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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Jur Lntvölkerungsfrage

Erbreform, Verbesserung der rechtlichen Stellung der natürlichen Kinder), politisch
(Militärdienstbefreiung und Pluralwahlrecht für Familienväter), sittlich oder
religiös. Erörtert wird namentlich die Unterstützung, die zweckmäßiger Weise, da
fast drei Kinder (genau 2,8) in jeder Familie statistisch erforderlich sind, um die
Bevölkerung in ihrem Bestände zu erhalten, für das vierte und folgende Kind
zu bewilligen wäre, sei es in der Form einer Prämie in Höhe von etwa
500 Franken, am besten zahlbar zur Hälfte bei der Geburt, zur anderen Hälfte
nach Ablauf des ersten Lebensjahres, das eine hohe Sterblichkeit aufweist, sei
es in der Form einer Rente in Höhe von etwa 100 Franken jährlich bis
zum dreizehnten Lebensjahre. Wenn man sich auch über die Unwürdigkeit
dieses Mittels hinwegsetzen will, das besonders in der Form der
Prämie den Menschen ebenso mit Preisen krönt wie Tiere und Pflanzen, so ist
doch zu befürchten, daß es nur auf die armen und geldgierigen Klassen wirken
und nach der Vererbungstheorie ähnliche Elemente statt geistig und moralisch
hochstehende heranzüchten, also anders als die Prämien für Pferde, Hunde und
Stiere nicht zur Veredelung der Rasse beitragen wird.

Als praktischer Anfang mit gesetzgeberischen Maßnahmen vorzugehen, läßt sich
in Frankreich vielleicht schon das Gesetz vom 16. November 1912 über die Inan¬
spruchnahme des unehelichen Vaters auf Unterhaltsbeitrag für sein Kind ansprechen,
wodurch dessen bessere Unterbringung ermöglicht wird. Im übrigen hat der
Berichterstatter Besnard in der Senatssitzung vom 30. Januar d. I. bei der
ersten Beratung eines Gesetzentwurfes über die Hebung der Geburtenziffer
namens der außerparlamentarischen Kommisston zur Bekämpfung der Entvölke¬
rung, vorwiegend auf Grund der Anregungen der Senatoren Strauß (Kom¬
missionspräsident) und Lannelongue, Gesetzentwürfe in Aussicht gestellt betreffend:

1. die Sterblichkeit, namentlich während des ersten Lebensjahres;
2. die Abtreibung;
3. die Geburtenziffer allgemein;
4. die Ehe und freie Liebe;
5. die kinderreichen Familien;
6. Maßnahmen zur Begünstigung der Geburten in Familien mit ein oder
zwei Kindern durch Verbesserung des Erbrechts;
7. Bekämpfung der Ehelosigkeit der Beamten und Vermehrung der bei
ihnen bisher besonders geringen Geburtenziffer.

Zum ersten Punkte hat der Senat bereits Anfang Dezember 1912 in Fort¬
setzung seiner Beratungen vom Oktober 1908 und März 1912 ein seit vierzehn
Jahren angestrebtes Gesetz über die Ruhe der Wöchnerinnen angenommen, um
den augenscheinlich schwangeren Frauen das Recht zuzusprechen, die Arbeit ohne
Einhaltung einer Kündigungsfrist und ohne Schadensersatzpflicht zu verlassen,
und um den außerhalb des Hauses gegen Lohn in Industrie und Handel oder
deren Nebenbetrieben, auch der Landwirtschaft, beschäftigten Arbeiterinnen, An¬
gestellten und Dienstboten, gemäß der Berliner Konferenz des Jahres 1890, die


Jur Lntvölkerungsfrage

Erbreform, Verbesserung der rechtlichen Stellung der natürlichen Kinder), politisch
(Militärdienstbefreiung und Pluralwahlrecht für Familienväter), sittlich oder
religiös. Erörtert wird namentlich die Unterstützung, die zweckmäßiger Weise, da
fast drei Kinder (genau 2,8) in jeder Familie statistisch erforderlich sind, um die
Bevölkerung in ihrem Bestände zu erhalten, für das vierte und folgende Kind
zu bewilligen wäre, sei es in der Form einer Prämie in Höhe von etwa
500 Franken, am besten zahlbar zur Hälfte bei der Geburt, zur anderen Hälfte
nach Ablauf des ersten Lebensjahres, das eine hohe Sterblichkeit aufweist, sei
es in der Form einer Rente in Höhe von etwa 100 Franken jährlich bis
zum dreizehnten Lebensjahre. Wenn man sich auch über die Unwürdigkeit
dieses Mittels hinwegsetzen will, das besonders in der Form der
Prämie den Menschen ebenso mit Preisen krönt wie Tiere und Pflanzen, so ist
doch zu befürchten, daß es nur auf die armen und geldgierigen Klassen wirken
und nach der Vererbungstheorie ähnliche Elemente statt geistig und moralisch
hochstehende heranzüchten, also anders als die Prämien für Pferde, Hunde und
Stiere nicht zur Veredelung der Rasse beitragen wird.

Als praktischer Anfang mit gesetzgeberischen Maßnahmen vorzugehen, läßt sich
in Frankreich vielleicht schon das Gesetz vom 16. November 1912 über die Inan¬
spruchnahme des unehelichen Vaters auf Unterhaltsbeitrag für sein Kind ansprechen,
wodurch dessen bessere Unterbringung ermöglicht wird. Im übrigen hat der
Berichterstatter Besnard in der Senatssitzung vom 30. Januar d. I. bei der
ersten Beratung eines Gesetzentwurfes über die Hebung der Geburtenziffer
namens der außerparlamentarischen Kommisston zur Bekämpfung der Entvölke¬
rung, vorwiegend auf Grund der Anregungen der Senatoren Strauß (Kom¬
missionspräsident) und Lannelongue, Gesetzentwürfe in Aussicht gestellt betreffend:

1. die Sterblichkeit, namentlich während des ersten Lebensjahres;
2. die Abtreibung;
3. die Geburtenziffer allgemein;
4. die Ehe und freie Liebe;
5. die kinderreichen Familien;
6. Maßnahmen zur Begünstigung der Geburten in Familien mit ein oder
zwei Kindern durch Verbesserung des Erbrechts;
7. Bekämpfung der Ehelosigkeit der Beamten und Vermehrung der bei
ihnen bisher besonders geringen Geburtenziffer.

Zum ersten Punkte hat der Senat bereits Anfang Dezember 1912 in Fort¬
setzung seiner Beratungen vom Oktober 1908 und März 1912 ein seit vierzehn
Jahren angestrebtes Gesetz über die Ruhe der Wöchnerinnen angenommen, um
den augenscheinlich schwangeren Frauen das Recht zuzusprechen, die Arbeit ohne
Einhaltung einer Kündigungsfrist und ohne Schadensersatzpflicht zu verlassen,
und um den außerhalb des Hauses gegen Lohn in Industrie und Handel oder
deren Nebenbetrieben, auch der Landwirtschaft, beschäftigten Arbeiterinnen, An¬
gestellten und Dienstboten, gemäß der Berliner Konferenz des Jahres 1890, die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/638>, abgerufen am 22.12.2024.