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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Fürstliche Gegner Lismarcks

der in jener Provinz garnisonierenden Truppen von drei auf vier Brigaden
Infanterie auf dem Friedensfuß und der Verlegung so vieler Kavallerie dahin,
als wie stets in den ruhigsten Zeiten dort stationiert, beschränkte, wurden gleich¬
falls als eine Bedrohung Preußens geschildert. Wenn außerdem auf dem
Papier einige Vorkehrungen getroffen wurden und das Heranziehen einiger der
entferntesten Kavallerieregimenter stattfand, so waren die Äußerungen des preußi¬
schen Ministerpräsidenten, der jedem, der es hören wollte, von der Unvermeid¬
lichkeit eines Krieges mit Österreich sprach, während gleichzeitig, wie dies bereits
zur Zeit vor der Gasteiner Konvention geschehen war, und was ich aus der
allersichersten Quelle weiß, Unterhandlungen mit Florenz gepflogen wurden,
wohl für Österreich ein hinreichender Grund zur Vorsicht.

Seit den von uns im vergangenen Jahre zurückgewiesenen Februarforde¬
rungen ist preußischerseits kein erneuter Vorschlag an uns ergangen, und doch
ist von österreichischer Seite alles geschehen, was die berechtigten Ansprüche
Preußens sichern konnte. Nur war es dem Kaiser, meinem allergnädigsten
Herrn, nicht zuzumuten, daß er österreichisches Blut habe im Norden vergießen,
lassen, um einseitig Preußen zum Nachteil unserer Stellung im deutschen Bunde
zu vergrößern. Weiß Gott, daß weder dabei der Kaiser noch dessen Ratgeber
von irgendeiner Gehässigkeit gegen die allgemein so hochgeehrte Person des
meinem allergnädigsten Herrn so innig befreundeten Königs geleitet wurden,
aber man konnte weder dem eigenen Lande noch Europa gegenüber seine Gro߬
machtstellung abdizieren und sich dem allgemeinen Gespötte preisgeben. Bei der
durch die Gasteiner Konvention Preußen eingeräumten Bevorzugung, welche bei
der schließlichen Lösung gewiß noch eine präzisere Form erlangt haben würde,
ist der überwiegende Einfluß, den Preußen schon naturgemäß durch seine geo¬
graphische Lage im Norden ausübt, sür alle Zukunft gesichert worden. -- Ein
Krieg in Deutschland kann nur dem Auslande zugute kommen, und nie dürfte
sich das alte lateinische Sprichwort: inter äuobu3 IiZitantibu8 (so!) teitius
Zauäet glänzender bewahrheiten, als gerade bei einem solchen Kampfe. Die
Zukunft birgt ohnehin Zündstoff genug in ihrem Schoße, -- der doch über
kurz oder lang nicht ausbleibende Tod des dritten Napoleon wird sicher ge¬
waltige Konvulsionen nach sich ziehen. Dies sollte genügen, um Österreich und
Preußen von Entzweiung abzuhalten, da sie in jener Zeit berufen sein werden,
entscheidend einzugreifen im Geiste der Ordnung und des Rechts. Darum sollte
es sich auch jeder Konservative zur Pflicht machen, alles aufzubieten, die beiden
Staaten einig zu erhalten, damit sie in der bezeichneten Epoche ihr Machtwort
vereint ertönen zu lassen vermögen.

Wie soll die Geschichte es einst beurteilen, wenn zwei Fürsten, deren Freund¬
schaft auf gegenseitige Achtung und Zuneigung begründet ist. ihren Feinden das
erwünschte Schauspiel eines Bruderkrieges geben, aus dem eben nur diese letzteren
Vorteil und Gewinn ziehen würden. Wir in Österreich müssen die Verant-
wortung von uns weisen, den Anstoß zu einem der unseligsten Kriege, der je


Fürstliche Gegner Lismarcks

der in jener Provinz garnisonierenden Truppen von drei auf vier Brigaden
Infanterie auf dem Friedensfuß und der Verlegung so vieler Kavallerie dahin,
als wie stets in den ruhigsten Zeiten dort stationiert, beschränkte, wurden gleich¬
falls als eine Bedrohung Preußens geschildert. Wenn außerdem auf dem
Papier einige Vorkehrungen getroffen wurden und das Heranziehen einiger der
entferntesten Kavallerieregimenter stattfand, so waren die Äußerungen des preußi¬
schen Ministerpräsidenten, der jedem, der es hören wollte, von der Unvermeid¬
lichkeit eines Krieges mit Österreich sprach, während gleichzeitig, wie dies bereits
zur Zeit vor der Gasteiner Konvention geschehen war, und was ich aus der
allersichersten Quelle weiß, Unterhandlungen mit Florenz gepflogen wurden,
wohl für Österreich ein hinreichender Grund zur Vorsicht.

Seit den von uns im vergangenen Jahre zurückgewiesenen Februarforde¬
rungen ist preußischerseits kein erneuter Vorschlag an uns ergangen, und doch
ist von österreichischer Seite alles geschehen, was die berechtigten Ansprüche
Preußens sichern konnte. Nur war es dem Kaiser, meinem allergnädigsten
Herrn, nicht zuzumuten, daß er österreichisches Blut habe im Norden vergießen,
lassen, um einseitig Preußen zum Nachteil unserer Stellung im deutschen Bunde
zu vergrößern. Weiß Gott, daß weder dabei der Kaiser noch dessen Ratgeber
von irgendeiner Gehässigkeit gegen die allgemein so hochgeehrte Person des
meinem allergnädigsten Herrn so innig befreundeten Königs geleitet wurden,
aber man konnte weder dem eigenen Lande noch Europa gegenüber seine Gro߬
machtstellung abdizieren und sich dem allgemeinen Gespötte preisgeben. Bei der
durch die Gasteiner Konvention Preußen eingeräumten Bevorzugung, welche bei
der schließlichen Lösung gewiß noch eine präzisere Form erlangt haben würde,
ist der überwiegende Einfluß, den Preußen schon naturgemäß durch seine geo¬
graphische Lage im Norden ausübt, sür alle Zukunft gesichert worden. — Ein
Krieg in Deutschland kann nur dem Auslande zugute kommen, und nie dürfte
sich das alte lateinische Sprichwort: inter äuobu3 IiZitantibu8 (so!) teitius
Zauäet glänzender bewahrheiten, als gerade bei einem solchen Kampfe. Die
Zukunft birgt ohnehin Zündstoff genug in ihrem Schoße, — der doch über
kurz oder lang nicht ausbleibende Tod des dritten Napoleon wird sicher ge¬
waltige Konvulsionen nach sich ziehen. Dies sollte genügen, um Österreich und
Preußen von Entzweiung abzuhalten, da sie in jener Zeit berufen sein werden,
entscheidend einzugreifen im Geiste der Ordnung und des Rechts. Darum sollte
es sich auch jeder Konservative zur Pflicht machen, alles aufzubieten, die beiden
Staaten einig zu erhalten, damit sie in der bezeichneten Epoche ihr Machtwort
vereint ertönen zu lassen vermögen.

Wie soll die Geschichte es einst beurteilen, wenn zwei Fürsten, deren Freund¬
schaft auf gegenseitige Achtung und Zuneigung begründet ist. ihren Feinden das
erwünschte Schauspiel eines Bruderkrieges geben, aus dem eben nur diese letzteren
Vorteil und Gewinn ziehen würden. Wir in Österreich müssen die Verant-
wortung von uns weisen, den Anstoß zu einem der unseligsten Kriege, der je


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/31>, abgerufen am 27.07.2024.