine Kinder vor die Notwendigkeit gestellt sieht, über das
Weltmeer, sei es auch mit Unterstützung aus dem speziellen Reichsfonds, zurück¬
zueilen, um in Deutschland oder seinen Kolonien Waffendienst zu tun. Daß
dieser Reichsfond bislang kaum jemals, vielleicht sogar noch nie in Anspruch
genommen worden ist, zeigt leider, wie wenig alle sonstigen persönlichen Er¬
leichterungen eine größere Bereitwilligkeit zu dem oft enormen Opfer erhoffen
lassen. Wenn überhaupt, wird man nur an Angehörige derjenigen Kreise denken
dürfen, aus denen sich die Einjährig-Freiwilligen rekrutieren; gerade hier jedoch
steht die seltene Ausstattung der deutschen Auslandschulen mit der Berechtigung
zum einjährig-freiwilligen Dienste der Ausübung der Wehrpflicht im Wege.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/466>, abgerufen am 22.12.2024.