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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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r arischen Abteilung des Instituts liegt aus
der Hand und wird von Meumann aus¬
drücklich betont.

Hierzu mögen folgende Bemerkungen
gestattet sein: eS ist klar, dasz das In¬
stitut für Jugendkunde seinen Zusammen¬
hang wahren muß mit der Philosophie
im engeren Sinne, der Philosophie als
Normwissenschast, mit der philosophischen
Ethik, ferner mit dem wissenschaftlichen Stu¬
dium der Geschichte der Pädagogik, welches
immer nur, wenn es wirklich fruchtbringend
sein soll, sich in Anlehnung an die großen kultu¬
rellen Strömungen der Geschichte betreiben
läßt. Das Kulturproblcm selbst als ein für
die Pädagogik zumal der höheren Lehr¬
anstalten grundlegendes Problem, darf nicht
außer acht bleiben, und im engen Zusammen¬
hange damit steht wieder die Frage, welchen
Wissenschaften und Künsten wir in der
Schulorganisation einen Vorrang ein¬
räumen sollen und welches der Bildungswert
der einzelnen Fächer und die Empfänglichkeit
der verschiedenen Schülertypen und Lebensalter
ihnen gegenüber ist, eine Frage, die wieder
ins Psychologische Gebiet hinübergreife. An¬
gesichts des Kulturproblems besonders wird
die echt Philosophische Besinnung nicht zu
übersehen sein, daß die Kulturwelt nicht allein
aus individuell-menschlichen Existenzen be¬
steht, sondern daß die Entwicklung des Geistes
innerhalb der Menschheit, der "objektive Geist",
um mit Hegel zu sprechen, vorangeht der
individuell-seelischen Entwicklung und diese
ihren tiefsten Gehalt nur aus jenem Geiste
empfängt. Soll der Intellektualismus in
unserem höheren Schulwesen, zu dem das
Prinzip des Fachunterrichts Lehrer wie Schüler
nur allzu leicht verführt, wirklich überwunden
werden, so muß der Gedanke einer echten
Verlebendigung des zu überliefernden Kultur¬
inhalts in der heranwachsenden Generation und
einer dementsprechenden neuartigen Grund¬
legung der Lehrervorbildung ernstlich verfolgt
werden.') Vorträge über wesentliche und

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auch für die Pädagogik hochwichtige Probleme
unseres Kulturlebens vor weitesten Kreisen
dürften nicht fehlen und würden das Inter¬
esse solcher Kreise für die Kernfragen der Er¬
ziehung weiter beleben.

Schon aus diesen Bemerkungen ist klar,
daß die Verbindung der jugendkundlichen
Forschung mit der Philosophie nicht nur
äußerlich und über das Gebiet der Psycho¬
logie gewahrt bleiben sollte. Wie es ganz
natürlich ist, daß die psychologische Abteilung
des philosophischen Seminars in Hamburg
in besonders enger Beziehung zu dem ge¬
planten Institut für Jugendkunde stehen muß,
so darf unter Umständen auch von der anders¬
gearteten Tätigkeit dieses Seminars viel wert¬
volle Anregung für die an den Problemen
der Jugendforschung Arbeitenden erwartet
werden. Ausdrücklich möchten wir noch ein¬
mal betonen, daß die Psychologie, die Kenntnis
der jugendlichen Entwicklung, so selbstverständ¬
lich sie einen wesentlichen Teil der päda¬
gogischen Bildung ausmacht und so wenig
es nötig sein sollte, den wissenschaftlichen Wert
der Jugendkunde zu betonen, niemals allem
zur vollgenügenden Ausbildung des Pädagogen
hinreichen kann. Das Psychologische Expe¬
rimentieren kann niemals das zielsetzende
Denken, die kulturell-Philosophische Betrachtung
und das geschichtliche Wissen ersetzen. Noch
jüngst hat Professor Rudolf Lehmann den
gleichen Gedanken nachdrücklich hervorgehoben.

Wir waren, wie auch Meumann zeigt,
bisher anderen Kulturvölkern gegenüber in
der Organisation der wissenschaftlichen Arbeit
an den Problemen der Jugendkunde arg im
Rückstände. Es ist zu hoffen, daß nunmehr,
da ein verheißungsvoller Anfang einer solchen
Organisation in Hamburg bereits gemacht ist,
die auf diesem besonders günstigen Boden,
im Rahmen der inzwischen nahe gerückten
Universitätsgründung bald zu besonderen.
Ansehen gelangen muß, wertvolle Ergeb¬
nisse für unser Erziehungswesen zutage
treten werden. Erziehung und Unterricht sind
zwar eine Kunst, aber auch der Künstler be¬
darf des Rüstzeuges für seine Arbeit, und
dies besteht auch für den Lehrer an höheren

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ferer inneren Kultur" (Beyer u. Söhne, Langen¬
salza 1912).
Vgl. zu diesem Punkte auch meine
beiden Schriften: "Höhere Schule und Geistes¬
kultur, mit Beziehung auf die Lehrerbildung"
(Beyer u. Söhne, Langensalza 1911), und
"Geistesleben, Gedanken zur Umbildung un-
Maßgebliches und Unmaßgebliches

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r arischen Abteilung des Instituts liegt aus
der Hand und wird von Meumann aus¬
drücklich betont.

Hierzu mögen folgende Bemerkungen
gestattet sein: eS ist klar, dasz das In¬
stitut für Jugendkunde seinen Zusammen¬
hang wahren muß mit der Philosophie
im engeren Sinne, der Philosophie als
Normwissenschast, mit der philosophischen
Ethik, ferner mit dem wissenschaftlichen Stu¬
dium der Geschichte der Pädagogik, welches
immer nur, wenn es wirklich fruchtbringend
sein soll, sich in Anlehnung an die großen kultu¬
rellen Strömungen der Geschichte betreiben
läßt. Das Kulturproblcm selbst als ein für
die Pädagogik zumal der höheren Lehr¬
anstalten grundlegendes Problem, darf nicht
außer acht bleiben, und im engen Zusammen¬
hange damit steht wieder die Frage, welchen
Wissenschaften und Künsten wir in der
Schulorganisation einen Vorrang ein¬
räumen sollen und welches der Bildungswert
der einzelnen Fächer und die Empfänglichkeit
der verschiedenen Schülertypen und Lebensalter
ihnen gegenüber ist, eine Frage, die wieder
ins Psychologische Gebiet hinübergreife. An¬
gesichts des Kulturproblems besonders wird
die echt Philosophische Besinnung nicht zu
übersehen sein, daß die Kulturwelt nicht allein
aus individuell-menschlichen Existenzen be¬
steht, sondern daß die Entwicklung des Geistes
innerhalb der Menschheit, der „objektive Geist",
um mit Hegel zu sprechen, vorangeht der
individuell-seelischen Entwicklung und diese
ihren tiefsten Gehalt nur aus jenem Geiste
empfängt. Soll der Intellektualismus in
unserem höheren Schulwesen, zu dem das
Prinzip des Fachunterrichts Lehrer wie Schüler
nur allzu leicht verführt, wirklich überwunden
werden, so muß der Gedanke einer echten
Verlebendigung des zu überliefernden Kultur¬
inhalts in der heranwachsenden Generation und
einer dementsprechenden neuartigen Grund¬
legung der Lehrervorbildung ernstlich verfolgt
werden.') Vorträge über wesentliche und

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auch für die Pädagogik hochwichtige Probleme
unseres Kulturlebens vor weitesten Kreisen
dürften nicht fehlen und würden das Inter¬
esse solcher Kreise für die Kernfragen der Er¬
ziehung weiter beleben.

Schon aus diesen Bemerkungen ist klar,
daß die Verbindung der jugendkundlichen
Forschung mit der Philosophie nicht nur
äußerlich und über das Gebiet der Psycho¬
logie gewahrt bleiben sollte. Wie es ganz
natürlich ist, daß die psychologische Abteilung
des philosophischen Seminars in Hamburg
in besonders enger Beziehung zu dem ge¬
planten Institut für Jugendkunde stehen muß,
so darf unter Umständen auch von der anders¬
gearteten Tätigkeit dieses Seminars viel wert¬
volle Anregung für die an den Problemen
der Jugendforschung Arbeitenden erwartet
werden. Ausdrücklich möchten wir noch ein¬
mal betonen, daß die Psychologie, die Kenntnis
der jugendlichen Entwicklung, so selbstverständ¬
lich sie einen wesentlichen Teil der päda¬
gogischen Bildung ausmacht und so wenig
es nötig sein sollte, den wissenschaftlichen Wert
der Jugendkunde zu betonen, niemals allem
zur vollgenügenden Ausbildung des Pädagogen
hinreichen kann. Das Psychologische Expe¬
rimentieren kann niemals das zielsetzende
Denken, die kulturell-Philosophische Betrachtung
und das geschichtliche Wissen ersetzen. Noch
jüngst hat Professor Rudolf Lehmann den
gleichen Gedanken nachdrücklich hervorgehoben.

Wir waren, wie auch Meumann zeigt,
bisher anderen Kulturvölkern gegenüber in
der Organisation der wissenschaftlichen Arbeit
an den Problemen der Jugendkunde arg im
Rückstände. Es ist zu hoffen, daß nunmehr,
da ein verheißungsvoller Anfang einer solchen
Organisation in Hamburg bereits gemacht ist,
die auf diesem besonders günstigen Boden,
im Rahmen der inzwischen nahe gerückten
Universitätsgründung bald zu besonderen.
Ansehen gelangen muß, wertvolle Ergeb¬
nisse für unser Erziehungswesen zutage
treten werden. Erziehung und Unterricht sind
zwar eine Kunst, aber auch der Künstler be¬
darf des Rüstzeuges für seine Arbeit, und
dies besteht auch für den Lehrer an höheren

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ferer inneren Kultur" (Beyer u. Söhne, Langen¬
salza 1912).
Vgl. zu diesem Punkte auch meine
beiden Schriften: „Höhere Schule und Geistes¬
kultur, mit Beziehung auf die Lehrerbildung"
(Beyer u. Söhne, Langensalza 1911), und
„Geistesleben, Gedanken zur Umbildung un-
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[0497] Maßgebliches und Unmaßgebliches r arischen Abteilung des Instituts liegt aus der Hand und wird von Meumann aus¬ drücklich betont. Hierzu mögen folgende Bemerkungen gestattet sein: eS ist klar, dasz das In¬ stitut für Jugendkunde seinen Zusammen¬ hang wahren muß mit der Philosophie im engeren Sinne, der Philosophie als Normwissenschast, mit der philosophischen Ethik, ferner mit dem wissenschaftlichen Stu¬ dium der Geschichte der Pädagogik, welches immer nur, wenn es wirklich fruchtbringend sein soll, sich in Anlehnung an die großen kultu¬ rellen Strömungen der Geschichte betreiben läßt. Das Kulturproblcm selbst als ein für die Pädagogik zumal der höheren Lehr¬ anstalten grundlegendes Problem, darf nicht außer acht bleiben, und im engen Zusammen¬ hange damit steht wieder die Frage, welchen Wissenschaften und Künsten wir in der Schulorganisation einen Vorrang ein¬ räumen sollen und welches der Bildungswert der einzelnen Fächer und die Empfänglichkeit der verschiedenen Schülertypen und Lebensalter ihnen gegenüber ist, eine Frage, die wieder ins Psychologische Gebiet hinübergreife. An¬ gesichts des Kulturproblems besonders wird die echt Philosophische Besinnung nicht zu übersehen sein, daß die Kulturwelt nicht allein aus individuell-menschlichen Existenzen be¬ steht, sondern daß die Entwicklung des Geistes innerhalb der Menschheit, der „objektive Geist", um mit Hegel zu sprechen, vorangeht der individuell-seelischen Entwicklung und diese ihren tiefsten Gehalt nur aus jenem Geiste empfängt. Soll der Intellektualismus in unserem höheren Schulwesen, zu dem das Prinzip des Fachunterrichts Lehrer wie Schüler nur allzu leicht verführt, wirklich überwunden werden, so muß der Gedanke einer echten Verlebendigung des zu überliefernden Kultur¬ inhalts in der heranwachsenden Generation und einer dementsprechenden neuartigen Grund¬ legung der Lehrervorbildung ernstlich verfolgt werden.') Vorträge über wesentliche und auch für die Pädagogik hochwichtige Probleme unseres Kulturlebens vor weitesten Kreisen dürften nicht fehlen und würden das Inter¬ esse solcher Kreise für die Kernfragen der Er¬ ziehung weiter beleben. Schon aus diesen Bemerkungen ist klar, daß die Verbindung der jugendkundlichen Forschung mit der Philosophie nicht nur äußerlich und über das Gebiet der Psycho¬ logie gewahrt bleiben sollte. Wie es ganz natürlich ist, daß die psychologische Abteilung des philosophischen Seminars in Hamburg in besonders enger Beziehung zu dem ge¬ planten Institut für Jugendkunde stehen muß, so darf unter Umständen auch von der anders¬ gearteten Tätigkeit dieses Seminars viel wert¬ volle Anregung für die an den Problemen der Jugendforschung Arbeitenden erwartet werden. Ausdrücklich möchten wir noch ein¬ mal betonen, daß die Psychologie, die Kenntnis der jugendlichen Entwicklung, so selbstverständ¬ lich sie einen wesentlichen Teil der päda¬ gogischen Bildung ausmacht und so wenig es nötig sein sollte, den wissenschaftlichen Wert der Jugendkunde zu betonen, niemals allem zur vollgenügenden Ausbildung des Pädagogen hinreichen kann. Das Psychologische Expe¬ rimentieren kann niemals das zielsetzende Denken, die kulturell-Philosophische Betrachtung und das geschichtliche Wissen ersetzen. Noch jüngst hat Professor Rudolf Lehmann den gleichen Gedanken nachdrücklich hervorgehoben. Wir waren, wie auch Meumann zeigt, bisher anderen Kulturvölkern gegenüber in der Organisation der wissenschaftlichen Arbeit an den Problemen der Jugendkunde arg im Rückstände. Es ist zu hoffen, daß nunmehr, da ein verheißungsvoller Anfang einer solchen Organisation in Hamburg bereits gemacht ist, die auf diesem besonders günstigen Boden, im Rahmen der inzwischen nahe gerückten Universitätsgründung bald zu besonderen. Ansehen gelangen muß, wertvolle Ergeb¬ nisse für unser Erziehungswesen zutage treten werden. Erziehung und Unterricht sind zwar eine Kunst, aber auch der Künstler be¬ darf des Rüstzeuges für seine Arbeit, und dies besteht auch für den Lehrer an höheren Vgl. zu diesem Punkte auch meine beiden Schriften: „Höhere Schule und Geistes¬ kultur, mit Beziehung auf die Lehrerbildung" (Beyer u. Söhne, Langensalza 1911), und „Geistesleben, Gedanken zur Umbildung un- ferer inneren Kultur" (Beyer u. Söhne, Langen¬ salza 1912).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/497>, abgerufen am 22.12.2024.