Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.F. to, Raiffcisen Ist dies die Entwicklung der engeren Raiffeisenschen, der "Neuwieder" Angesichts einer Zusammenfassung so außerordentlich großer Teile der Rechnet man hinzu, daß diese Vereine einen Reserve- und Stiftungsfonds F. to, Raiffcisen Ist dies die Entwicklung der engeren Raiffeisenschen, der „Neuwieder" Angesichts einer Zusammenfassung so außerordentlich großer Teile der Rechnet man hinzu, daß diese Vereine einen Reserve- und Stiftungsfonds <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0568" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/325438"/> <fw type="header" place="top"> F. to, Raiffcisen</fw><lb/> <p xml:id="ID_2701"> Ist dies die Entwicklung der engeren Raiffeisenschen, der „Neuwieder"<lb/> Organisation, so war diese nicht die einzige auf „Naiffeisen" zurückgehende<lb/> genossenschaftliche Entwicklung. Denn ohne Anschluß an seine Zentralinstitute,<lb/> aber unter größerer oder geringerer Billigung seiner Grundsätze für die Einzel¬<lb/> genossenschaft kamen noch zu seinen Lebzeiten Genossenschaftsgründungen in<lb/> weiten Teilen des Reiches zustande. Vor allem die Betonung des christlichen<lb/> Charakters seiner Schöpfungen stieß manche interessierte Männer ab und ließ<lb/> sie Sonderorganisationen schaffen. So entstanden, namentlich unter Führung<lb/> des erst in diesen Tagen verstorbenen Generalanwalts Haas, in fast allen<lb/> Bundesstaaten und Provinzen Einzelorganisationen, die sich zwar in dem<lb/> Aufbau der örtlichen Genossenschaft mehr oder weniger auf die Raiffeisenschen<lb/> Ideen stützten, aber begrenzte, nicht über ganz Deutschland sich erstreckende<lb/> Oberinstanzen besitzen. Man nennt sie nach dem früheren Wohnsitz ihres her¬<lb/> vorragendsten Vertreters und Führers Haas meist noch jetzt die „Offenbacher"<lb/> Genossenschaftsrichtung. Im Jahre 1905 ist übrigens eine wesentliche An¬<lb/> näherung der beiden Richtungen durch ihren Zusammenschluß im Reichsoerband<lb/> der deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften erfolgt, der seitdem allein<lb/> etwa 15000 Spar- und Darlehnskassenvereine umschließt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2702"> Angesichts einer Zusammenfassung so außerordentlich großer Teile der<lb/> ländlichen Bevölkerung in den örtlichen Naiffeisenvereinen — nicht nur der<lb/> Landwirte, auch der Handwerker, Beamten, Lehrer, Geistlichen usw. — muß<lb/> die volkswirtschaftliche Bedeutung des Werkes, das Raiffcisen geschaffen hat,<lb/> ins Auge fallen. Die Statistik belegt denn auch im einzelnen diese Auffassung.<lb/> So betrug allein 1911 in der engeren Raiffeisenschen Organisation, im General¬<lb/> verband, der Jahresumsatz von 4165 Naiffeisenvereinen nicht weniger als<lb/> 1293 Millionen Mark. Bei diesen Vereinen waren 564 Millionen Mark als<lb/> Spargelder und Guthaben in laufender Rechnung angelegt und sie hatten<lb/> 478 Millionen Mark als Darlehen und Kredite in laufender Rechnung an<lb/> Mitglieder ausgegeben. Der Bezug der Vereine an Waren für ihre Mitglieder,<lb/> (Futter- und Düngemittel usw.) machte 46 Millionen Mark aus.</p><lb/> <p xml:id="ID_2703" next="#ID_2704"> Rechnet man hinzu, daß diese Vereine einen Reserve- und Stiftungsfonds<lb/> von 20 Millionen Mark angesammelt haben und dies, trotzdem sie nicht auf<lb/> Gewinn, sondern auf die bestmögliche Versorgung der Mitglieder ausgehen<lb/> daher auch der Jahresreingewinn von allen zusammengerechnet nur 1,9 Mil¬<lb/> lionen Mark ausmacht — so ist der eminente wirtschaftliche Nutzen der Raiff¬<lb/> eisenschen Schöpfung unverkennbar. Es darf ferner nicht übersehen werden,<lb/> daß sich die Raiffeisenvereine und ihre im gleichen Geist arbeitende Zentral-<lb/> Darlehnskasse stets nicht nur möglichst niedriger, sondern auch möglichst gleich¬<lb/> bleibender Zinssätze befleißigen und damit der Landbevölkerung die lästigen<lb/> Schwankungen des Geldmarktes möglichst ersparen. Kurz, allein die wirt¬<lb/> schaftliche Betätigung und die Erfolge dieser Organisation lassen es fast un¬<lb/> denkbar erscheinen, daß unsere Landbevölkerung noch vor wenig Jahrzehnten</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0568]
F. to, Raiffcisen
Ist dies die Entwicklung der engeren Raiffeisenschen, der „Neuwieder"
Organisation, so war diese nicht die einzige auf „Naiffeisen" zurückgehende
genossenschaftliche Entwicklung. Denn ohne Anschluß an seine Zentralinstitute,
aber unter größerer oder geringerer Billigung seiner Grundsätze für die Einzel¬
genossenschaft kamen noch zu seinen Lebzeiten Genossenschaftsgründungen in
weiten Teilen des Reiches zustande. Vor allem die Betonung des christlichen
Charakters seiner Schöpfungen stieß manche interessierte Männer ab und ließ
sie Sonderorganisationen schaffen. So entstanden, namentlich unter Führung
des erst in diesen Tagen verstorbenen Generalanwalts Haas, in fast allen
Bundesstaaten und Provinzen Einzelorganisationen, die sich zwar in dem
Aufbau der örtlichen Genossenschaft mehr oder weniger auf die Raiffeisenschen
Ideen stützten, aber begrenzte, nicht über ganz Deutschland sich erstreckende
Oberinstanzen besitzen. Man nennt sie nach dem früheren Wohnsitz ihres her¬
vorragendsten Vertreters und Führers Haas meist noch jetzt die „Offenbacher"
Genossenschaftsrichtung. Im Jahre 1905 ist übrigens eine wesentliche An¬
näherung der beiden Richtungen durch ihren Zusammenschluß im Reichsoerband
der deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften erfolgt, der seitdem allein
etwa 15000 Spar- und Darlehnskassenvereine umschließt.
Angesichts einer Zusammenfassung so außerordentlich großer Teile der
ländlichen Bevölkerung in den örtlichen Naiffeisenvereinen — nicht nur der
Landwirte, auch der Handwerker, Beamten, Lehrer, Geistlichen usw. — muß
die volkswirtschaftliche Bedeutung des Werkes, das Raiffcisen geschaffen hat,
ins Auge fallen. Die Statistik belegt denn auch im einzelnen diese Auffassung.
So betrug allein 1911 in der engeren Raiffeisenschen Organisation, im General¬
verband, der Jahresumsatz von 4165 Naiffeisenvereinen nicht weniger als
1293 Millionen Mark. Bei diesen Vereinen waren 564 Millionen Mark als
Spargelder und Guthaben in laufender Rechnung angelegt und sie hatten
478 Millionen Mark als Darlehen und Kredite in laufender Rechnung an
Mitglieder ausgegeben. Der Bezug der Vereine an Waren für ihre Mitglieder,
(Futter- und Düngemittel usw.) machte 46 Millionen Mark aus.
Rechnet man hinzu, daß diese Vereine einen Reserve- und Stiftungsfonds
von 20 Millionen Mark angesammelt haben und dies, trotzdem sie nicht auf
Gewinn, sondern auf die bestmögliche Versorgung der Mitglieder ausgehen
daher auch der Jahresreingewinn von allen zusammengerechnet nur 1,9 Mil¬
lionen Mark ausmacht — so ist der eminente wirtschaftliche Nutzen der Raiff¬
eisenschen Schöpfung unverkennbar. Es darf ferner nicht übersehen werden,
daß sich die Raiffeisenvereine und ihre im gleichen Geist arbeitende Zentral-
Darlehnskasse stets nicht nur möglichst niedriger, sondern auch möglichst gleich¬
bleibender Zinssätze befleißigen und damit der Landbevölkerung die lästigen
Schwankungen des Geldmarktes möglichst ersparen. Kurz, allein die wirt¬
schaftliche Betätigung und die Erfolge dieser Organisation lassen es fast un¬
denkbar erscheinen, daß unsere Landbevölkerung noch vor wenig Jahrzehnten
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