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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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licher Weise gesorgt ist. Für den aufmerksamen Beobachter kann es aber nicht
zweifelhaft sein, daß deutliche Vorboten des Umschwungs bereits zu konsta¬
tieren sind.

Von besonderer Bedeutung erscheint in dieser Hinsicht der Preissturz, welcher
seit einiger Zeit auf den Metallmärkten eingetreten ist. Mit jeder industriellen
Hochkonjunktur pflegen naturgemäß die Preise der Metalle eine scharf ansteigende
Richtung einzuschlagen, vielfach unterstützt durch eine Manipulation des Marktes
seitens der Produzenten, welche durch das Hintanhalten von Vorräten, durch
Färben der Statistik und ähnliche Mittel die Aufwärtsbewegung der Preise
fördern, solange es eben geht und nicht das Anwachsen der Vorräte ihnen die
Beherrschung des Marktes unmöglich macht. Fangen die Preise an, dauernd
und stark zu sinken, so ist dies ein Zeichen dafür, daß Bedarf und Vorrat in
ein Mißverhältnis geraten sind, welches dringend einen Ausgleich durch Preis¬
ermäßigung fordert. Der Preissturz des wichtigen Metalls Kupfer hat daher
in der Regel den Umschwung der Konjunktur angezeigt und eingeleitet. Es ist
noch in lebhafter Erinnerung, in welch katastrophaler Weise dieser Umschwung
im Jahre 1907 mit dem Zusammenbruch des Kupfermarktes einsetzte. Nun ist
auch gegenwärtig der Kupferpreis seit Beginn des Jahres von seinem Höchst¬
stand stark zurückgewichen -- von etwa 80 auf 64 Pfd. sei. pro Tonne. Zu¬
gleich weist die Statistik ein starkes Anwachsen der Vorräte aus. Der Kupferpreis
hat also zwar nicht entfernt den Höchststand erreicht, den er im Jahre 1907
mit 108 Pfd. sei. erklommen hatte, aber bekanntlich war jener Preisstand auch
nur durch die gewagtesten Manöver des amerikanischen Trusts erzielt worden.
Die gegenwärtige Preisbewegung ist solider verlaufen; daran trägt hauptsächlich
die in den letzten fünf Jahren stark gestiegene und verbilligte Produktion schuld,
welche das spekulative Preistreiben erschwert. Man darf also annehmen, daß
jene Grenze von 80 Pfd. sei. das Höchstmaß des erreichbaren Konjunkturpreises
darstellt und daß in dem schnellen Herabgleiten des Marktwertes sich die gründ¬
liche Veränderung der Lage offenbart. Diese Überzeugung wird dadurch bestärkt,
daß auch der Zinnpreis dieser Bewegung gefolgt ist und daß neuerdings sogar
die Roheisenpreise ins Wanken geraten, nachdem zuerst ein starker Preisfall
am Glasgower Warrentmarkt eingetreten ist. Diese abwärts gerichtete Preis¬
tendenz mag unter dem Einfluß der oben erwähnten Umstände zeitweilig wieder
zum Stillstand kommen; sie wird aber unter Herrschaft der teueren Geldsätze sich
nicht wieder in ihr Gegenteil verkehren können. Die Kurve der Konjunktur
senkt sich also erkennbar nach unten.

Deutlicher noch kommt die Tatsache, daß der Höhepunkt der Entwicklung
überschritten ist, in den mannigfachen Zusammenbrüchen und den Verlusten der
Kreditinstitute zum Ausdruck. Den Opfern, welche die Krisis auf dem Terrain¬
baumarkt gefordert hat, haben sich, wie schon früher hier erwähnt, eine Anzahl
von Privatbankgeschäften größeren und kleineren Umfanges in Schlesien und
Bayern angeschlossen. Jetzt offenbart sich zur allgemeinen Überraschung, daß


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licher Weise gesorgt ist. Für den aufmerksamen Beobachter kann es aber nicht
zweifelhaft sein, daß deutliche Vorboten des Umschwungs bereits zu konsta¬
tieren sind.

Von besonderer Bedeutung erscheint in dieser Hinsicht der Preissturz, welcher
seit einiger Zeit auf den Metallmärkten eingetreten ist. Mit jeder industriellen
Hochkonjunktur pflegen naturgemäß die Preise der Metalle eine scharf ansteigende
Richtung einzuschlagen, vielfach unterstützt durch eine Manipulation des Marktes
seitens der Produzenten, welche durch das Hintanhalten von Vorräten, durch
Färben der Statistik und ähnliche Mittel die Aufwärtsbewegung der Preise
fördern, solange es eben geht und nicht das Anwachsen der Vorräte ihnen die
Beherrschung des Marktes unmöglich macht. Fangen die Preise an, dauernd
und stark zu sinken, so ist dies ein Zeichen dafür, daß Bedarf und Vorrat in
ein Mißverhältnis geraten sind, welches dringend einen Ausgleich durch Preis¬
ermäßigung fordert. Der Preissturz des wichtigen Metalls Kupfer hat daher
in der Regel den Umschwung der Konjunktur angezeigt und eingeleitet. Es ist
noch in lebhafter Erinnerung, in welch katastrophaler Weise dieser Umschwung
im Jahre 1907 mit dem Zusammenbruch des Kupfermarktes einsetzte. Nun ist
auch gegenwärtig der Kupferpreis seit Beginn des Jahres von seinem Höchst¬
stand stark zurückgewichen — von etwa 80 auf 64 Pfd. sei. pro Tonne. Zu¬
gleich weist die Statistik ein starkes Anwachsen der Vorräte aus. Der Kupferpreis
hat also zwar nicht entfernt den Höchststand erreicht, den er im Jahre 1907
mit 108 Pfd. sei. erklommen hatte, aber bekanntlich war jener Preisstand auch
nur durch die gewagtesten Manöver des amerikanischen Trusts erzielt worden.
Die gegenwärtige Preisbewegung ist solider verlaufen; daran trägt hauptsächlich
die in den letzten fünf Jahren stark gestiegene und verbilligte Produktion schuld,
welche das spekulative Preistreiben erschwert. Man darf also annehmen, daß
jene Grenze von 80 Pfd. sei. das Höchstmaß des erreichbaren Konjunkturpreises
darstellt und daß in dem schnellen Herabgleiten des Marktwertes sich die gründ¬
liche Veränderung der Lage offenbart. Diese Überzeugung wird dadurch bestärkt,
daß auch der Zinnpreis dieser Bewegung gefolgt ist und daß neuerdings sogar
die Roheisenpreise ins Wanken geraten, nachdem zuerst ein starker Preisfall
am Glasgower Warrentmarkt eingetreten ist. Diese abwärts gerichtete Preis¬
tendenz mag unter dem Einfluß der oben erwähnten Umstände zeitweilig wieder
zum Stillstand kommen; sie wird aber unter Herrschaft der teueren Geldsätze sich
nicht wieder in ihr Gegenteil verkehren können. Die Kurve der Konjunktur
senkt sich also erkennbar nach unten.

Deutlicher noch kommt die Tatsache, daß der Höhepunkt der Entwicklung
überschritten ist, in den mannigfachen Zusammenbrüchen und den Verlusten der
Kreditinstitute zum Ausdruck. Den Opfern, welche die Krisis auf dem Terrain¬
baumarkt gefordert hat, haben sich, wie schon früher hier erwähnt, eine Anzahl
von Privatbankgeschäften größeren und kleineren Umfanges in Schlesien und
Bayern angeschlossen. Jetzt offenbart sich zur allgemeinen Überraschung, daß


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[0494] Geldnot licher Weise gesorgt ist. Für den aufmerksamen Beobachter kann es aber nicht zweifelhaft sein, daß deutliche Vorboten des Umschwungs bereits zu konsta¬ tieren sind. Von besonderer Bedeutung erscheint in dieser Hinsicht der Preissturz, welcher seit einiger Zeit auf den Metallmärkten eingetreten ist. Mit jeder industriellen Hochkonjunktur pflegen naturgemäß die Preise der Metalle eine scharf ansteigende Richtung einzuschlagen, vielfach unterstützt durch eine Manipulation des Marktes seitens der Produzenten, welche durch das Hintanhalten von Vorräten, durch Färben der Statistik und ähnliche Mittel die Aufwärtsbewegung der Preise fördern, solange es eben geht und nicht das Anwachsen der Vorräte ihnen die Beherrschung des Marktes unmöglich macht. Fangen die Preise an, dauernd und stark zu sinken, so ist dies ein Zeichen dafür, daß Bedarf und Vorrat in ein Mißverhältnis geraten sind, welches dringend einen Ausgleich durch Preis¬ ermäßigung fordert. Der Preissturz des wichtigen Metalls Kupfer hat daher in der Regel den Umschwung der Konjunktur angezeigt und eingeleitet. Es ist noch in lebhafter Erinnerung, in welch katastrophaler Weise dieser Umschwung im Jahre 1907 mit dem Zusammenbruch des Kupfermarktes einsetzte. Nun ist auch gegenwärtig der Kupferpreis seit Beginn des Jahres von seinem Höchst¬ stand stark zurückgewichen — von etwa 80 auf 64 Pfd. sei. pro Tonne. Zu¬ gleich weist die Statistik ein starkes Anwachsen der Vorräte aus. Der Kupferpreis hat also zwar nicht entfernt den Höchststand erreicht, den er im Jahre 1907 mit 108 Pfd. sei. erklommen hatte, aber bekanntlich war jener Preisstand auch nur durch die gewagtesten Manöver des amerikanischen Trusts erzielt worden. Die gegenwärtige Preisbewegung ist solider verlaufen; daran trägt hauptsächlich die in den letzten fünf Jahren stark gestiegene und verbilligte Produktion schuld, welche das spekulative Preistreiben erschwert. Man darf also annehmen, daß jene Grenze von 80 Pfd. sei. das Höchstmaß des erreichbaren Konjunkturpreises darstellt und daß in dem schnellen Herabgleiten des Marktwertes sich die gründ¬ liche Veränderung der Lage offenbart. Diese Überzeugung wird dadurch bestärkt, daß auch der Zinnpreis dieser Bewegung gefolgt ist und daß neuerdings sogar die Roheisenpreise ins Wanken geraten, nachdem zuerst ein starker Preisfall am Glasgower Warrentmarkt eingetreten ist. Diese abwärts gerichtete Preis¬ tendenz mag unter dem Einfluß der oben erwähnten Umstände zeitweilig wieder zum Stillstand kommen; sie wird aber unter Herrschaft der teueren Geldsätze sich nicht wieder in ihr Gegenteil verkehren können. Die Kurve der Konjunktur senkt sich also erkennbar nach unten. Deutlicher noch kommt die Tatsache, daß der Höhepunkt der Entwicklung überschritten ist, in den mannigfachen Zusammenbrüchen und den Verlusten der Kreditinstitute zum Ausdruck. Den Opfern, welche die Krisis auf dem Terrain¬ baumarkt gefordert hat, haben sich, wie schon früher hier erwähnt, eine Anzahl von Privatbankgeschäften größeren und kleineren Umfanges in Schlesien und Bayern angeschlossen. Jetzt offenbart sich zur allgemeinen Überraschung, daß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/494>, abgerufen am 01.07.2024.