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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Gobineans Renaissance in altem und neuem Gewände

nicht sagen: "Ich bin gekommen und habe Ew. Heiligkeit um das nötige Geld
gebeten", sondern nur: um das nötige Geld zu erbitten. Für "Votre Lan-
dsee äaiAnera prenäre pitie ac ce pauvre Komme" ist "Ew. Heiligkeit
werde geruhen" usw. keine sinngemäße Übertragung; es muß heißen "wird"
oder "möge geruhen". Überhaupt fehlt es Luntowski für einen Berufsschrift¬
steller recht an Sprachgefühl. Er bevorzugt, auch in wenn-Sätzen, die unschöne
Umschreibung des Konjunktivs mit "würde". Er braucht das ganz undeutsche
Futurum statt des Präsens in "Wenn der Papst mich nötig haben wird". Er
wiederholt rasch hintereinander in störender Weise dasselbe Wort, selbst wenn
der Urtext das gar nicht nahe legt"). Kurz: wenn dies ein erster Wurf ohne
Vorbild wäre, so würde man kein Wort darüber verlieren; aber dem Anspruch,
daß diese Übersetzung diejenige Schemanns irgendwie überholte, muß mit aller
Entschiedenheit widersprochen werden, wenngleich sie natürlich auch ihre gelungenen
Stellen hat, zumal da sie ja eben auf sehr weiten Textstrecken in der Hauptsache
Schemann folgt. Aber wer eine wohlfeilere Renaissanceausgabe in gefälligerem
Gewände, wohlfeiler sogar als es die Reclamsche ist, zu besitzen wünscht, dem kann
nur zu der von Hanns Floerke geraten werden. Der Herausgeber, ein Münchener
Kunsthistoriker, hat vorher zahlreiche Werke der italienischen Renaissancezeit ver¬
deutscht. Seine Übertragung ist so treu wie möglich und so frei wie nötig;
eine Umdichtung zu schaffen hat auch er ausdrücklich abgelehnt. Seine Ab¬
weichungen von Schemann sind meist, wenn auch nicht immer glücklich. Daß
sie durchgreifend genug seien, um eine Neuübersetzung des ganzen Werkes zu
rechtfertigen, kann man bezweifeln, wird aber nicht umhin können, zuzugeben,
daß von den verschiedenen deutschen Textgestaltungen der "Renaissance" neben
der Schemanns bis jetzt die Floerkes die beste ist.





*) pourquoi permets-tu et'insulter mon artiste? Lst-ce qus je lui al <M quelque
injure, moi? Was erlaubst du dir meinen Künstler zu beleidigen? Habe ich ihm irgend¬
ein beleidigendes Wort gesagt? -- L'est I'opinion ein lerere Klippe. Il ne s'en nante pss.
Das ist die Meinung Bruder Filippos. Und er verbirgt seine Meinung nicht. (Schemann:
Er macht kein Hehl daraus). -- Ich bin die, welche Rafael liebt und welche vielleicht von
ihm geliebt wird.
Gobineans Renaissance in altem und neuem Gewände

nicht sagen: „Ich bin gekommen und habe Ew. Heiligkeit um das nötige Geld
gebeten", sondern nur: um das nötige Geld zu erbitten. Für „Votre Lan-
dsee äaiAnera prenäre pitie ac ce pauvre Komme" ist „Ew. Heiligkeit
werde geruhen" usw. keine sinngemäße Übertragung; es muß heißen „wird"
oder „möge geruhen". Überhaupt fehlt es Luntowski für einen Berufsschrift¬
steller recht an Sprachgefühl. Er bevorzugt, auch in wenn-Sätzen, die unschöne
Umschreibung des Konjunktivs mit „würde". Er braucht das ganz undeutsche
Futurum statt des Präsens in „Wenn der Papst mich nötig haben wird". Er
wiederholt rasch hintereinander in störender Weise dasselbe Wort, selbst wenn
der Urtext das gar nicht nahe legt"). Kurz: wenn dies ein erster Wurf ohne
Vorbild wäre, so würde man kein Wort darüber verlieren; aber dem Anspruch,
daß diese Übersetzung diejenige Schemanns irgendwie überholte, muß mit aller
Entschiedenheit widersprochen werden, wenngleich sie natürlich auch ihre gelungenen
Stellen hat, zumal da sie ja eben auf sehr weiten Textstrecken in der Hauptsache
Schemann folgt. Aber wer eine wohlfeilere Renaissanceausgabe in gefälligerem
Gewände, wohlfeiler sogar als es die Reclamsche ist, zu besitzen wünscht, dem kann
nur zu der von Hanns Floerke geraten werden. Der Herausgeber, ein Münchener
Kunsthistoriker, hat vorher zahlreiche Werke der italienischen Renaissancezeit ver¬
deutscht. Seine Übertragung ist so treu wie möglich und so frei wie nötig;
eine Umdichtung zu schaffen hat auch er ausdrücklich abgelehnt. Seine Ab¬
weichungen von Schemann sind meist, wenn auch nicht immer glücklich. Daß
sie durchgreifend genug seien, um eine Neuübersetzung des ganzen Werkes zu
rechtfertigen, kann man bezweifeln, wird aber nicht umhin können, zuzugeben,
daß von den verschiedenen deutschen Textgestaltungen der „Renaissance" neben
der Schemanns bis jetzt die Floerkes die beste ist.





*) pourquoi permets-tu et'insulter mon artiste? Lst-ce qus je lui al <M quelque
injure, moi? Was erlaubst du dir meinen Künstler zu beleidigen? Habe ich ihm irgend¬
ein beleidigendes Wort gesagt? — L'est I'opinion ein lerere Klippe. Il ne s'en nante pss.
Das ist die Meinung Bruder Filippos. Und er verbirgt seine Meinung nicht. (Schemann:
Er macht kein Hehl daraus). — Ich bin die, welche Rafael liebt und welche vielleicht von
ihm geliebt wird.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/250>, abgerufen am 27.07.2024.