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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Präludien zu einem Ritt in Persien
Berlin Graf <L, von Westarp vonin

is im Herbst 1911 zum ersten Mal der Plan, mich an einem
Ritt durch Asien zu beteiligen, an mich herantrat, da schien mir
der Gedanke doch zu sernliegend und ich sagte zunächst ab.
Trotzdem aber begann ich, mich mit diesem Gedanken und der
einschlägigen Literatur zu beschäftigen. Diese Lektüre ergab eine
Fülle von Anregungen, und je mehr ich mir die Geschichte jenes Landes, das
heute noch mehr als damals Interesse für das moderne Europa gewonnen hat,
je mehr ich mir die Bilder des alten Kaiserreiches Trapezunt, den Zug der
Zehntausend, die gewaltigen Kriege Alexanders des Großen, die dort ihren
Anfang nahmen, die Regentschaften des reichen Krösus und der von der Sage
umwobenden Königin Semiramis bis hinein in die Neuzeit, wo Russen und
Türken miteinander kämpften, vor Augen führte, je mehr wuchs das Interesse
und mit ihm das Verlangen, jene Länder zu sehen. Dieses Verlangen war
um so größer, als es mich schon längst reizte, ein Land zu bereisen, das in
seiner kulturellen Entwicklung 2000 Jahre stehen geblieben zu sein scheint, und
keine modernen Verkehrs- und Reiseerleichterungen besitzt, so angenehm diese
in der Praxis auch sind. So kam es, daß ich Anfang Januar vorigen Jahres
mich mit meinem Freunde fest verabredete, im Sommer einen größeren Ritt
durch jenes Land zu machen, sofern es die politischen Verhältnisse gestatteten.

Hatte so unser Plan im Prinzip Gestalt gewonnen, so trat sofort die
große Frage "wie" in den Vordergrund. Die Verhältnisse lagen hier doch so
durchaus anders, daß man nur wenig von seinen in kultivierten Ländern er¬
worbenen Reiseerfahrungen verwerten konnte. Was war an Vorbereitungen
zu treffen, welcher Weg versprach den meisten Erfolg, was existierte an Karten,
nach denen man sich zurechtfinden konnte, welche Sprachen mußte man be¬
herrschen, wieviel Kilometer konnte man täglich und wieviel in längerer Zeit
hintereinander zurücklegen, denn daß man den Maßstab deutscher Fernritte hier
nicht anlegen durfte, wurde mir sehr bald klar.

Ganz besonders mußte die politische Lage in Rechnung gestellt werden,
auch bedürfte es genauer Überlegung, wieweit man die amtlichen Behörden in
Anspruch nehmen wollte.




Präludien zu einem Ritt in Persien
Berlin Graf <L, von Westarp vonin

is im Herbst 1911 zum ersten Mal der Plan, mich an einem
Ritt durch Asien zu beteiligen, an mich herantrat, da schien mir
der Gedanke doch zu sernliegend und ich sagte zunächst ab.
Trotzdem aber begann ich, mich mit diesem Gedanken und der
einschlägigen Literatur zu beschäftigen. Diese Lektüre ergab eine
Fülle von Anregungen, und je mehr ich mir die Geschichte jenes Landes, das
heute noch mehr als damals Interesse für das moderne Europa gewonnen hat,
je mehr ich mir die Bilder des alten Kaiserreiches Trapezunt, den Zug der
Zehntausend, die gewaltigen Kriege Alexanders des Großen, die dort ihren
Anfang nahmen, die Regentschaften des reichen Krösus und der von der Sage
umwobenden Königin Semiramis bis hinein in die Neuzeit, wo Russen und
Türken miteinander kämpften, vor Augen führte, je mehr wuchs das Interesse
und mit ihm das Verlangen, jene Länder zu sehen. Dieses Verlangen war
um so größer, als es mich schon längst reizte, ein Land zu bereisen, das in
seiner kulturellen Entwicklung 2000 Jahre stehen geblieben zu sein scheint, und
keine modernen Verkehrs- und Reiseerleichterungen besitzt, so angenehm diese
in der Praxis auch sind. So kam es, daß ich Anfang Januar vorigen Jahres
mich mit meinem Freunde fest verabredete, im Sommer einen größeren Ritt
durch jenes Land zu machen, sofern es die politischen Verhältnisse gestatteten.

Hatte so unser Plan im Prinzip Gestalt gewonnen, so trat sofort die
große Frage „wie" in den Vordergrund. Die Verhältnisse lagen hier doch so
durchaus anders, daß man nur wenig von seinen in kultivierten Ländern er¬
worbenen Reiseerfahrungen verwerten konnte. Was war an Vorbereitungen
zu treffen, welcher Weg versprach den meisten Erfolg, was existierte an Karten,
nach denen man sich zurechtfinden konnte, welche Sprachen mußte man be¬
herrschen, wieviel Kilometer konnte man täglich und wieviel in längerer Zeit
hintereinander zurücklegen, denn daß man den Maßstab deutscher Fernritte hier
nicht anlegen durfte, wurde mir sehr bald klar.

Ganz besonders mußte die politische Lage in Rechnung gestellt werden,
auch bedürfte es genauer Überlegung, wieweit man die amtlichen Behörden in
Anspruch nehmen wollte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/195>, abgerufen am 27.07.2024.