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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Fürstliche Gegner Bismarcks

dem Schnee verblutet, zu überlassen, ob sein System Sieg und Ruhm erwirbt
oder nicht. Es ist nichts leichter als das, aber wehe dem Staatsmann, der
sich in dieser Zeit nicht nach einem Grunde zum Kriege umsieht, der auch nach
dem Kriege noch stichhaltig ist." Also aus realpolitischen Gründen verwarf
Bismarck damals den Krieg. War die Lage günstig und standen wirklich große
nationale Fragen auf dem Spiel, da griff er rücksichtslos durch, so 1870 und
mehr noch 1866. Gerade diesen Krieg hat Bismarck bewußt langer Hand vor¬
bereitet und allen Widerständen zum Trotz herbeigeführt.

Die Notwendigkeit des Krieges von 1866 ergab sich für Bismarck, so er¬
zählt er selbst, während seiner Frankfurter Wirksamkeit als Gesandter am
Bundestag. Damals zerrannen seine jugendlichen Illusionen von einer
Harmonisierung der deutschen Verhältnisse auf Grund preußisch-österreichischer
Freundschaft. Schon damals erkannte er, daß der gordische Knoten deutscher
Zustände sich nicht in Liebe lösen ließ, sondern militärisch durchhauen werden
mußte. Den Gegensatz anders als durch Krieg zu beseitigen, schien ihm eine
mathematische Unmöglichkeit.

Nachdem sich Bismarck klar geworden war, daß zur Erringung der
preußischen Vormachtstellung in Norddeutschland ein Krieg mit Österreich un¬
erläßlich sei. arbeitete er mit zäher Beharrlichkeit an seiner Vorbereitung.
Er richtete sein Augenmerk besonders darauf, die auswärtige Lage für feine
Pläne günstig zu gestalten und die inneren Hemmnisse zu beseitigen.

Im Interesse des ersten Zieles setzte er sich bald nach seiner Ernennung
zum Ministerpräsidenten mit den ungarischen Emigranten, den Todfeinden der
Habsburgischen Monarchie, in Verbindung. Und bald begannen auch seine
engen Beziehungen zu Napoleon dem Dritten.

In mehreren persönlichen Besprechungen gelingt es ihm, Napoleon für
seinen Plan, Österreich aus Deutschland auszuschalten und Norddeutschland
unter Preußens Führung zu einigen, zu gewinnen. Napoleon war es, der
Italien zum Abschluß mit Preußen drängte, weil sonst nach Bismarcks Ver¬
sicherung der König für einen Krieg nicht zu haben sei. Es unterliegt wohl
kaum noch einem Zweifel, daß Bismarck sich diese weitgehende Unterstützung
Napoleons durch die Zusage gewann, den französischen Absichten auf Belgien
nicht entgegenzutreten.

Aber dadurch, daß er der französischen Begehrlichkeit nach diesem Lande
Förderung verhieß, lenkte er zugleich das englische politische Interesse von der
bevorstehenden kriegerischen Auseinandersetzung in Mitteleuropa ab und erregte
in London starkes Mißtrauen gegen die französischen Bestrebungen. So findet
der wiederholte Versuch des Herzogs von Coburg, England zur Intervention
im Interesse des Friedens zu veranlassen, entschiedene Ablehnung. Charakte¬
ristisch für den Erfolg der Bismarckschen Politik ini Hinblick auf die Stellung
der Westmächte ist folgendes Chiffretelegramm, das mehrere Wochen vor Beginn
des Krieges in Coburg einlief: "Deinen Brief vom 11. (Mai) erhalten. Die


Fürstliche Gegner Bismarcks

dem Schnee verblutet, zu überlassen, ob sein System Sieg und Ruhm erwirbt
oder nicht. Es ist nichts leichter als das, aber wehe dem Staatsmann, der
sich in dieser Zeit nicht nach einem Grunde zum Kriege umsieht, der auch nach
dem Kriege noch stichhaltig ist." Also aus realpolitischen Gründen verwarf
Bismarck damals den Krieg. War die Lage günstig und standen wirklich große
nationale Fragen auf dem Spiel, da griff er rücksichtslos durch, so 1870 und
mehr noch 1866. Gerade diesen Krieg hat Bismarck bewußt langer Hand vor¬
bereitet und allen Widerständen zum Trotz herbeigeführt.

Die Notwendigkeit des Krieges von 1866 ergab sich für Bismarck, so er¬
zählt er selbst, während seiner Frankfurter Wirksamkeit als Gesandter am
Bundestag. Damals zerrannen seine jugendlichen Illusionen von einer
Harmonisierung der deutschen Verhältnisse auf Grund preußisch-österreichischer
Freundschaft. Schon damals erkannte er, daß der gordische Knoten deutscher
Zustände sich nicht in Liebe lösen ließ, sondern militärisch durchhauen werden
mußte. Den Gegensatz anders als durch Krieg zu beseitigen, schien ihm eine
mathematische Unmöglichkeit.

Nachdem sich Bismarck klar geworden war, daß zur Erringung der
preußischen Vormachtstellung in Norddeutschland ein Krieg mit Österreich un¬
erläßlich sei. arbeitete er mit zäher Beharrlichkeit an seiner Vorbereitung.
Er richtete sein Augenmerk besonders darauf, die auswärtige Lage für feine
Pläne günstig zu gestalten und die inneren Hemmnisse zu beseitigen.

Im Interesse des ersten Zieles setzte er sich bald nach seiner Ernennung
zum Ministerpräsidenten mit den ungarischen Emigranten, den Todfeinden der
Habsburgischen Monarchie, in Verbindung. Und bald begannen auch seine
engen Beziehungen zu Napoleon dem Dritten.

In mehreren persönlichen Besprechungen gelingt es ihm, Napoleon für
seinen Plan, Österreich aus Deutschland auszuschalten und Norddeutschland
unter Preußens Führung zu einigen, zu gewinnen. Napoleon war es, der
Italien zum Abschluß mit Preußen drängte, weil sonst nach Bismarcks Ver¬
sicherung der König für einen Krieg nicht zu haben sei. Es unterliegt wohl
kaum noch einem Zweifel, daß Bismarck sich diese weitgehende Unterstützung
Napoleons durch die Zusage gewann, den französischen Absichten auf Belgien
nicht entgegenzutreten.

Aber dadurch, daß er der französischen Begehrlichkeit nach diesem Lande
Förderung verhieß, lenkte er zugleich das englische politische Interesse von der
bevorstehenden kriegerischen Auseinandersetzung in Mitteleuropa ab und erregte
in London starkes Mißtrauen gegen die französischen Bestrebungen. So findet
der wiederholte Versuch des Herzogs von Coburg, England zur Intervention
im Interesse des Friedens zu veranlassen, entschiedene Ablehnung. Charakte¬
ristisch für den Erfolg der Bismarckschen Politik ini Hinblick auf die Stellung
der Westmächte ist folgendes Chiffretelegramm, das mehrere Wochen vor Beginn
des Krieges in Coburg einlief: „Deinen Brief vom 11. (Mai) erhalten. Die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/20>, abgerufen am 30.12.2024.