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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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F. w. Raiffeisen

sich ohne sie hat behelfen müssen. Es ist nicht exakt nachzuweisen, aber kann
wohl als zweifellos angesehen werden, daß ein wesentlicher Teil des Aufschwungs,
den die deutsche Landwirtschaft in den letzten Jahrzehnten genommen hat, dem
Genie Raiffeisens zu danken ist.

Die begeisterte, dankbare Hingabe, mit der Hunderttausende an diesem
Mann und seinem Werke hängen und die in geradezu überwältigender Weise
auf fast allen Tagungen der Raiffeisenschen Organisation zum Ausdruck kommt,
läßt sich aber durch diese wirtschaftlichen Leistungen der Organisation nicht allein
erklären. Es ist kein zufälliger, sondern ein integrierender Bestandteil seines
Werkes, daß nicht nur wirtschaftliche Erfolge, sondern daß geistig-sittliche Hebung
der zugehörigen Bevölkerung der Endzweck Raiffeisenscher Arbeit ist. Daher
die freudige Mitarbeit von Tausenden von Geistlichen und Lehrern beider
Konfessionen ohne jedes Entgelt. Daher die Durchdringung des ganzen Dorf¬
lebens mit genossenschaftlichem Geist. Daher die stete Bereitschaft der sonst
fast immer fehlenden Mittel für gemeinnützige Zwecke, Wohlfahrtsanstalten aller
Art. Der Raiffeisenverein, richtig geleitet, zeigt eben eine geradezu universale
Anpassungsfähigkeit an alle dörflichen Aufgaben. So finden wir ihn nicht nur
als Dorfbank mit ihren beiden Seiten, der Darlehnskasse und der Sparkasse,
sondern auch als Veranstalter von Familienabenden, belehrenden Vorträgen,
als Stifter von Volksbibliotheken, Krankenpflegeanstalten, Kleinkinderschulen usw.

Zugleich erfüllt er wichtigste soziale Funktionen. Durch den Zusammen¬
schluß von Reich und Arm hebt er nicht nur die Schwachen wirtschaftlich,
sondern auch sozial. Er dient dazu, den Kastengeist in seiner starken und
unerfreulichen Ausprägung auf dem Dorfe zurückzudrängen und auch in dieser
Richtung "Glück auf das Land zu tragen".

Vergegenwärtigt man sich auf Grund einer auch nur so flüchtigen Dar¬
stellung wie der vorstehenden das Wirken des Mannes, auf den die ganze
ländliche Genossenschaftsbewegung zurückzuführen ist, so muß man zu ehrlichem
Respekt vor ihm gelangen und darüber hinaus auch zu aufrichtiger Sympathie.
Denn Raiffeisen, Vater Raiffeisen, wie ihn seine Anhänger zu nennen pflegen,
ist bei aller Schlichtheit und persönlicher Bescheidenheit ein ganzer, ein großer
Mann gewesen, den wir zu den führenden Persönlichkeiten des neunzehnten
Jahrhunderts zu rechnen haben. Er verdient es, daß sein Werk über den
Kreis seiner Organisation hinaus bekannt und dem deutschen Volk als eines
der schönsten Produkte germanisch-christlichen Geistes vertraut wird.




F. w. Raiffeisen

sich ohne sie hat behelfen müssen. Es ist nicht exakt nachzuweisen, aber kann
wohl als zweifellos angesehen werden, daß ein wesentlicher Teil des Aufschwungs,
den die deutsche Landwirtschaft in den letzten Jahrzehnten genommen hat, dem
Genie Raiffeisens zu danken ist.

Die begeisterte, dankbare Hingabe, mit der Hunderttausende an diesem
Mann und seinem Werke hängen und die in geradezu überwältigender Weise
auf fast allen Tagungen der Raiffeisenschen Organisation zum Ausdruck kommt,
läßt sich aber durch diese wirtschaftlichen Leistungen der Organisation nicht allein
erklären. Es ist kein zufälliger, sondern ein integrierender Bestandteil seines
Werkes, daß nicht nur wirtschaftliche Erfolge, sondern daß geistig-sittliche Hebung
der zugehörigen Bevölkerung der Endzweck Raiffeisenscher Arbeit ist. Daher
die freudige Mitarbeit von Tausenden von Geistlichen und Lehrern beider
Konfessionen ohne jedes Entgelt. Daher die Durchdringung des ganzen Dorf¬
lebens mit genossenschaftlichem Geist. Daher die stete Bereitschaft der sonst
fast immer fehlenden Mittel für gemeinnützige Zwecke, Wohlfahrtsanstalten aller
Art. Der Raiffeisenverein, richtig geleitet, zeigt eben eine geradezu universale
Anpassungsfähigkeit an alle dörflichen Aufgaben. So finden wir ihn nicht nur
als Dorfbank mit ihren beiden Seiten, der Darlehnskasse und der Sparkasse,
sondern auch als Veranstalter von Familienabenden, belehrenden Vorträgen,
als Stifter von Volksbibliotheken, Krankenpflegeanstalten, Kleinkinderschulen usw.

Zugleich erfüllt er wichtigste soziale Funktionen. Durch den Zusammen¬
schluß von Reich und Arm hebt er nicht nur die Schwachen wirtschaftlich,
sondern auch sozial. Er dient dazu, den Kastengeist in seiner starken und
unerfreulichen Ausprägung auf dem Dorfe zurückzudrängen und auch in dieser
Richtung „Glück auf das Land zu tragen".

Vergegenwärtigt man sich auf Grund einer auch nur so flüchtigen Dar¬
stellung wie der vorstehenden das Wirken des Mannes, auf den die ganze
ländliche Genossenschaftsbewegung zurückzuführen ist, so muß man zu ehrlichem
Respekt vor ihm gelangen und darüber hinaus auch zu aufrichtiger Sympathie.
Denn Raiffeisen, Vater Raiffeisen, wie ihn seine Anhänger zu nennen pflegen,
ist bei aller Schlichtheit und persönlicher Bescheidenheit ein ganzer, ein großer
Mann gewesen, den wir zu den führenden Persönlichkeiten des neunzehnten
Jahrhunderts zu rechnen haben. Er verdient es, daß sein Werk über den
Kreis seiner Organisation hinaus bekannt und dem deutschen Volk als eines
der schönsten Produkte germanisch-christlichen Geistes vertraut wird.




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[0569] F. w. Raiffeisen sich ohne sie hat behelfen müssen. Es ist nicht exakt nachzuweisen, aber kann wohl als zweifellos angesehen werden, daß ein wesentlicher Teil des Aufschwungs, den die deutsche Landwirtschaft in den letzten Jahrzehnten genommen hat, dem Genie Raiffeisens zu danken ist. Die begeisterte, dankbare Hingabe, mit der Hunderttausende an diesem Mann und seinem Werke hängen und die in geradezu überwältigender Weise auf fast allen Tagungen der Raiffeisenschen Organisation zum Ausdruck kommt, läßt sich aber durch diese wirtschaftlichen Leistungen der Organisation nicht allein erklären. Es ist kein zufälliger, sondern ein integrierender Bestandteil seines Werkes, daß nicht nur wirtschaftliche Erfolge, sondern daß geistig-sittliche Hebung der zugehörigen Bevölkerung der Endzweck Raiffeisenscher Arbeit ist. Daher die freudige Mitarbeit von Tausenden von Geistlichen und Lehrern beider Konfessionen ohne jedes Entgelt. Daher die Durchdringung des ganzen Dorf¬ lebens mit genossenschaftlichem Geist. Daher die stete Bereitschaft der sonst fast immer fehlenden Mittel für gemeinnützige Zwecke, Wohlfahrtsanstalten aller Art. Der Raiffeisenverein, richtig geleitet, zeigt eben eine geradezu universale Anpassungsfähigkeit an alle dörflichen Aufgaben. So finden wir ihn nicht nur als Dorfbank mit ihren beiden Seiten, der Darlehnskasse und der Sparkasse, sondern auch als Veranstalter von Familienabenden, belehrenden Vorträgen, als Stifter von Volksbibliotheken, Krankenpflegeanstalten, Kleinkinderschulen usw. Zugleich erfüllt er wichtigste soziale Funktionen. Durch den Zusammen¬ schluß von Reich und Arm hebt er nicht nur die Schwachen wirtschaftlich, sondern auch sozial. Er dient dazu, den Kastengeist in seiner starken und unerfreulichen Ausprägung auf dem Dorfe zurückzudrängen und auch in dieser Richtung „Glück auf das Land zu tragen". Vergegenwärtigt man sich auf Grund einer auch nur so flüchtigen Dar¬ stellung wie der vorstehenden das Wirken des Mannes, auf den die ganze ländliche Genossenschaftsbewegung zurückzuführen ist, so muß man zu ehrlichem Respekt vor ihm gelangen und darüber hinaus auch zu aufrichtiger Sympathie. Denn Raiffeisen, Vater Raiffeisen, wie ihn seine Anhänger zu nennen pflegen, ist bei aller Schlichtheit und persönlicher Bescheidenheit ein ganzer, ein großer Mann gewesen, den wir zu den führenden Persönlichkeiten des neunzehnten Jahrhunderts zu rechnen haben. Er verdient es, daß sein Werk über den Kreis seiner Organisation hinaus bekannt und dem deutschen Volk als eines der schönsten Produkte germanisch-christlichen Geistes vertraut wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/569>, abgerufen am 22.12.2024.