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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Anselm Feuerbach und seine Zeit

was eben zuzeiten übersprudelt, ich bin eben ein Feuerbach und werde feuriger
von Jahr zu Jahr." Es wird niemanden wundernehmen, daß einem solchen
Gemüte Direktor Schadow und seine Professoren nicht weiter von Belang sein
konnten. Anselm setzte es durch, die Akademie verlassen zu dürfen. Schon
damals war er entschlossen, sich der Historienmalerei zu widmen, was ihm das
Bedeutendste seiner Kunst dünkte und der starken geistigen Neigung seines
Naturells am ehesten entsprach.

In München, wohin er sich zunächst wandte, wirkte als Lehrer vor allem
Karl Rahl auf ihn ein. Wie vorhin von Sohn gesagt wurde, daß Elemente
seines Stils im Feuerbachschcn leicht zu entdecken seien, so wird man auch
Rasis herben Ernst und Adel im Oeuvre unseres Künstlers erkennen können.
Doch blieb er nicht lange an der Jsar, 1850 treffen wir ihn in Antwerpen
wieder, das damals für den Hauptsitz der Historienmalerei galt. Die Vlamen
Gallait und Bi6spe hatten mit ihren großen geschichtlichen Gemälden: "Die
Abdankung Karls des Fünften" und "Das Kompromiß des niederländischen
Adels gegen die Inquisition" geradezu revolutionierend gewirkt. Die Frucht
dieser Anregung war in Deutschland Kaulbach; Feuerbach verließ die belgische
Akademie ohne Gewinn und wandte sich, halb verzweifelt, daß sein Weg sich
nicht gestalten wollte, nach Paris.

Er trat in das Atelier von Couture ein und von diesem Augenblick an
hatte er sich gefunden. Couture war ein Schüler von Delaroche, weniger
als Maler, denn als Lehrer angesehen. In seinen Bildern wird man nicht
viel an Bedeutenden finden, in seinem Atelier jedoch war schon das junge
Frankreich lebendig, das sich in der Schule von Barbizon, in Millet und
Courbet, repräsentierte. Feuerbach lernte hier malen und indem er sich im
Traum des Kolorits vertiefte, vertiefte er sich zugleich in die Bilder seines
Innern. Seine Phantasie mußte daran tiefer erglüht sein, stärker als je muß
es ihn durchdrungen haben, daß er berufen war. größten Zielen der Kunst zu
dienen. An einem Septembertage, als er gerade eine kleine italienische Be¬
gräbnisskizze malte, erhielt er die Nachricht vom Tode seines Vaters.

Er mußte nun nach Deutschland zurück. In Karlsruhe siedelt er sich an,
voll Eifer ist er tätig, allein die Heimat gönnt ihm den Erfolg nicht; Intrigen
aller Art erschweren ihm das Dasein. So begrüßt er es als Erlösung, als
ihm der Großherzog von Baden ein Stipendium nach Venedig verleiht, mit
der Bedingung, die Assunta des Tizian zu kopieren. Voll Glück, voll Hoff¬
nungen tritt er die Reise an, ihn begleitet der Dichter des "Ekkehard", Josef
Victor Scheffel.

Es gehört zu den schönsten Stellen des "Vermächtnisses", wo von Venedig
die Rede ist. Hat Feuerbach in Paris seine Form endgültig gefunden, in
Venedig sieht er den innersten Traum seiner Künstlerschaft bestätigt. In einem
Briefe an die Mutter sagt er, "eine Welt von Ideen. Grazie und Ernst" Hütte
sich ihm aufgetan und man weiß wahrhaftig nicht, welche Worte sonst die


Anselm Feuerbach und seine Zeit

was eben zuzeiten übersprudelt, ich bin eben ein Feuerbach und werde feuriger
von Jahr zu Jahr." Es wird niemanden wundernehmen, daß einem solchen
Gemüte Direktor Schadow und seine Professoren nicht weiter von Belang sein
konnten. Anselm setzte es durch, die Akademie verlassen zu dürfen. Schon
damals war er entschlossen, sich der Historienmalerei zu widmen, was ihm das
Bedeutendste seiner Kunst dünkte und der starken geistigen Neigung seines
Naturells am ehesten entsprach.

In München, wohin er sich zunächst wandte, wirkte als Lehrer vor allem
Karl Rahl auf ihn ein. Wie vorhin von Sohn gesagt wurde, daß Elemente
seines Stils im Feuerbachschcn leicht zu entdecken seien, so wird man auch
Rasis herben Ernst und Adel im Oeuvre unseres Künstlers erkennen können.
Doch blieb er nicht lange an der Jsar, 1850 treffen wir ihn in Antwerpen
wieder, das damals für den Hauptsitz der Historienmalerei galt. Die Vlamen
Gallait und Bi6spe hatten mit ihren großen geschichtlichen Gemälden: „Die
Abdankung Karls des Fünften" und „Das Kompromiß des niederländischen
Adels gegen die Inquisition" geradezu revolutionierend gewirkt. Die Frucht
dieser Anregung war in Deutschland Kaulbach; Feuerbach verließ die belgische
Akademie ohne Gewinn und wandte sich, halb verzweifelt, daß sein Weg sich
nicht gestalten wollte, nach Paris.

Er trat in das Atelier von Couture ein und von diesem Augenblick an
hatte er sich gefunden. Couture war ein Schüler von Delaroche, weniger
als Maler, denn als Lehrer angesehen. In seinen Bildern wird man nicht
viel an Bedeutenden finden, in seinem Atelier jedoch war schon das junge
Frankreich lebendig, das sich in der Schule von Barbizon, in Millet und
Courbet, repräsentierte. Feuerbach lernte hier malen und indem er sich im
Traum des Kolorits vertiefte, vertiefte er sich zugleich in die Bilder seines
Innern. Seine Phantasie mußte daran tiefer erglüht sein, stärker als je muß
es ihn durchdrungen haben, daß er berufen war. größten Zielen der Kunst zu
dienen. An einem Septembertage, als er gerade eine kleine italienische Be¬
gräbnisskizze malte, erhielt er die Nachricht vom Tode seines Vaters.

Er mußte nun nach Deutschland zurück. In Karlsruhe siedelt er sich an,
voll Eifer ist er tätig, allein die Heimat gönnt ihm den Erfolg nicht; Intrigen
aller Art erschweren ihm das Dasein. So begrüßt er es als Erlösung, als
ihm der Großherzog von Baden ein Stipendium nach Venedig verleiht, mit
der Bedingung, die Assunta des Tizian zu kopieren. Voll Glück, voll Hoff¬
nungen tritt er die Reise an, ihn begleitet der Dichter des „Ekkehard", Josef
Victor Scheffel.

Es gehört zu den schönsten Stellen des „Vermächtnisses", wo von Venedig
die Rede ist. Hat Feuerbach in Paris seine Form endgültig gefunden, in
Venedig sieht er den innersten Traum seiner Künstlerschaft bestätigt. In einem
Briefe an die Mutter sagt er, „eine Welt von Ideen. Grazie und Ernst" Hütte
sich ihm aufgetan und man weiß wahrhaftig nicht, welche Worte sonst die


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[0323] Anselm Feuerbach und seine Zeit was eben zuzeiten übersprudelt, ich bin eben ein Feuerbach und werde feuriger von Jahr zu Jahr." Es wird niemanden wundernehmen, daß einem solchen Gemüte Direktor Schadow und seine Professoren nicht weiter von Belang sein konnten. Anselm setzte es durch, die Akademie verlassen zu dürfen. Schon damals war er entschlossen, sich der Historienmalerei zu widmen, was ihm das Bedeutendste seiner Kunst dünkte und der starken geistigen Neigung seines Naturells am ehesten entsprach. In München, wohin er sich zunächst wandte, wirkte als Lehrer vor allem Karl Rahl auf ihn ein. Wie vorhin von Sohn gesagt wurde, daß Elemente seines Stils im Feuerbachschcn leicht zu entdecken seien, so wird man auch Rasis herben Ernst und Adel im Oeuvre unseres Künstlers erkennen können. Doch blieb er nicht lange an der Jsar, 1850 treffen wir ihn in Antwerpen wieder, das damals für den Hauptsitz der Historienmalerei galt. Die Vlamen Gallait und Bi6spe hatten mit ihren großen geschichtlichen Gemälden: „Die Abdankung Karls des Fünften" und „Das Kompromiß des niederländischen Adels gegen die Inquisition" geradezu revolutionierend gewirkt. Die Frucht dieser Anregung war in Deutschland Kaulbach; Feuerbach verließ die belgische Akademie ohne Gewinn und wandte sich, halb verzweifelt, daß sein Weg sich nicht gestalten wollte, nach Paris. Er trat in das Atelier von Couture ein und von diesem Augenblick an hatte er sich gefunden. Couture war ein Schüler von Delaroche, weniger als Maler, denn als Lehrer angesehen. In seinen Bildern wird man nicht viel an Bedeutenden finden, in seinem Atelier jedoch war schon das junge Frankreich lebendig, das sich in der Schule von Barbizon, in Millet und Courbet, repräsentierte. Feuerbach lernte hier malen und indem er sich im Traum des Kolorits vertiefte, vertiefte er sich zugleich in die Bilder seines Innern. Seine Phantasie mußte daran tiefer erglüht sein, stärker als je muß es ihn durchdrungen haben, daß er berufen war. größten Zielen der Kunst zu dienen. An einem Septembertage, als er gerade eine kleine italienische Be¬ gräbnisskizze malte, erhielt er die Nachricht vom Tode seines Vaters. Er mußte nun nach Deutschland zurück. In Karlsruhe siedelt er sich an, voll Eifer ist er tätig, allein die Heimat gönnt ihm den Erfolg nicht; Intrigen aller Art erschweren ihm das Dasein. So begrüßt er es als Erlösung, als ihm der Großherzog von Baden ein Stipendium nach Venedig verleiht, mit der Bedingung, die Assunta des Tizian zu kopieren. Voll Glück, voll Hoff¬ nungen tritt er die Reise an, ihn begleitet der Dichter des „Ekkehard", Josef Victor Scheffel. Es gehört zu den schönsten Stellen des „Vermächtnisses", wo von Venedig die Rede ist. Hat Feuerbach in Paris seine Form endgültig gefunden, in Venedig sieht er den innersten Traum seiner Künstlerschaft bestätigt. In einem Briefe an die Mutter sagt er, „eine Welt von Ideen. Grazie und Ernst" Hütte sich ihm aufgetan und man weiß wahrhaftig nicht, welche Worte sonst die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/323>, abgerufen am 28.07.2024.