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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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ich ihr gegeben, erzogen aber habe ich sie selbst; ich habe sie alles gelehrt, was
ich weiß und beglückenden Lohn geerntet."

Ein freudiges Lächeln verschönte seine Züge. "Der Fluch von Widschajas
Vater hat sich erfüllt," fuhr er fort, "auch das Kind der Rodia hat einen
Mann aus anderem Stande, ja aus anderem Volke bezaubert. Aber ich fühle
den Fluch als Segen. Durch die Gespräche mit Ihnen sind meine letzten
Zweifel gewichen. Noch verehrt sie mich nur als Vater, nun aber will ich um
ihre Liebe werben. Hier könnte ich freilich nicht bleiben, denn die Engländer
würden sie als Singhalesin verachten und ihr eigenes Volk könnte ihr Rodia-
blut wittern. Fern über dem Meere sehe ich uns das Glück erblühen. Über
Menschensatzungen schaue ich hinweg. Nach oben richtet sich mein Blick, und
ich hoffe, daß der Segen Eines über mir ist, für den die Menschen gleich find
und der sich für alle, ohne Unterschied von Farbe und Stand, geopfert hat/'

Er wies auf den südlichen Himmel. Dort über den schwarzen Kronen
der Palmen blinkten vier Sterne in mildem Glänze. Es war das Sternbild
des Kreuzes.




Amo-T>ramaturgie
INoritz Goldstein vo>! in

is das reizende Wunder der bewegten Photographie aufkam und
Gelegenheit, mit ihr auf eine höchst billige Weise Theater
W^jU°^gM machen, überall ergriffen wurde, da haben wir gegenüber
jenen Leuten, welchen das Neue und Ungewohnte ein für alle mal
HF." ^ unsympathisch ist, gern die Lobredner des Kinos gespielt und
unsere Hoffnung auf diese neue Kunstmöglichkeit den Bedenklichen zum Trotz
laut bekannt. Mochte das bisher Gebotene auch auf niedriger Stufe stehen,
das läge, behaupteten wir, nicht im Wesen des Lichtbildtheaters; es werde sich
vielmehr entwickeln, seinen eigenen Stil finden und sich zu echter Kunst empor¬
arbeiten. Allein bisher hat sich unsere Hoffnung nicht erfüllen wollen, und
obgleich Berufsschauspieler und Berufsdichter sich von der neuen Muse willig
locken lassen, sind doch die Leistungen nicht besser, sondern eher schlechter ge¬
worden. Während uns von allen Seiten versichert wird, eine neue Kunst
komme soeben zur Welt, oder auch, die alte Kunst der Pantomime werde wieder¬
geboren, ergießt sich und dem rapide sich mehrenden Schausteller eine dicke Flut
von Banalität über das Land, wohl gar über die Erde. Die Erfahrung


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ich ihr gegeben, erzogen aber habe ich sie selbst; ich habe sie alles gelehrt, was
ich weiß und beglückenden Lohn geerntet."

Ein freudiges Lächeln verschönte seine Züge. „Der Fluch von Widschajas
Vater hat sich erfüllt," fuhr er fort, „auch das Kind der Rodia hat einen
Mann aus anderem Stande, ja aus anderem Volke bezaubert. Aber ich fühle
den Fluch als Segen. Durch die Gespräche mit Ihnen sind meine letzten
Zweifel gewichen. Noch verehrt sie mich nur als Vater, nun aber will ich um
ihre Liebe werben. Hier könnte ich freilich nicht bleiben, denn die Engländer
würden sie als Singhalesin verachten und ihr eigenes Volk könnte ihr Rodia-
blut wittern. Fern über dem Meere sehe ich uns das Glück erblühen. Über
Menschensatzungen schaue ich hinweg. Nach oben richtet sich mein Blick, und
ich hoffe, daß der Segen Eines über mir ist, für den die Menschen gleich find
und der sich für alle, ohne Unterschied von Farbe und Stand, geopfert hat/'

Er wies auf den südlichen Himmel. Dort über den schwarzen Kronen
der Palmen blinkten vier Sterne in mildem Glänze. Es war das Sternbild
des Kreuzes.




Amo-T>ramaturgie
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is das reizende Wunder der bewegten Photographie aufkam und
Gelegenheit, mit ihr auf eine höchst billige Weise Theater
W^jU°^gM machen, überall ergriffen wurde, da haben wir gegenüber
jenen Leuten, welchen das Neue und Ungewohnte ein für alle mal
HF.« ^ unsympathisch ist, gern die Lobredner des Kinos gespielt und
unsere Hoffnung auf diese neue Kunstmöglichkeit den Bedenklichen zum Trotz
laut bekannt. Mochte das bisher Gebotene auch auf niedriger Stufe stehen,
das läge, behaupteten wir, nicht im Wesen des Lichtbildtheaters; es werde sich
vielmehr entwickeln, seinen eigenen Stil finden und sich zu echter Kunst empor¬
arbeiten. Allein bisher hat sich unsere Hoffnung nicht erfüllen wollen, und
obgleich Berufsschauspieler und Berufsdichter sich von der neuen Muse willig
locken lassen, sind doch die Leistungen nicht besser, sondern eher schlechter ge¬
worden. Während uns von allen Seiten versichert wird, eine neue Kunst
komme soeben zur Welt, oder auch, die alte Kunst der Pantomime werde wieder¬
geboren, ergießt sich und dem rapide sich mehrenden Schausteller eine dicke Flut
von Banalität über das Land, wohl gar über die Erde. Die Erfahrung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/138>, abgerufen am 21.12.2024.