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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Präludien zu einem Ritt in persien

Leider war es um gerade die politische Lage, die unsere Reise¬
vorbereitungen sehr hemmte. Noch immer lag die Türkei mit Italien im
Kampfe, Gerüchte von italienischen Landungsplänen in Kleinasien standen fast
täglich in den Zeitungen, auch von Differenzen mit Nußland, die ein Bereisen
der russisch-türkischen Grenzgebiete natürlich von vornherein ausgeschlossen hätten,
durchschwirrten die Luft, und schließlich war gerade im vorigen Jahre die Lage
im Innern besonders gefährlich, da den Kurden ziemlich freie Hand gelassen
wurde und sie nun nach Kräften raubten, plünderten und Karawanen über¬
fielen. Noch kurz vor der Abreise wurde ich von einem hiesigen Gelehrten
dringend gewarnt, in jene Gegenden zu gehen, zwei wissenschaftliche Expeditionen
wären aufgegeben worden, weil die Gegend jetzt zu gefährlich sei. Ich ließ
mich aber dadurch nicht abschrecken, wenngleich die Warnung Berechtigung
hatte, denn die Lage in Ostanatolien im vergangenen Jahre war äußerst un¬
sicher, und seit Jahren dort lebende Eingeborene wie Europäer sagten mir, es
sei seit langem nicht so schlimm gewesen.

Natürlich wirkten alle diese Gerüchte dahin zusammen, daß mau die Vor¬
bereitungen doch nicht so intensiv betrieb, als wenn man von Anfang an die
völlige Gewißheit gehabt hätte, daß der Ritt auch zustande kommen werde.

Zunächst handelte es sich darum, die Reiseroute festzulegen. Wenngleich
die meiste Zeit dem östlichen Teil der asiatischen Türkei gewidmet werden sollte,
so lockte es doch sehr, auch noch andere Gegenden zu durchreiten. Der Gedanke
bis ins heilige Land vorzudringen, mußte leider aufgegeben werden, denn dazu
hätte die Zeit kaum gereicht, und so lag es nahe, daß wir auch das nicht zum
wenigsten durch seine Poesie und Sage bekannte Land der Märchen aus
Tausend und einer Nacht mit in unsere Reisepläne aufnahmen.

Viele Griinde ließen es ratsam erscheinen, den Ritt in Täbris zu be¬
ginnen, besonders weil man mit der Eisenbahn und deshalb ohne Gefahr eines
größeren Zeitverlustes dorthin gelangen konnte, und die Pferde in jenem Lande
sehr billig und gut sind. Indessen stellten sich einer Reise durch Rußland wegen
des Verbots der Waffeneinfuhr doch erhebliche Schwierigkeiten entgegen, und
so entschlossen wir uns endgültig, den Ritt in Trapezunt zu beginnen und
alsdann über Ersindjan und Erserum, zwei großen Jnlandsgarnisonen, südlich
am Wansee vorbei, über Wan ins Urmiagebiet und dann auf Täbris unseren
Weg zu nehmen.

Die wissenschaftlichen Vorbereitungen erstreckten sich zunächst auf die Lektüre
von Reisewerken, welche jene Gegend behandeln. Aus ihnen entnahm man
zunächst rein theoretisch, welche Vorbereitungen des weiteren zu treffen und
welche Gegenstände mitzuführen waren. Allerdings war dies wie gesagt, ein
rein theoretisches Studium, und wenn ich heute meine Aufzeichnungen, die ich
mir damals machte, durchblättere, so kaun ich mich des öfteren eines gewissen
Lächelns nicht erwehren, wenn ich lese, welche oft ganz unpraktischen und un¬
nötigen Dinge ich mir zur Mitnahme aufgeschrieben hatte.


Präludien zu einem Ritt in persien

Leider war es um gerade die politische Lage, die unsere Reise¬
vorbereitungen sehr hemmte. Noch immer lag die Türkei mit Italien im
Kampfe, Gerüchte von italienischen Landungsplänen in Kleinasien standen fast
täglich in den Zeitungen, auch von Differenzen mit Nußland, die ein Bereisen
der russisch-türkischen Grenzgebiete natürlich von vornherein ausgeschlossen hätten,
durchschwirrten die Luft, und schließlich war gerade im vorigen Jahre die Lage
im Innern besonders gefährlich, da den Kurden ziemlich freie Hand gelassen
wurde und sie nun nach Kräften raubten, plünderten und Karawanen über¬
fielen. Noch kurz vor der Abreise wurde ich von einem hiesigen Gelehrten
dringend gewarnt, in jene Gegenden zu gehen, zwei wissenschaftliche Expeditionen
wären aufgegeben worden, weil die Gegend jetzt zu gefährlich sei. Ich ließ
mich aber dadurch nicht abschrecken, wenngleich die Warnung Berechtigung
hatte, denn die Lage in Ostanatolien im vergangenen Jahre war äußerst un¬
sicher, und seit Jahren dort lebende Eingeborene wie Europäer sagten mir, es
sei seit langem nicht so schlimm gewesen.

Natürlich wirkten alle diese Gerüchte dahin zusammen, daß mau die Vor¬
bereitungen doch nicht so intensiv betrieb, als wenn man von Anfang an die
völlige Gewißheit gehabt hätte, daß der Ritt auch zustande kommen werde.

Zunächst handelte es sich darum, die Reiseroute festzulegen. Wenngleich
die meiste Zeit dem östlichen Teil der asiatischen Türkei gewidmet werden sollte,
so lockte es doch sehr, auch noch andere Gegenden zu durchreiten. Der Gedanke
bis ins heilige Land vorzudringen, mußte leider aufgegeben werden, denn dazu
hätte die Zeit kaum gereicht, und so lag es nahe, daß wir auch das nicht zum
wenigsten durch seine Poesie und Sage bekannte Land der Märchen aus
Tausend und einer Nacht mit in unsere Reisepläne aufnahmen.

Viele Griinde ließen es ratsam erscheinen, den Ritt in Täbris zu be¬
ginnen, besonders weil man mit der Eisenbahn und deshalb ohne Gefahr eines
größeren Zeitverlustes dorthin gelangen konnte, und die Pferde in jenem Lande
sehr billig und gut sind. Indessen stellten sich einer Reise durch Rußland wegen
des Verbots der Waffeneinfuhr doch erhebliche Schwierigkeiten entgegen, und
so entschlossen wir uns endgültig, den Ritt in Trapezunt zu beginnen und
alsdann über Ersindjan und Erserum, zwei großen Jnlandsgarnisonen, südlich
am Wansee vorbei, über Wan ins Urmiagebiet und dann auf Täbris unseren
Weg zu nehmen.

Die wissenschaftlichen Vorbereitungen erstreckten sich zunächst auf die Lektüre
von Reisewerken, welche jene Gegend behandeln. Aus ihnen entnahm man
zunächst rein theoretisch, welche Vorbereitungen des weiteren zu treffen und
welche Gegenstände mitzuführen waren. Allerdings war dies wie gesagt, ein
rein theoretisches Studium, und wenn ich heute meine Aufzeichnungen, die ich
mir damals machte, durchblättere, so kaun ich mich des öfteren eines gewissen
Lächelns nicht erwehren, wenn ich lese, welche oft ganz unpraktischen und un¬
nötigen Dinge ich mir zur Mitnahme aufgeschrieben hatte.


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[0196] Präludien zu einem Ritt in persien Leider war es um gerade die politische Lage, die unsere Reise¬ vorbereitungen sehr hemmte. Noch immer lag die Türkei mit Italien im Kampfe, Gerüchte von italienischen Landungsplänen in Kleinasien standen fast täglich in den Zeitungen, auch von Differenzen mit Nußland, die ein Bereisen der russisch-türkischen Grenzgebiete natürlich von vornherein ausgeschlossen hätten, durchschwirrten die Luft, und schließlich war gerade im vorigen Jahre die Lage im Innern besonders gefährlich, da den Kurden ziemlich freie Hand gelassen wurde und sie nun nach Kräften raubten, plünderten und Karawanen über¬ fielen. Noch kurz vor der Abreise wurde ich von einem hiesigen Gelehrten dringend gewarnt, in jene Gegenden zu gehen, zwei wissenschaftliche Expeditionen wären aufgegeben worden, weil die Gegend jetzt zu gefährlich sei. Ich ließ mich aber dadurch nicht abschrecken, wenngleich die Warnung Berechtigung hatte, denn die Lage in Ostanatolien im vergangenen Jahre war äußerst un¬ sicher, und seit Jahren dort lebende Eingeborene wie Europäer sagten mir, es sei seit langem nicht so schlimm gewesen. Natürlich wirkten alle diese Gerüchte dahin zusammen, daß mau die Vor¬ bereitungen doch nicht so intensiv betrieb, als wenn man von Anfang an die völlige Gewißheit gehabt hätte, daß der Ritt auch zustande kommen werde. Zunächst handelte es sich darum, die Reiseroute festzulegen. Wenngleich die meiste Zeit dem östlichen Teil der asiatischen Türkei gewidmet werden sollte, so lockte es doch sehr, auch noch andere Gegenden zu durchreiten. Der Gedanke bis ins heilige Land vorzudringen, mußte leider aufgegeben werden, denn dazu hätte die Zeit kaum gereicht, und so lag es nahe, daß wir auch das nicht zum wenigsten durch seine Poesie und Sage bekannte Land der Märchen aus Tausend und einer Nacht mit in unsere Reisepläne aufnahmen. Viele Griinde ließen es ratsam erscheinen, den Ritt in Täbris zu be¬ ginnen, besonders weil man mit der Eisenbahn und deshalb ohne Gefahr eines größeren Zeitverlustes dorthin gelangen konnte, und die Pferde in jenem Lande sehr billig und gut sind. Indessen stellten sich einer Reise durch Rußland wegen des Verbots der Waffeneinfuhr doch erhebliche Schwierigkeiten entgegen, und so entschlossen wir uns endgültig, den Ritt in Trapezunt zu beginnen und alsdann über Ersindjan und Erserum, zwei großen Jnlandsgarnisonen, südlich am Wansee vorbei, über Wan ins Urmiagebiet und dann auf Täbris unseren Weg zu nehmen. Die wissenschaftlichen Vorbereitungen erstreckten sich zunächst auf die Lektüre von Reisewerken, welche jene Gegend behandeln. Aus ihnen entnahm man zunächst rein theoretisch, welche Vorbereitungen des weiteren zu treffen und welche Gegenstände mitzuführen waren. Allerdings war dies wie gesagt, ein rein theoretisches Studium, und wenn ich heute meine Aufzeichnungen, die ich mir damals machte, durchblättere, so kaun ich mich des öfteren eines gewissen Lächelns nicht erwehren, wenn ich lese, welche oft ganz unpraktischen und un¬ nötigen Dinge ich mir zur Mitnahme aufgeschrieben hatte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/196>, abgerufen am 27.07.2024.