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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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zu verhindern. Anders aber da, wo nicht vollbezahlte Aktien, wenn in ge¬
nügender Menge ausgegeben, die vollbezahlten überstimmen können, oder wo
die Ausgabe von Aktien überhaupt nicht an eine Einzahlung oder Jllation ge¬
bunden ist. Dieses System führt dazu, daß mit verhältnismäßig wenig Kapital¬
aufwand eine Gesellschaft eine Anzahl anderer beherrscht, während sie mit
anderen wieder unter fremder Botmäßigkeit steht, bis schließlich die Fäden in
einer Hand zusammenlaufen -- in einer für den Außenstehenden häufig schwer
erkennbaren Weise. Will man diesen Mißstand beseitigen, so muß man das
Aktienrecht reformieren. Gerade dagegen sträubt sich aber nicht nur das
interessierte Unternehmertum, sondern der geschäftliche Sinn der Angelsachsen.
Es ist nämlich kein Zweifel, daß die Ungebundenheit in der Schaffung leerer
Aktien einen ungemeinen Ansporn für die wirtschaftliche Pionierarbeit des Kapitals
bildet. Alle die Eisenbahnaktien, welche jetzt den Newnorker Kurszettel mit
zum Teil hohen Agio zieren, waren ursprünglich nichts als Wechsel -- die Bahnen
selbst wurden mit Schuldverschreibungskapital gebaut, das Aktienkapital selbst ist
ein Borns für die Wagemutigen, die zuerst ihr Geld an das Unternehmen
gewagt haben. Sie wachsen erst in den Wert hinein. In Deutschland ist das
ganz unmöglich; daher denn auch die Form der Aktiengesellschaft sich für Unter¬
nehmungen mit größerem Risiko, wie alle Kolonialgesellschaften, als ganz un¬
geeignet erwiesen hat und mau in der Gestalt der G. in. b. H. eine etwas
beweglichere Gesellschaftsart hat schaffen müssen.

Es ist also sehr fraglich, ob der auch vom neuen Präsidenten wieder auf¬
genommene Kampf gegen die Trusts bessere Erfolge erzielen wird als bisher.
Dieser Kampf macht auch schon deshalb keinen befriedigenden Eindruck auf den
unbeteiligten Zuschauer, weil er mit zu wenig Unparteilichkeit geführt wird und
einen ausgesprochen politischen Charakter zur Schau trägt, während er doch nur
einen wirtschaftspolitischen haben sollte. Das führt dann häufig dazu, daß man
den Gegner an ganz falscher Stelle sucht. Niemals ist diese Animosität gegen
das Großkapital und gegen die Trusts auffälliger in die Erscheinung getreten
als in der Untersuchung gegen den sogenannten "Geldtruhe". Von der vor¬
gefaßten Meinung ausgehend, es bestände eine Art Verschwörung des Gro߬
kapitals zur Beherrschung des Geldmarktes, hat man monatelang sich abgemüht,
die Fäden dieses verschlungenen Gewebes zu entwirren und alle Notabilitäten
des Landes vor den Richterstuhl der Kommission zitiert, um sie dort einem ein¬
gehenden Kreuzverhör zu unterwerfen. Dabei sind manche interessante Einzel¬
heiten an das Licht gekommen, man hat in einzelnen Fällen gesehen, wie die
Aktienmajoritäten von Hand zu Hand geschoben werden, über welche enorme
Kapitalmacht einzelne Konzerne verfügen, wenn man die Aktienkapitalien und
die Einlagegelder der Institute zusammenzählt, die sie direkt oder indirekt be¬
herrschen. Und doch ist das Resultat im ganzen ein negatives. Man hat
weder alle Zusammenhänge aufgespürt, noch hat man im einzelnen gesetzwidrige
Handlungen feststellen können, am wenigsten aber hat sich das tnsma probanäum,


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zu verhindern. Anders aber da, wo nicht vollbezahlte Aktien, wenn in ge¬
nügender Menge ausgegeben, die vollbezahlten überstimmen können, oder wo
die Ausgabe von Aktien überhaupt nicht an eine Einzahlung oder Jllation ge¬
bunden ist. Dieses System führt dazu, daß mit verhältnismäßig wenig Kapital¬
aufwand eine Gesellschaft eine Anzahl anderer beherrscht, während sie mit
anderen wieder unter fremder Botmäßigkeit steht, bis schließlich die Fäden in
einer Hand zusammenlaufen — in einer für den Außenstehenden häufig schwer
erkennbaren Weise. Will man diesen Mißstand beseitigen, so muß man das
Aktienrecht reformieren. Gerade dagegen sträubt sich aber nicht nur das
interessierte Unternehmertum, sondern der geschäftliche Sinn der Angelsachsen.
Es ist nämlich kein Zweifel, daß die Ungebundenheit in der Schaffung leerer
Aktien einen ungemeinen Ansporn für die wirtschaftliche Pionierarbeit des Kapitals
bildet. Alle die Eisenbahnaktien, welche jetzt den Newnorker Kurszettel mit
zum Teil hohen Agio zieren, waren ursprünglich nichts als Wechsel — die Bahnen
selbst wurden mit Schuldverschreibungskapital gebaut, das Aktienkapital selbst ist
ein Borns für die Wagemutigen, die zuerst ihr Geld an das Unternehmen
gewagt haben. Sie wachsen erst in den Wert hinein. In Deutschland ist das
ganz unmöglich; daher denn auch die Form der Aktiengesellschaft sich für Unter¬
nehmungen mit größerem Risiko, wie alle Kolonialgesellschaften, als ganz un¬
geeignet erwiesen hat und mau in der Gestalt der G. in. b. H. eine etwas
beweglichere Gesellschaftsart hat schaffen müssen.

Es ist also sehr fraglich, ob der auch vom neuen Präsidenten wieder auf¬
genommene Kampf gegen die Trusts bessere Erfolge erzielen wird als bisher.
Dieser Kampf macht auch schon deshalb keinen befriedigenden Eindruck auf den
unbeteiligten Zuschauer, weil er mit zu wenig Unparteilichkeit geführt wird und
einen ausgesprochen politischen Charakter zur Schau trägt, während er doch nur
einen wirtschaftspolitischen haben sollte. Das führt dann häufig dazu, daß man
den Gegner an ganz falscher Stelle sucht. Niemals ist diese Animosität gegen
das Großkapital und gegen die Trusts auffälliger in die Erscheinung getreten
als in der Untersuchung gegen den sogenannten „Geldtruhe". Von der vor¬
gefaßten Meinung ausgehend, es bestände eine Art Verschwörung des Gro߬
kapitals zur Beherrschung des Geldmarktes, hat man monatelang sich abgemüht,
die Fäden dieses verschlungenen Gewebes zu entwirren und alle Notabilitäten
des Landes vor den Richterstuhl der Kommission zitiert, um sie dort einem ein¬
gehenden Kreuzverhör zu unterwerfen. Dabei sind manche interessante Einzel¬
heiten an das Licht gekommen, man hat in einzelnen Fällen gesehen, wie die
Aktienmajoritäten von Hand zu Hand geschoben werden, über welche enorme
Kapitalmacht einzelne Konzerne verfügen, wenn man die Aktienkapitalien und
die Einlagegelder der Institute zusammenzählt, die sie direkt oder indirekt be¬
herrschen. Und doch ist das Resultat im ganzen ein negatives. Man hat
weder alle Zusammenhänge aufgespürt, noch hat man im einzelnen gesetzwidrige
Handlungen feststellen können, am wenigsten aber hat sich das tnsma probanäum,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/588>, abgerufen am 29.06.2024.