Nietzsche und sein Biograph Moritz Goldstein von in
^^^^ach Philosophen, Theologen, Ästhetikern möchte auch der deutsche Philolog seinen Teil dazu beitragen, daß Nietzsche als "deutsches Ereignis" angesehen und gewürdigt werde. So rechtfertigt, ja entschuldigt Richard M. Meyer im Vorwort seines jüngsten Werkes das Unternehmen einer Nietzsche-Biographie*). Und ganz gewiß hat die "deutsche Philologie als die Wissenschaft vom deutschen Geiste" das Recht, sogar die Pflicht, sich mit Friedrich Nietzsche auseinander¬ zusetzen. So empfangen wir denn gern einen fast siebenhundert Seilen starken Band, in dem nun zum ersten Male die Lebensarbeit Nietzsches mit dem Werkzeug des geschulten Literarhistorikers untersucht und in einer Weise, die zwischen Wissenschaftlichkeit und Popularität die rechte Mitte hält, dar¬ gestellt wird.
Die eigentlich philologischen Aufgaben der Entstehungsgeschichte und Quellennachweise waren in diesem Falle nicht besonders schwierig, da in der großen Nietzsche-Ausgabe und in den Briefpublikationen das Material reichlich dargeboten worden ist. Doch gibt R. M. Meyer nicht wenige selbständige Forschungsergebnisse, namentlich zur Entstehung des "Zarathustra" und zur Geschichte des Begriffes und Wortes "Übermensch". Neue Wege zu gehen versucht er vor allem mit der weitausholenden Grundlegung seines Werkes, in der die Erscheinung Nietzsches aus der Zeitlage und ihren Geistesströmungen hergeleitet werden soll. Diese auf ungeheuerer Belesenheit gegründeten Unter¬ suchungen bieten gewiß im einzelnen viel Interessantes; im ganzen scheinen sie mir die große Mühe nicht zu lohnen, und ihr Ergebnis ist doch nur das schon bekannte, daß der Gedanke einer Höherzüchtung der Menschheit vor und neben Nietzsche auch von anderen nicht selten gefaßt worden ist. Übrigens sollte doch unter den Vorläufern Darwin oder mindestens der Darwinismus nicht fehlen, ohne den Nietzsches Spekulationen über Züchtung und Höherentwicklung gar-
"Nietzsche. Sein Leben und seine Werke". Von Richard M. Meyer. C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung, Oskar Beck, München 1913.
Nietzsche und sein Biograph Moritz Goldstein von in
^^^^ach Philosophen, Theologen, Ästhetikern möchte auch der deutsche Philolog seinen Teil dazu beitragen, daß Nietzsche als „deutsches Ereignis" angesehen und gewürdigt werde. So rechtfertigt, ja entschuldigt Richard M. Meyer im Vorwort seines jüngsten Werkes das Unternehmen einer Nietzsche-Biographie*). Und ganz gewiß hat die „deutsche Philologie als die Wissenschaft vom deutschen Geiste" das Recht, sogar die Pflicht, sich mit Friedrich Nietzsche auseinander¬ zusetzen. So empfangen wir denn gern einen fast siebenhundert Seilen starken Band, in dem nun zum ersten Male die Lebensarbeit Nietzsches mit dem Werkzeug des geschulten Literarhistorikers untersucht und in einer Weise, die zwischen Wissenschaftlichkeit und Popularität die rechte Mitte hält, dar¬ gestellt wird.
Die eigentlich philologischen Aufgaben der Entstehungsgeschichte und Quellennachweise waren in diesem Falle nicht besonders schwierig, da in der großen Nietzsche-Ausgabe und in den Briefpublikationen das Material reichlich dargeboten worden ist. Doch gibt R. M. Meyer nicht wenige selbständige Forschungsergebnisse, namentlich zur Entstehung des „Zarathustra" und zur Geschichte des Begriffes und Wortes „Übermensch". Neue Wege zu gehen versucht er vor allem mit der weitausholenden Grundlegung seines Werkes, in der die Erscheinung Nietzsches aus der Zeitlage und ihren Geistesströmungen hergeleitet werden soll. Diese auf ungeheuerer Belesenheit gegründeten Unter¬ suchungen bieten gewiß im einzelnen viel Interessantes; im ganzen scheinen sie mir die große Mühe nicht zu lohnen, und ihr Ergebnis ist doch nur das schon bekannte, daß der Gedanke einer Höherzüchtung der Menschheit vor und neben Nietzsche auch von anderen nicht selten gefaßt worden ist. Übrigens sollte doch unter den Vorläufern Darwin oder mindestens der Darwinismus nicht fehlen, ohne den Nietzsches Spekulationen über Züchtung und Höherentwicklung gar-
„Nietzsche. Sein Leben und seine Werke«. Von Richard M. Meyer. C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung, Oskar Beck, München 1913.
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Nietzsche und sein Biograph
Moritz Goldstein von in
^^^^ach Philosophen, Theologen, Ästhetikern möchte auch der deutsche
Philolog seinen Teil dazu beitragen, daß Nietzsche als „deutsches
Ereignis" angesehen und gewürdigt werde. So rechtfertigt, ja
entschuldigt Richard M. Meyer im Vorwort seines jüngsten
Werkes das Unternehmen einer Nietzsche-Biographie*). Und
ganz gewiß hat die „deutsche Philologie als die Wissenschaft vom deutschen
Geiste" das Recht, sogar die Pflicht, sich mit Friedrich Nietzsche auseinander¬
zusetzen. So empfangen wir denn gern einen fast siebenhundert Seilen
starken Band, in dem nun zum ersten Male die Lebensarbeit Nietzsches mit
dem Werkzeug des geschulten Literarhistorikers untersucht und in einer Weise,
die zwischen Wissenschaftlichkeit und Popularität die rechte Mitte hält, dar¬
gestellt wird.
Die eigentlich philologischen Aufgaben der Entstehungsgeschichte und
Quellennachweise waren in diesem Falle nicht besonders schwierig, da in der
großen Nietzsche-Ausgabe und in den Briefpublikationen das Material reichlich
dargeboten worden ist. Doch gibt R. M. Meyer nicht wenige selbständige
Forschungsergebnisse, namentlich zur Entstehung des „Zarathustra" und zur
Geschichte des Begriffes und Wortes „Übermensch". Neue Wege zu gehen
versucht er vor allem mit der weitausholenden Grundlegung seines Werkes, in
der die Erscheinung Nietzsches aus der Zeitlage und ihren Geistesströmungen
hergeleitet werden soll. Diese auf ungeheuerer Belesenheit gegründeten Unter¬
suchungen bieten gewiß im einzelnen viel Interessantes; im ganzen scheinen sie
mir die große Mühe nicht zu lohnen, und ihr Ergebnis ist doch nur das schon
bekannte, daß der Gedanke einer Höherzüchtung der Menschheit vor und neben
Nietzsche auch von anderen nicht selten gefaßt worden ist. Übrigens sollte doch
unter den Vorläufern Darwin oder mindestens der Darwinismus nicht fehlen,
ohne den Nietzsches Spekulationen über Züchtung und Höherentwicklung gar-
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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/282>, abgerufen am 07.01.2025.
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