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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Präludien zu einem Ritt in Persien

größere Nachteile ist bis jetzt noch nicht erfunden worden. Die beste von allen
ist meiner Ansicht nach diejenige, zu der wir uns schließlich entschlossen. Sie
besteht aus einem Kolbenschuh, der auf der linken Seite des Sattels hinter dem
Oberschenkel angeschnallt wird, in ihm steht das Gewehr senkrecht, mit der
Mündung nach oben in die Höhe und wird oben an eine Schlaufe angeschnallt,
die der Reiter an einem Gurt um die Hüfte trägt. Diese Tragevorrichtung ist
leicht, verhindert Beschädigungen des Gewehres durch Anstoßen an Gelände¬
unebenheiten und gestattet stets den sofortigen Gebrauch der Waffe. Das Gewehr
liegt vollkommen fest und hindert den Reiter in keiner Weise. Daß auch sie
ihre Nachteile hat, darf natürlich keinen Augenblick bestritten werden.

Etwas reichhaltig mußte die Reiseapotheke ausgestattet sein, denn einerseits
war kaum darauf zu rechnen, daß man sie während des Rittes selbst in größeren
Städten würde ergänzen können, anderseits aber kommt der Europäer in dortiger
Gegend so oft in die Lage, helfend die Not des Landes zu lindern und wird
auch häufig von den Eingeborenen darum gebeten. Wird er doch stets als Arzt
angesehen oder doch zum wenigsten als ein Mensch, der aus gesunden, glück¬
lichen Landen kommt, und der hier helfen kann, wo Fieber, Epilepsie, Augenleiden
und viele furchtbarere Krankheiten Tod und Unglück von Haus zu Haus tragen.
Wer wollte da nicht alles tun, was in seiner Macht steht, um zu helfen, selbst
wenn die Hilfe auch nur wie ein Tropfen im Weltenmeere ist.

Die Medikamente waren in geschickter Weise von der Apotheke zum König
Salomo, Berlin, zusammengestellt und enthielten alles Notwendige in aus¬
reichendem Maße. Besonders mitzuführen sind Magenmittel, denn gerade nnter
Magen- und Darmkrankheiten hat man viel zu leiden. Chinin führten wir in
größeren Mengen mit, denn auch den Eingeborenen kann man hiermit viele
gute Dienste leisten. Wir selbst nahmen jeden vierten Tag ein Gramm, so daß
wir ziemlich ohne Fieber, selbst durch die gefährlichen Gegenden an den Ufern
des Wan- und Urmiasees durchkamen. Jnsektenpulver ist unentbehrlich, denn
man braucht es fast täglich, selbst wenn man mit der Zeit noch so sehr gegen
Mitbewohner abgestumpft wird.

Und nun einige Worte über den Alkohol. Viele Reisende, z. B. Sven
Hedin, dessen weitgehende Erfahrung mit meiner geringen natürlich nicht zu
vergleichen ist, verwerfen jeden Alkohol grundsätzlich. Wenngleich ich auch nicht
sein Freund bin, so führte ich doch ein wenig Kognak und Punschextrakt mit,
und während letzterer an kalten Abenden wohl so manche Erkältung ferngehalten
hat, oder nach einem Bade im kalten Gebirgswasser den Körper wieder erwärmte,
so war der Kognak, mit heißem Tee genossen, die beste und wirksamste Medizin bei
Magenerkrankungen. Leider hatte ich viel zu wenig mitgenommen, so daß er
nur sehr sparsam genossen werden konnte. Ich würde bei einer nochmaligen ähn¬
lichen Reise mehrere Flaschen guten Kognak mitnehmen, aber jeder folge hier seinen
eigensten Wünschen. In dasselbe Kapitel dürste auch die Tabakfrage schlagen. Auch
hier gehe ich mit meiner Ansicht auf mittlerer Linie. Ohne ein starker Raucher


Präludien zu einem Ritt in Persien

größere Nachteile ist bis jetzt noch nicht erfunden worden. Die beste von allen
ist meiner Ansicht nach diejenige, zu der wir uns schließlich entschlossen. Sie
besteht aus einem Kolbenschuh, der auf der linken Seite des Sattels hinter dem
Oberschenkel angeschnallt wird, in ihm steht das Gewehr senkrecht, mit der
Mündung nach oben in die Höhe und wird oben an eine Schlaufe angeschnallt,
die der Reiter an einem Gurt um die Hüfte trägt. Diese Tragevorrichtung ist
leicht, verhindert Beschädigungen des Gewehres durch Anstoßen an Gelände¬
unebenheiten und gestattet stets den sofortigen Gebrauch der Waffe. Das Gewehr
liegt vollkommen fest und hindert den Reiter in keiner Weise. Daß auch sie
ihre Nachteile hat, darf natürlich keinen Augenblick bestritten werden.

Etwas reichhaltig mußte die Reiseapotheke ausgestattet sein, denn einerseits
war kaum darauf zu rechnen, daß man sie während des Rittes selbst in größeren
Städten würde ergänzen können, anderseits aber kommt der Europäer in dortiger
Gegend so oft in die Lage, helfend die Not des Landes zu lindern und wird
auch häufig von den Eingeborenen darum gebeten. Wird er doch stets als Arzt
angesehen oder doch zum wenigsten als ein Mensch, der aus gesunden, glück¬
lichen Landen kommt, und der hier helfen kann, wo Fieber, Epilepsie, Augenleiden
und viele furchtbarere Krankheiten Tod und Unglück von Haus zu Haus tragen.
Wer wollte da nicht alles tun, was in seiner Macht steht, um zu helfen, selbst
wenn die Hilfe auch nur wie ein Tropfen im Weltenmeere ist.

Die Medikamente waren in geschickter Weise von der Apotheke zum König
Salomo, Berlin, zusammengestellt und enthielten alles Notwendige in aus¬
reichendem Maße. Besonders mitzuführen sind Magenmittel, denn gerade nnter
Magen- und Darmkrankheiten hat man viel zu leiden. Chinin führten wir in
größeren Mengen mit, denn auch den Eingeborenen kann man hiermit viele
gute Dienste leisten. Wir selbst nahmen jeden vierten Tag ein Gramm, so daß
wir ziemlich ohne Fieber, selbst durch die gefährlichen Gegenden an den Ufern
des Wan- und Urmiasees durchkamen. Jnsektenpulver ist unentbehrlich, denn
man braucht es fast täglich, selbst wenn man mit der Zeit noch so sehr gegen
Mitbewohner abgestumpft wird.

Und nun einige Worte über den Alkohol. Viele Reisende, z. B. Sven
Hedin, dessen weitgehende Erfahrung mit meiner geringen natürlich nicht zu
vergleichen ist, verwerfen jeden Alkohol grundsätzlich. Wenngleich ich auch nicht
sein Freund bin, so führte ich doch ein wenig Kognak und Punschextrakt mit,
und während letzterer an kalten Abenden wohl so manche Erkältung ferngehalten
hat, oder nach einem Bade im kalten Gebirgswasser den Körper wieder erwärmte,
so war der Kognak, mit heißem Tee genossen, die beste und wirksamste Medizin bei
Magenerkrankungen. Leider hatte ich viel zu wenig mitgenommen, so daß er
nur sehr sparsam genossen werden konnte. Ich würde bei einer nochmaligen ähn¬
lichen Reise mehrere Flaschen guten Kognak mitnehmen, aber jeder folge hier seinen
eigensten Wünschen. In dasselbe Kapitel dürste auch die Tabakfrage schlagen. Auch
hier gehe ich mit meiner Ansicht auf mittlerer Linie. Ohne ein starker Raucher


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[0202] Präludien zu einem Ritt in Persien größere Nachteile ist bis jetzt noch nicht erfunden worden. Die beste von allen ist meiner Ansicht nach diejenige, zu der wir uns schließlich entschlossen. Sie besteht aus einem Kolbenschuh, der auf der linken Seite des Sattels hinter dem Oberschenkel angeschnallt wird, in ihm steht das Gewehr senkrecht, mit der Mündung nach oben in die Höhe und wird oben an eine Schlaufe angeschnallt, die der Reiter an einem Gurt um die Hüfte trägt. Diese Tragevorrichtung ist leicht, verhindert Beschädigungen des Gewehres durch Anstoßen an Gelände¬ unebenheiten und gestattet stets den sofortigen Gebrauch der Waffe. Das Gewehr liegt vollkommen fest und hindert den Reiter in keiner Weise. Daß auch sie ihre Nachteile hat, darf natürlich keinen Augenblick bestritten werden. Etwas reichhaltig mußte die Reiseapotheke ausgestattet sein, denn einerseits war kaum darauf zu rechnen, daß man sie während des Rittes selbst in größeren Städten würde ergänzen können, anderseits aber kommt der Europäer in dortiger Gegend so oft in die Lage, helfend die Not des Landes zu lindern und wird auch häufig von den Eingeborenen darum gebeten. Wird er doch stets als Arzt angesehen oder doch zum wenigsten als ein Mensch, der aus gesunden, glück¬ lichen Landen kommt, und der hier helfen kann, wo Fieber, Epilepsie, Augenleiden und viele furchtbarere Krankheiten Tod und Unglück von Haus zu Haus tragen. Wer wollte da nicht alles tun, was in seiner Macht steht, um zu helfen, selbst wenn die Hilfe auch nur wie ein Tropfen im Weltenmeere ist. Die Medikamente waren in geschickter Weise von der Apotheke zum König Salomo, Berlin, zusammengestellt und enthielten alles Notwendige in aus¬ reichendem Maße. Besonders mitzuführen sind Magenmittel, denn gerade nnter Magen- und Darmkrankheiten hat man viel zu leiden. Chinin führten wir in größeren Mengen mit, denn auch den Eingeborenen kann man hiermit viele gute Dienste leisten. Wir selbst nahmen jeden vierten Tag ein Gramm, so daß wir ziemlich ohne Fieber, selbst durch die gefährlichen Gegenden an den Ufern des Wan- und Urmiasees durchkamen. Jnsektenpulver ist unentbehrlich, denn man braucht es fast täglich, selbst wenn man mit der Zeit noch so sehr gegen Mitbewohner abgestumpft wird. Und nun einige Worte über den Alkohol. Viele Reisende, z. B. Sven Hedin, dessen weitgehende Erfahrung mit meiner geringen natürlich nicht zu vergleichen ist, verwerfen jeden Alkohol grundsätzlich. Wenngleich ich auch nicht sein Freund bin, so führte ich doch ein wenig Kognak und Punschextrakt mit, und während letzterer an kalten Abenden wohl so manche Erkältung ferngehalten hat, oder nach einem Bade im kalten Gebirgswasser den Körper wieder erwärmte, so war der Kognak, mit heißem Tee genossen, die beste und wirksamste Medizin bei Magenerkrankungen. Leider hatte ich viel zu wenig mitgenommen, so daß er nur sehr sparsam genossen werden konnte. Ich würde bei einer nochmaligen ähn¬ lichen Reise mehrere Flaschen guten Kognak mitnehmen, aber jeder folge hier seinen eigensten Wünschen. In dasselbe Kapitel dürste auch die Tabakfrage schlagen. Auch hier gehe ich mit meiner Ansicht auf mittlerer Linie. Ohne ein starker Raucher

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/202>, abgerufen am 27.07.2024.