Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

beispielsweise vielfach üblich ist, durch Polizeiser¬
geanten. Nur dann aber kann die Ausübung der
Zensur durch derartige geeignete Persönlichkeiten
-- möglichst unter Hinzuziehung von Sachver¬
ständigen mit beratender Stimme -- ermög¬
licht werden, wenn die Zensur zentralisiert
wird, wenigstens für jeden Vundesstaat, am
besten aber für das Reich. Da der Schund¬
film kein ein für allemal feststehender Begriff
ist und beispielsweise ein und dasselbe Ver¬
brechen je nach der Art der Inszenierung
und der Einflechtung in die Handlung zu
einem Verbot des Films Anlaß geben oder
zu Beanstandungen nicht führen kann, wird
man dem Zensor nicht zu enge Schranke"
setzen, sondern seinem freien Ermessen einen
gewissen Spielraum gewähren müssen. Alle
örtlichen Besonderheiten wird der Zensor nicht
berücksichtigen können und auch nicht berück¬
sichtigen dürfen; als Gegengewicht dagegen
wird man aber den Orispolizeibehörden die
Befugnis vorbehalten müssen, einen Filu,
welcher von der Zensurzentrale genehmigt
worden ist, nachträglich zu verbieten, wenn
gewisse örtliche Besonderheiten dies rechtfertigen.

[Spaltenumbruch]

Daß an die Kinderzensur höhere Anforde¬
rungen zu stellen sind als an die Zensur der
nur zur Vorführung vor Erwachsenen be¬
stimmten Films, haben wir schon oben erwähnt.
Bezüglich der für Erwachsene bestimmten
Films wird man die Anforderungen nicht
gar zu sehr erhöhen dürfen, wenn man nicht
SPlitterrichIerei treiben will, welche dem An¬
sehen der Zensurbehörde nur schaden und
leicht zu einer weit über das Ziel hinaus¬
schießenden Reaktion Anlaß geben würde.

Zum Schluß sei eS uns gestattet, mit
wenigen Worten noch darauf einzugehen, wie
sich der kürzlich veröffentlichte sehr interessante
württembergische Entwurf eines Gesetzes be¬
treffend öffentliche Lichtspielvorstellungcn zu
diesen Anforderungen verhält.

Der Entwurf will die Zensur in Stuttgart
zentralisieren und sie höheren Polizeibenmten
unter Beratung von Sachverständigen aus
den Kreisen der Lehrer, Arzte, Redakteure usw.
anvertrauen. Zwischen allgemein und nur
für Erwachsene genehmigten Films soll unter¬
schieden und den Orispolizeibehörden die Be¬
fugnis zur Nachzensur beim Vorliegen besou-

[Ende Spaltensatz]


Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

beispielsweise vielfach üblich ist, durch Polizeiser¬
geanten. Nur dann aber kann die Ausübung der
Zensur durch derartige geeignete Persönlichkeiten
— möglichst unter Hinzuziehung von Sachver¬
ständigen mit beratender Stimme — ermög¬
licht werden, wenn die Zensur zentralisiert
wird, wenigstens für jeden Vundesstaat, am
besten aber für das Reich. Da der Schund¬
film kein ein für allemal feststehender Begriff
ist und beispielsweise ein und dasselbe Ver¬
brechen je nach der Art der Inszenierung
und der Einflechtung in die Handlung zu
einem Verbot des Films Anlaß geben oder
zu Beanstandungen nicht führen kann, wird
man dem Zensor nicht zu enge Schranke»
setzen, sondern seinem freien Ermessen einen
gewissen Spielraum gewähren müssen. Alle
örtlichen Besonderheiten wird der Zensor nicht
berücksichtigen können und auch nicht berück¬
sichtigen dürfen; als Gegengewicht dagegen
wird man aber den Orispolizeibehörden die
Befugnis vorbehalten müssen, einen Filu,
welcher von der Zensurzentrale genehmigt
worden ist, nachträglich zu verbieten, wenn
gewisse örtliche Besonderheiten dies rechtfertigen.

[Spaltenumbruch]

Daß an die Kinderzensur höhere Anforde¬
rungen zu stellen sind als an die Zensur der
nur zur Vorführung vor Erwachsenen be¬
stimmten Films, haben wir schon oben erwähnt.
Bezüglich der für Erwachsene bestimmten
Films wird man die Anforderungen nicht
gar zu sehr erhöhen dürfen, wenn man nicht
SPlitterrichIerei treiben will, welche dem An¬
sehen der Zensurbehörde nur schaden und
leicht zu einer weit über das Ziel hinaus¬
schießenden Reaktion Anlaß geben würde.

Zum Schluß sei eS uns gestattet, mit
wenigen Worten noch darauf einzugehen, wie
sich der kürzlich veröffentlichte sehr interessante
württembergische Entwurf eines Gesetzes be¬
treffend öffentliche Lichtspielvorstellungcn zu
diesen Anforderungen verhält.

Der Entwurf will die Zensur in Stuttgart
zentralisieren und sie höheren Polizeibenmten
unter Beratung von Sachverständigen aus
den Kreisen der Lehrer, Arzte, Redakteure usw.
anvertrauen. Zwischen allgemein und nur
für Erwachsene genehmigten Films soll unter¬
schieden und den Orispolizeibehörden die Be¬
fugnis zur Nachzensur beim Vorliegen besou-

[Ende Spaltensatz]


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0155" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/325675"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
            <cb type="start"/>
            <p xml:id="ID_650" prev="#ID_649" next="#ID_651"> beispielsweise vielfach üblich ist, durch Polizeiser¬<lb/>
geanten. Nur dann aber kann die Ausübung der<lb/>
Zensur durch derartige geeignete Persönlichkeiten<lb/>
&#x2014; möglichst unter Hinzuziehung von Sachver¬<lb/>
ständigen mit beratender Stimme &#x2014; ermög¬<lb/>
licht werden, wenn die Zensur zentralisiert<lb/>
wird, wenigstens für jeden Vundesstaat, am<lb/>
besten aber für das Reich. Da der Schund¬<lb/>
film kein ein für allemal feststehender Begriff<lb/>
ist und beispielsweise ein und dasselbe Ver¬<lb/>
brechen je nach der Art der Inszenierung<lb/>
und der Einflechtung in die Handlung zu<lb/>
einem Verbot des Films Anlaß geben oder<lb/>
zu Beanstandungen nicht führen kann, wird<lb/>
man dem Zensor nicht zu enge Schranke»<lb/>
setzen, sondern seinem freien Ermessen einen<lb/>
gewissen Spielraum gewähren müssen. Alle<lb/>
örtlichen Besonderheiten wird der Zensor nicht<lb/>
berücksichtigen können und auch nicht berück¬<lb/>
sichtigen dürfen; als Gegengewicht dagegen<lb/>
wird man aber den Orispolizeibehörden die<lb/>
Befugnis vorbehalten müssen, einen Filu,<lb/>
welcher von der Zensurzentrale genehmigt<lb/>
worden ist, nachträglich zu verbieten, wenn<lb/>
gewisse örtliche Besonderheiten dies rechtfertigen.</p>
            <cb/><lb/>
            <p xml:id="ID_651" prev="#ID_650"> Daß an die Kinderzensur höhere Anforde¬<lb/>
rungen zu stellen sind als an die Zensur der<lb/>
nur zur Vorführung vor Erwachsenen be¬<lb/>
stimmten Films, haben wir schon oben erwähnt.<lb/>
Bezüglich der für Erwachsene bestimmten<lb/>
Films wird man die Anforderungen nicht<lb/>
gar zu sehr erhöhen dürfen, wenn man nicht<lb/>
SPlitterrichIerei treiben will, welche dem An¬<lb/>
sehen der Zensurbehörde nur schaden und<lb/>
leicht zu einer weit über das Ziel hinaus¬<lb/>
schießenden Reaktion Anlaß geben würde.</p>
            <p xml:id="ID_652"> Zum Schluß sei eS uns gestattet, mit<lb/>
wenigen Worten noch darauf einzugehen, wie<lb/>
sich der kürzlich veröffentlichte sehr interessante<lb/>
württembergische Entwurf eines Gesetzes be¬<lb/>
treffend öffentliche Lichtspielvorstellungcn zu<lb/>
diesen Anforderungen verhält.</p>
            <p xml:id="ID_653" next="#ID_654"> Der Entwurf will die Zensur in Stuttgart<lb/>
zentralisieren und sie höheren Polizeibenmten<lb/>
unter Beratung von Sachverständigen aus<lb/>
den Kreisen der Lehrer, Arzte, Redakteure usw.<lb/>
anvertrauen. Zwischen allgemein und nur<lb/>
für Erwachsene genehmigten Films soll unter¬<lb/>
schieden und den Orispolizeibehörden die Be¬<lb/>
fugnis zur Nachzensur beim Vorliegen besou-</p>
            <cb type="end"/><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0155] Maßgebliches und Unmaßgebliches beispielsweise vielfach üblich ist, durch Polizeiser¬ geanten. Nur dann aber kann die Ausübung der Zensur durch derartige geeignete Persönlichkeiten — möglichst unter Hinzuziehung von Sachver¬ ständigen mit beratender Stimme — ermög¬ licht werden, wenn die Zensur zentralisiert wird, wenigstens für jeden Vundesstaat, am besten aber für das Reich. Da der Schund¬ film kein ein für allemal feststehender Begriff ist und beispielsweise ein und dasselbe Ver¬ brechen je nach der Art der Inszenierung und der Einflechtung in die Handlung zu einem Verbot des Films Anlaß geben oder zu Beanstandungen nicht führen kann, wird man dem Zensor nicht zu enge Schranke» setzen, sondern seinem freien Ermessen einen gewissen Spielraum gewähren müssen. Alle örtlichen Besonderheiten wird der Zensor nicht berücksichtigen können und auch nicht berück¬ sichtigen dürfen; als Gegengewicht dagegen wird man aber den Orispolizeibehörden die Befugnis vorbehalten müssen, einen Filu, welcher von der Zensurzentrale genehmigt worden ist, nachträglich zu verbieten, wenn gewisse örtliche Besonderheiten dies rechtfertigen. Daß an die Kinderzensur höhere Anforde¬ rungen zu stellen sind als an die Zensur der nur zur Vorführung vor Erwachsenen be¬ stimmten Films, haben wir schon oben erwähnt. Bezüglich der für Erwachsene bestimmten Films wird man die Anforderungen nicht gar zu sehr erhöhen dürfen, wenn man nicht SPlitterrichIerei treiben will, welche dem An¬ sehen der Zensurbehörde nur schaden und leicht zu einer weit über das Ziel hinaus¬ schießenden Reaktion Anlaß geben würde. Zum Schluß sei eS uns gestattet, mit wenigen Worten noch darauf einzugehen, wie sich der kürzlich veröffentlichte sehr interessante württembergische Entwurf eines Gesetzes be¬ treffend öffentliche Lichtspielvorstellungcn zu diesen Anforderungen verhält. Der Entwurf will die Zensur in Stuttgart zentralisieren und sie höheren Polizeibenmten unter Beratung von Sachverständigen aus den Kreisen der Lehrer, Arzte, Redakteure usw. anvertrauen. Zwischen allgemein und nur für Erwachsene genehmigten Films soll unter¬ schieden und den Orispolizeibehörden die Be¬ fugnis zur Nachzensur beim Vorliegen besou-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/155
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/155>, abgerufen am 27.07.2024.