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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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An der Wiege des Königreichs Rumänien

IZ. Standpunkt der Parteien im Lande.

Aus der soeben alleruntertänigst dargestellten Haltung der Regierung geht
schon hervor, daß dieselbe getrachtet hat, eine Partei im Lande zu bilden, welche
das Verbleiben desselben in den bisherigen mangelhaften Zuständen versieht.
Zu dem Behufe, obwohl der Kaimakam reglementsmäßig nicht dazu berechtigt
ist, sind alle Beamte gewechselt, die nicht unbedingt die Garantie einer Wirk¬
samkeit gegen die Union und ihre Konsequenzen darbieten. Da sich dazu nur
die allerunwürdigsten Subjekte gefunden haben, so besteht die Regierung des
Kaimakams in allen Abstufungen der Hierarchie nur aus dem Schmutze der
hiesigen korrumpierten Gesellschaft, und dieser Schmutz bildet sonach auch den
wesentlichen Bestandteil der antiunionistischen Partei. Eine antiunionistische
Partei besteht sonach und sie ist gleichbedeutend mit Regierungspartei.

Von zwei Seiten her wird diese antiunionistische oder Regierungspartei
teils direkt, teils indirekt unterstützt.

Direkt durch die offene Parteinahme der österreichischen Negierung und
ihrer Organe für dieselbe, namentlich des hiesigen Konsuls Göbel, welcher den
antiunionistischen Beamten österreichische und türkische Dankbarkeit aller Art in
Aussicht stellt und den Einfluß, den ihm die zahlreiche und reiche österreichische
Bevölkerung im Lande in die Hand gibt, anwendet, um durch dieselbe ebenfalls
in diesem Sinne wirken zu lassen, sowie durch den Rückhalt, den die Beamten
schließlich auch in Konstantinopel zu finden wissen.

Indirekt durch eine kleine Zahl von Bojaren, aber aus den angesehensten
Persönlichkeiten, welche zwar aus ihrer Ansicht von der Notwendigkeit der Union
unter einem fremden Erbfürsten in vertraulichen Gesprächen nicht den mindesten
Hehl machen, damit aber nicht öffentlich vortreten, weil sie glauben, daß alle
Wirksamkeit in diesem Sinne doch keinen Erfolg haben wird, weil sie annehmen,
daß die Mächte doch schon einig seien, es zu nichts kommen zu lassen, mit
einem Worte, weil es ihnen an Vertrauen zu dem festen Willen der Mächte
fehlt, etwas Ernstliches für die Verbesserung ihrer Lage zu tun. Sie glauben
nur an eine eitle Replatrage, an eine unwürdige Komödie.

Die herabgedrückte Meinung dieser Leute, die sich für am besten unterrichtet
halten, und es vielleicht auch sind, wird nun durch die Regierung sowohl, als
durch die österreichischen Organe dahin ausgebeutet und noch mehr herabgedrückt,
daß beide die Nachricht verbreiten, daß Frankreich und England darüber schon
einig seien, die Frage des fremden Fürsten auch nicht einmal debattieren zu
lassen, und von der Union ohne den fremden Fürsten will hier niemand
etwas wissen. Man hält sie, und mit Recht, für eine Vergrößerung eines
bestehenden Übels.

Alles was nicht in diese Kategorie der Regierungsbeamten und Vertrauens¬
losen fällt, mithin die große Mehrheit der Nation, die bei weitem überwiegende
Anzahl der Bojaren, der gesamte hohe und niedere Klerus, alle mittleren
Stände, selbst die Bauern, soweit sie, was jedoch nur in seltenen Ausnahmen


An der Wiege des Königreichs Rumänien

IZ. Standpunkt der Parteien im Lande.

Aus der soeben alleruntertänigst dargestellten Haltung der Regierung geht
schon hervor, daß dieselbe getrachtet hat, eine Partei im Lande zu bilden, welche
das Verbleiben desselben in den bisherigen mangelhaften Zuständen versieht.
Zu dem Behufe, obwohl der Kaimakam reglementsmäßig nicht dazu berechtigt
ist, sind alle Beamte gewechselt, die nicht unbedingt die Garantie einer Wirk¬
samkeit gegen die Union und ihre Konsequenzen darbieten. Da sich dazu nur
die allerunwürdigsten Subjekte gefunden haben, so besteht die Regierung des
Kaimakams in allen Abstufungen der Hierarchie nur aus dem Schmutze der
hiesigen korrumpierten Gesellschaft, und dieser Schmutz bildet sonach auch den
wesentlichen Bestandteil der antiunionistischen Partei. Eine antiunionistische
Partei besteht sonach und sie ist gleichbedeutend mit Regierungspartei.

Von zwei Seiten her wird diese antiunionistische oder Regierungspartei
teils direkt, teils indirekt unterstützt.

Direkt durch die offene Parteinahme der österreichischen Negierung und
ihrer Organe für dieselbe, namentlich des hiesigen Konsuls Göbel, welcher den
antiunionistischen Beamten österreichische und türkische Dankbarkeit aller Art in
Aussicht stellt und den Einfluß, den ihm die zahlreiche und reiche österreichische
Bevölkerung im Lande in die Hand gibt, anwendet, um durch dieselbe ebenfalls
in diesem Sinne wirken zu lassen, sowie durch den Rückhalt, den die Beamten
schließlich auch in Konstantinopel zu finden wissen.

Indirekt durch eine kleine Zahl von Bojaren, aber aus den angesehensten
Persönlichkeiten, welche zwar aus ihrer Ansicht von der Notwendigkeit der Union
unter einem fremden Erbfürsten in vertraulichen Gesprächen nicht den mindesten
Hehl machen, damit aber nicht öffentlich vortreten, weil sie glauben, daß alle
Wirksamkeit in diesem Sinne doch keinen Erfolg haben wird, weil sie annehmen,
daß die Mächte doch schon einig seien, es zu nichts kommen zu lassen, mit
einem Worte, weil es ihnen an Vertrauen zu dem festen Willen der Mächte
fehlt, etwas Ernstliches für die Verbesserung ihrer Lage zu tun. Sie glauben
nur an eine eitle Replatrage, an eine unwürdige Komödie.

Die herabgedrückte Meinung dieser Leute, die sich für am besten unterrichtet
halten, und es vielleicht auch sind, wird nun durch die Regierung sowohl, als
durch die österreichischen Organe dahin ausgebeutet und noch mehr herabgedrückt,
daß beide die Nachricht verbreiten, daß Frankreich und England darüber schon
einig seien, die Frage des fremden Fürsten auch nicht einmal debattieren zu
lassen, und von der Union ohne den fremden Fürsten will hier niemand
etwas wissen. Man hält sie, und mit Recht, für eine Vergrößerung eines
bestehenden Übels.

Alles was nicht in diese Kategorie der Regierungsbeamten und Vertrauens¬
losen fällt, mithin die große Mehrheit der Nation, die bei weitem überwiegende
Anzahl der Bojaren, der gesamte hohe und niedere Klerus, alle mittleren
Stände, selbst die Bauern, soweit sie, was jedoch nur in seltenen Ausnahmen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/192>, abgerufen am 27.07.2024.