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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Der wirtschaftliche wert der bäuerlichen Kolonisation im Osten

betriebes zurücksteht, beweist die Tatsache, daß in den drei hierauf untersuchten
Kolonien der Wert des Absatzes pro Arbeitskraft rund 739 Mark betrug,
während er bei den früheren Gütern nur 698 Mark erreichte.

Alles in allem ergeben mithin die Untersuchungen eine glänzende Recht¬
fertigung der Inneren Kolonisation. So sehen die Dinge, die CHIapowski
theoretisch nach seiner vorgefaßten Meinung zu konstruieren versucht, in Wirk¬
lichkeit aus. Daß aber diese für Pommern und Brandenburg von mir nach¬
gewiesenen Verhältnisse durchaus keine besonderen sind, sondern für Posen-
Westpreußen in ganz gleicher Weise zutreffen, das beweist die Übereinstimmung der
Ergebnisse R. Mührers mit den meinen. Mührer hat elf Kolonien der Kreise
Zum. Gnesen und Wongrowitz mit elf benachbarten Großbetrieben, die wirt¬
schaftlich im besten Rufe stehen und zwar ebenfalls auf Grund sorgfältiger
Buchführung oder Aufzeichnungen miteinander verglichen, und kommt in allen
Hauptpunkten zu genau den gleichen Resultaten. Dabei sind die beiden Unter¬
suchungen gänzlich unbeeinflußt voneinander angestellt worden, da die beiden
Verfasser sich erst nach Abschluß ihrer Arbeiten kennen lernten.

Wie Herr von Chlapowski zugeben wird, gehören jene Kreise gerade zu
den klimatisch ungünstigsten Gebieten der Provinz Posen, zu den: Gebiete, für
das er um seiner Trockenperioden willen den viehzüchtenden Kleinbetrieb für
ungeeignet hält und dem getreidebauenden Großgrundbesitz von vornherein eine
Überlegenheit zuspreche" möchte. Er hat jedoch die Rechnung ohne den Bauern und
sein Vieh gemacht. Wie Mührer. ganz in Übereinstimmung mit mir, betont,
ist der Stalldung das Agens, das den Boden wasserhaltender und damit gerade
auch in trockenen Gegenden fruchtbarer macht. Während die Güter Mühe
haben, den Klee hoch zu bringen, gelingt es den Bauern relativ leicht und so
augenfällig, daß auch der Großgrundbesitz diese Überlegenheit in jenen Bezirken
allgemein anerkennt.

Daß der bäuerliche Betrieb trotz theoretischer Einwendungen eines polnischen
Gutsbesitzers dort zweifellos sein Gedeihen findet, das beweisen die von Mührer
auf Grund umfangreichsten Materials gewonnenen Zahlen ohne Kommentar.
Es stellte sich im Durchschnitt der Geldwert der marktfähigen Ackererzeugmsse
pro Hektar der landwirtschaftlichen Nutzfläche bei den Ansiedlern auf rund
269 Mark, in den Gutsbetrieben dagegen nur auf 235 Mark, oder pro Mark
des Grundsteuerreinertrages aus 24.4 und 23.9 Mark. Wie bei den pom-
merschen Kolonien wird auch hier der Hauptteil der Ernte veredelt zu wrrschen
Produkten dem Markte zugeführt. Der Wert dieser betrug bei den Ansiedlern
pro Hektar rund 174 Mark, dagegen bei den Gütern nur 56.5 Mark (bezogen
auf 1 Mark Grundsteuerreinertrag 16.4 und 5.7 Mark). Trotzdem ist auch hier
der Absatz von unveredelten Ackerprodukten, besonders Getreide, acht gering.
Er beträgt bei den Ansiedlern 92.3 Mark, denen allerdings bei den Guts¬
betrieben 157 Mark gegenüberstehen. Dabei sind aber wie in den neu-
wärkischen Kolonien auch hier die Bauernwirtschaften, was besonders hervor-


Der wirtschaftliche wert der bäuerlichen Kolonisation im Osten

betriebes zurücksteht, beweist die Tatsache, daß in den drei hierauf untersuchten
Kolonien der Wert des Absatzes pro Arbeitskraft rund 739 Mark betrug,
während er bei den früheren Gütern nur 698 Mark erreichte.

Alles in allem ergeben mithin die Untersuchungen eine glänzende Recht¬
fertigung der Inneren Kolonisation. So sehen die Dinge, die CHIapowski
theoretisch nach seiner vorgefaßten Meinung zu konstruieren versucht, in Wirk¬
lichkeit aus. Daß aber diese für Pommern und Brandenburg von mir nach¬
gewiesenen Verhältnisse durchaus keine besonderen sind, sondern für Posen-
Westpreußen in ganz gleicher Weise zutreffen, das beweist die Übereinstimmung der
Ergebnisse R. Mührers mit den meinen. Mührer hat elf Kolonien der Kreise
Zum. Gnesen und Wongrowitz mit elf benachbarten Großbetrieben, die wirt¬
schaftlich im besten Rufe stehen und zwar ebenfalls auf Grund sorgfältiger
Buchführung oder Aufzeichnungen miteinander verglichen, und kommt in allen
Hauptpunkten zu genau den gleichen Resultaten. Dabei sind die beiden Unter¬
suchungen gänzlich unbeeinflußt voneinander angestellt worden, da die beiden
Verfasser sich erst nach Abschluß ihrer Arbeiten kennen lernten.

Wie Herr von Chlapowski zugeben wird, gehören jene Kreise gerade zu
den klimatisch ungünstigsten Gebieten der Provinz Posen, zu den: Gebiete, für
das er um seiner Trockenperioden willen den viehzüchtenden Kleinbetrieb für
ungeeignet hält und dem getreidebauenden Großgrundbesitz von vornherein eine
Überlegenheit zuspreche» möchte. Er hat jedoch die Rechnung ohne den Bauern und
sein Vieh gemacht. Wie Mührer. ganz in Übereinstimmung mit mir, betont,
ist der Stalldung das Agens, das den Boden wasserhaltender und damit gerade
auch in trockenen Gegenden fruchtbarer macht. Während die Güter Mühe
haben, den Klee hoch zu bringen, gelingt es den Bauern relativ leicht und so
augenfällig, daß auch der Großgrundbesitz diese Überlegenheit in jenen Bezirken
allgemein anerkennt.

Daß der bäuerliche Betrieb trotz theoretischer Einwendungen eines polnischen
Gutsbesitzers dort zweifellos sein Gedeihen findet, das beweisen die von Mührer
auf Grund umfangreichsten Materials gewonnenen Zahlen ohne Kommentar.
Es stellte sich im Durchschnitt der Geldwert der marktfähigen Ackererzeugmsse
pro Hektar der landwirtschaftlichen Nutzfläche bei den Ansiedlern auf rund
269 Mark, in den Gutsbetrieben dagegen nur auf 235 Mark, oder pro Mark
des Grundsteuerreinertrages aus 24.4 und 23.9 Mark. Wie bei den pom-
merschen Kolonien wird auch hier der Hauptteil der Ernte veredelt zu wrrschen
Produkten dem Markte zugeführt. Der Wert dieser betrug bei den Ansiedlern
pro Hektar rund 174 Mark, dagegen bei den Gütern nur 56.5 Mark (bezogen
auf 1 Mark Grundsteuerreinertrag 16.4 und 5.7 Mark). Trotzdem ist auch hier
der Absatz von unveredelten Ackerprodukten, besonders Getreide, acht gering.
Er beträgt bei den Ansiedlern 92.3 Mark, denen allerdings bei den Guts¬
betrieben 157 Mark gegenüberstehen. Dabei sind aber wie in den neu-
wärkischen Kolonien auch hier die Bauernwirtschaften, was besonders hervor-


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[0177] Der wirtschaftliche wert der bäuerlichen Kolonisation im Osten betriebes zurücksteht, beweist die Tatsache, daß in den drei hierauf untersuchten Kolonien der Wert des Absatzes pro Arbeitskraft rund 739 Mark betrug, während er bei den früheren Gütern nur 698 Mark erreichte. Alles in allem ergeben mithin die Untersuchungen eine glänzende Recht¬ fertigung der Inneren Kolonisation. So sehen die Dinge, die CHIapowski theoretisch nach seiner vorgefaßten Meinung zu konstruieren versucht, in Wirk¬ lichkeit aus. Daß aber diese für Pommern und Brandenburg von mir nach¬ gewiesenen Verhältnisse durchaus keine besonderen sind, sondern für Posen- Westpreußen in ganz gleicher Weise zutreffen, das beweist die Übereinstimmung der Ergebnisse R. Mührers mit den meinen. Mührer hat elf Kolonien der Kreise Zum. Gnesen und Wongrowitz mit elf benachbarten Großbetrieben, die wirt¬ schaftlich im besten Rufe stehen und zwar ebenfalls auf Grund sorgfältiger Buchführung oder Aufzeichnungen miteinander verglichen, und kommt in allen Hauptpunkten zu genau den gleichen Resultaten. Dabei sind die beiden Unter¬ suchungen gänzlich unbeeinflußt voneinander angestellt worden, da die beiden Verfasser sich erst nach Abschluß ihrer Arbeiten kennen lernten. Wie Herr von Chlapowski zugeben wird, gehören jene Kreise gerade zu den klimatisch ungünstigsten Gebieten der Provinz Posen, zu den: Gebiete, für das er um seiner Trockenperioden willen den viehzüchtenden Kleinbetrieb für ungeeignet hält und dem getreidebauenden Großgrundbesitz von vornherein eine Überlegenheit zuspreche» möchte. Er hat jedoch die Rechnung ohne den Bauern und sein Vieh gemacht. Wie Mührer. ganz in Übereinstimmung mit mir, betont, ist der Stalldung das Agens, das den Boden wasserhaltender und damit gerade auch in trockenen Gegenden fruchtbarer macht. Während die Güter Mühe haben, den Klee hoch zu bringen, gelingt es den Bauern relativ leicht und so augenfällig, daß auch der Großgrundbesitz diese Überlegenheit in jenen Bezirken allgemein anerkennt. Daß der bäuerliche Betrieb trotz theoretischer Einwendungen eines polnischen Gutsbesitzers dort zweifellos sein Gedeihen findet, das beweisen die von Mührer auf Grund umfangreichsten Materials gewonnenen Zahlen ohne Kommentar. Es stellte sich im Durchschnitt der Geldwert der marktfähigen Ackererzeugmsse pro Hektar der landwirtschaftlichen Nutzfläche bei den Ansiedlern auf rund 269 Mark, in den Gutsbetrieben dagegen nur auf 235 Mark, oder pro Mark des Grundsteuerreinertrages aus 24.4 und 23.9 Mark. Wie bei den pom- merschen Kolonien wird auch hier der Hauptteil der Ernte veredelt zu wrrschen Produkten dem Markte zugeführt. Der Wert dieser betrug bei den Ansiedlern pro Hektar rund 174 Mark, dagegen bei den Gütern nur 56.5 Mark (bezogen auf 1 Mark Grundsteuerreinertrag 16.4 und 5.7 Mark). Trotzdem ist auch hier der Absatz von unveredelten Ackerprodukten, besonders Getreide, acht gering. Er beträgt bei den Ansiedlern 92.3 Mark, denen allerdings bei den Guts¬ betrieben 157 Mark gegenüberstehen. Dabei sind aber wie in den neu- wärkischen Kolonien auch hier die Bauernwirtschaften, was besonders hervor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/177>, abgerufen am 22.12.2024.