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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

sondern auch über die ganze Familie zu brin¬
gen, ist so außerordentlich unsympathisch, daß es
ohne weiteres einleuchtet, Vertreter der Staats¬
gewalt können mit solchen Mitteln nicht arbeiten.

Der moderne Staat ist glücklicherweise
kultiviert genug, daß er nicht sagt: das Ver¬
brechen muß um jeden Preis entdeckt werden
-- denn sonst hätten wir ja die Folter nicht
abzuschaffen brauchen -- sondern daß er
immer nur Mittel anwendet, welche sich mit
der allgemeinen Achtung und dein Ansehen,
das eine Staatsbehörde genießen muß, ver¬
tragen. Bei dieser Sachlage ist uns natürlich
der Detektiv überlegen, welcher durch solche
Hemmungen nicht beengt wird. So erklärt
es sich, daß die Strafverfolgungsbehörden
die Untersuchung gegen das Dienstmädchen
und ihrem unbekannten Komplizen aufgaben,
während die Detektivs an dem Erfolge ihrer

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Ermittlungen noch nicht zu verzagen brauchten.

Glaubt der Detektiv eine Tat entdeckt zu
haben so ist die Strafjustiz verpflichtet, --
auch daraus hat man ihr nachträglich törichter¬
weise in der Presse einen Vorwurf gemacht --
den von ihm gewiesenen Spuren nach¬
zugehen. Genau so wie im Kriege der
Feldherr die Angabe von Spionen (ohne daß
ich mit diesem hinkenden Vergleiche dem
durchaus achtbaren Stande der Detektivs zu
nahetreten will) benutzt, ohne deshalb selbst
spionieren zu können. Nur müßte das Publikum
über alle diese Unterschiede hinreichend auf¬
geklärt werden, und damit komme ich wieder auf
eine meiner LieblingSideen, daß die Justiz,
im Gegensatz zu anderen Behörden, das ein¬
flußreichste Instrument der Presse sich noch
nicht genügend dienstbar zu machen versteht.

Landrichter Dr. Sontag [Ende Spaltensatz]


Nachdruck sämtlicher Aufsätze nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags gestattet.
Verantwortlich: der Herausgeber George Tletnow in Berlin-Schönebirg. -- Manuskriptsendung-n und Briefe
werden behufs schneller Erledigung möglichst Dienstags und Mittwochs erbeten unter der Adresse:
An den Herausgeber der Grcnzbotrn in Berlin-Frieden"", Hedwigstr. 1".
Fernsprecher der Schristleitung- Amt Uhland MM, des Verlags- Amt Lützow SKI".
Verlag: Verlag der Grenzboten G. in. b. H. in Berlin SV. 11.
Druck: "Der Reichsbote" G. in. S. H. in Berlin 8>V.11, Dessauer Straße SS/87.


Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

sondern auch über die ganze Familie zu brin¬
gen, ist so außerordentlich unsympathisch, daß es
ohne weiteres einleuchtet, Vertreter der Staats¬
gewalt können mit solchen Mitteln nicht arbeiten.

Der moderne Staat ist glücklicherweise
kultiviert genug, daß er nicht sagt: das Ver¬
brechen muß um jeden Preis entdeckt werden
— denn sonst hätten wir ja die Folter nicht
abzuschaffen brauchen — sondern daß er
immer nur Mittel anwendet, welche sich mit
der allgemeinen Achtung und dein Ansehen,
das eine Staatsbehörde genießen muß, ver¬
tragen. Bei dieser Sachlage ist uns natürlich
der Detektiv überlegen, welcher durch solche
Hemmungen nicht beengt wird. So erklärt
es sich, daß die Strafverfolgungsbehörden
die Untersuchung gegen das Dienstmädchen
und ihrem unbekannten Komplizen aufgaben,
während die Detektivs an dem Erfolge ihrer

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Ermittlungen noch nicht zu verzagen brauchten.

Glaubt der Detektiv eine Tat entdeckt zu
haben so ist die Strafjustiz verpflichtet, —
auch daraus hat man ihr nachträglich törichter¬
weise in der Presse einen Vorwurf gemacht —
den von ihm gewiesenen Spuren nach¬
zugehen. Genau so wie im Kriege der
Feldherr die Angabe von Spionen (ohne daß
ich mit diesem hinkenden Vergleiche dem
durchaus achtbaren Stande der Detektivs zu
nahetreten will) benutzt, ohne deshalb selbst
spionieren zu können. Nur müßte das Publikum
über alle diese Unterschiede hinreichend auf¬
geklärt werden, und damit komme ich wieder auf
eine meiner LieblingSideen, daß die Justiz,
im Gegensatz zu anderen Behörden, das ein¬
flußreichste Instrument der Presse sich noch
nicht genügend dienstbar zu machen versteht.

Landrichter Dr. Sontag [Ende Spaltensatz]


Nachdruck sämtlicher Aufsätze nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags gestattet.
Verantwortlich: der Herausgeber George Tletnow in Berlin-Schönebirg. — Manuskriptsendung-n und Briefe
werden behufs schneller Erledigung möglichst Dienstags und Mittwochs erbeten unter der Adresse:
An den Herausgeber der Grcnzbotrn in Berlin-Frieden»«, Hedwigstr. 1».
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Druck: „Der Reichsbote" G. in. S. H. in Berlin 8>V.11, Dessauer Straße SS/87.


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[0212] Maßgebliches und Unmaßgebliches sondern auch über die ganze Familie zu brin¬ gen, ist so außerordentlich unsympathisch, daß es ohne weiteres einleuchtet, Vertreter der Staats¬ gewalt können mit solchen Mitteln nicht arbeiten. Der moderne Staat ist glücklicherweise kultiviert genug, daß er nicht sagt: das Ver¬ brechen muß um jeden Preis entdeckt werden — denn sonst hätten wir ja die Folter nicht abzuschaffen brauchen — sondern daß er immer nur Mittel anwendet, welche sich mit der allgemeinen Achtung und dein Ansehen, das eine Staatsbehörde genießen muß, ver¬ tragen. Bei dieser Sachlage ist uns natürlich der Detektiv überlegen, welcher durch solche Hemmungen nicht beengt wird. So erklärt es sich, daß die Strafverfolgungsbehörden die Untersuchung gegen das Dienstmädchen und ihrem unbekannten Komplizen aufgaben, während die Detektivs an dem Erfolge ihrer Ermittlungen noch nicht zu verzagen brauchten. Glaubt der Detektiv eine Tat entdeckt zu haben so ist die Strafjustiz verpflichtet, — auch daraus hat man ihr nachträglich törichter¬ weise in der Presse einen Vorwurf gemacht — den von ihm gewiesenen Spuren nach¬ zugehen. Genau so wie im Kriege der Feldherr die Angabe von Spionen (ohne daß ich mit diesem hinkenden Vergleiche dem durchaus achtbaren Stande der Detektivs zu nahetreten will) benutzt, ohne deshalb selbst spionieren zu können. Nur müßte das Publikum über alle diese Unterschiede hinreichend auf¬ geklärt werden, und damit komme ich wieder auf eine meiner LieblingSideen, daß die Justiz, im Gegensatz zu anderen Behörden, das ein¬ flußreichste Instrument der Presse sich noch nicht genügend dienstbar zu machen versteht. Landrichter Dr. Sontag Nachdruck sämtlicher Aufsätze nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags gestattet. Verantwortlich: der Herausgeber George Tletnow in Berlin-Schönebirg. — Manuskriptsendung-n und Briefe werden behufs schneller Erledigung möglichst Dienstags und Mittwochs erbeten unter der Adresse: An den Herausgeber der Grcnzbotrn in Berlin-Frieden»«, Hedwigstr. 1». Fernsprecher der Schristleitung- Amt Uhland MM, des Verlags- Amt Lützow SKI». Verlag: Verlag der Grenzboten G. in. b. H. in Berlin SV. 11. Druck: „Der Reichsbote" G. in. S. H. in Berlin 8>V.11, Dessauer Straße SS/87.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/212>, abgerufen am 21.12.2024.