Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Peter der Große und die Jesuiten

schreibt in seiner "Oft begehrten Orientalischen Reise": "Die Muskowiter können
sonst allerhand Nationen und Religionen wohl bei sich dulden, ausgenommen
Juden und Papisten, welche sie nicht gerne hören noch sehen mögen. Die
Lutheraner aber und die Calvinisten sind bei ihnen wohl gelitten."

Eine Wendung zugunsten der Katholiken vollzog sich nach dem Tode des
Zaren Alexis, als sein Sohn Feodor, Peters des Großen ältester Bruder, den
Thron bestieg. Er war mit einer Polin verheiratet und versprach den Katholiken
Kirchen und Schulen zu errichten. Nach seinem frühen Tode brachte die Regentschaft
der Prinzessin Sophie, Peters Schwester, den Katholiken bedeutenden Gewinn.
Der Günstling Sophiens, Fürst Basel Golizrm, leitete Rußland in die Bahnen
einer höheren Kultur. Während Sophiens Regierung konnte Kaiser Leopold
mit Ernst und Nachdruck für die Katholiken in Moskau eintreten. Den eifrigsten
Förderer seiner Herzenssache fand er dort in dem katholischen Schotten General
Patrick Gordon. Dieser genoß die Gunst Golizyns, und ihm vor allen ist es
zuzuschreiben, daß katholische Priester und Jesuiten in Moskau zugelassen wurden.

Aber schon im Jahre 1689 hatte die Freude ein Ende. Es war ein in
vieler Beziehung denkwürdiges Jahr für Moskau: es brachte den Sturz der
Regentschaft Sophiens, Basel Golizpns Verbannung, den Sieg des tatkräftigen
jungen Zaren Peter, den Katholiken die Ausweisung der Jesuitenpater. Der
katholische Gordon wurde unmerklich von dem Genfer Lefort beiseite geschoben.
Nun umklammerten die Protestanten den jungen Selbstherrscher mit einem festen
Ringe. Zar Peter verlangte von seinen Russen, daß sie bei den Protestanten in die
Schule gehen sollten. Vergeblich wehrte sich die altrussische Partei dagegen. Die
Protestanten nützten den rechten Augenblick und ernteten die Saat. Die Katholiken
wandten sich hilfesuchend an den deutschen Kaiser, und im April 1691 traf der
kaiserliche Jnternuntius Kurz von Wien in Moskau ein, um mit allen Mitteln
der Überredungskunst die Zurückberufung der Jesuiten nach Rußland durchzusetzen.
Es wurde ihm von der moskowitischen Regierung erklärt, man wolle keine
Jesuiten wieder in Moskau zulassen, und erst nach langwierigen Unterhand¬
lungen erhielten die Katholiken von Moskau zwei Priester zugestanden. Der
Jnternuntius kehrte, mit dem Erfolge seiner Sendung zufrieden, nach Wien
zurück und entsandte von dort seinen Stiefsohn Otto Pieper nach Moskau, mit
diesem reisten zwei weltliche Priester von der Olmützer Diözese. Im November
1692 trafen die drei in Moskau glücklich ein, und die beiden Geistlichen, Löffler
und Jarosch, machten sich rüstig an ihr Werk. Doch mißfiel es ihnen in dem
barbarischen Lande und sehnsüchtig erwarteten sie den Tag ihrer Abberufung
zur Rückkehr in die Heimat.

Anders der junge Pieper. Er fühlte sich wohl im Getriebe der alten
Zarenstadt. Der Kaiser empfahl ihn dem zarischen Schutze; er sollte in einigen
Jahren die russische Sprache erlernen, um sich dann in Wien als Übersetzer
nützlich zu erweisen. Die moskowitische Regierung schrieb -- nicht eben höflich --
Pieper vor, daß er in der Sloboda, d. i. in der deutschen Vorstadt, verborgen


Peter der Große und die Jesuiten

schreibt in seiner „Oft begehrten Orientalischen Reise": „Die Muskowiter können
sonst allerhand Nationen und Religionen wohl bei sich dulden, ausgenommen
Juden und Papisten, welche sie nicht gerne hören noch sehen mögen. Die
Lutheraner aber und die Calvinisten sind bei ihnen wohl gelitten."

Eine Wendung zugunsten der Katholiken vollzog sich nach dem Tode des
Zaren Alexis, als sein Sohn Feodor, Peters des Großen ältester Bruder, den
Thron bestieg. Er war mit einer Polin verheiratet und versprach den Katholiken
Kirchen und Schulen zu errichten. Nach seinem frühen Tode brachte die Regentschaft
der Prinzessin Sophie, Peters Schwester, den Katholiken bedeutenden Gewinn.
Der Günstling Sophiens, Fürst Basel Golizrm, leitete Rußland in die Bahnen
einer höheren Kultur. Während Sophiens Regierung konnte Kaiser Leopold
mit Ernst und Nachdruck für die Katholiken in Moskau eintreten. Den eifrigsten
Förderer seiner Herzenssache fand er dort in dem katholischen Schotten General
Patrick Gordon. Dieser genoß die Gunst Golizyns, und ihm vor allen ist es
zuzuschreiben, daß katholische Priester und Jesuiten in Moskau zugelassen wurden.

Aber schon im Jahre 1689 hatte die Freude ein Ende. Es war ein in
vieler Beziehung denkwürdiges Jahr für Moskau: es brachte den Sturz der
Regentschaft Sophiens, Basel Golizpns Verbannung, den Sieg des tatkräftigen
jungen Zaren Peter, den Katholiken die Ausweisung der Jesuitenpater. Der
katholische Gordon wurde unmerklich von dem Genfer Lefort beiseite geschoben.
Nun umklammerten die Protestanten den jungen Selbstherrscher mit einem festen
Ringe. Zar Peter verlangte von seinen Russen, daß sie bei den Protestanten in die
Schule gehen sollten. Vergeblich wehrte sich die altrussische Partei dagegen. Die
Protestanten nützten den rechten Augenblick und ernteten die Saat. Die Katholiken
wandten sich hilfesuchend an den deutschen Kaiser, und im April 1691 traf der
kaiserliche Jnternuntius Kurz von Wien in Moskau ein, um mit allen Mitteln
der Überredungskunst die Zurückberufung der Jesuiten nach Rußland durchzusetzen.
Es wurde ihm von der moskowitischen Regierung erklärt, man wolle keine
Jesuiten wieder in Moskau zulassen, und erst nach langwierigen Unterhand¬
lungen erhielten die Katholiken von Moskau zwei Priester zugestanden. Der
Jnternuntius kehrte, mit dem Erfolge seiner Sendung zufrieden, nach Wien
zurück und entsandte von dort seinen Stiefsohn Otto Pieper nach Moskau, mit
diesem reisten zwei weltliche Priester von der Olmützer Diözese. Im November
1692 trafen die drei in Moskau glücklich ein, und die beiden Geistlichen, Löffler
und Jarosch, machten sich rüstig an ihr Werk. Doch mißfiel es ihnen in dem
barbarischen Lande und sehnsüchtig erwarteten sie den Tag ihrer Abberufung
zur Rückkehr in die Heimat.

Anders der junge Pieper. Er fühlte sich wohl im Getriebe der alten
Zarenstadt. Der Kaiser empfahl ihn dem zarischen Schutze; er sollte in einigen
Jahren die russische Sprache erlernen, um sich dann in Wien als Übersetzer
nützlich zu erweisen. Die moskowitische Regierung schrieb — nicht eben höflich —
Pieper vor, daß er in der Sloboda, d. i. in der deutschen Vorstadt, verborgen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0478" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/325348"/>
          <fw type="header" place="top"> Peter der Große und die Jesuiten</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2172" prev="#ID_2171"> schreibt in seiner &#x201E;Oft begehrten Orientalischen Reise": &#x201E;Die Muskowiter können<lb/>
sonst allerhand Nationen und Religionen wohl bei sich dulden, ausgenommen<lb/>
Juden und Papisten, welche sie nicht gerne hören noch sehen mögen. Die<lb/>
Lutheraner aber und die Calvinisten sind bei ihnen wohl gelitten."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2173"> Eine Wendung zugunsten der Katholiken vollzog sich nach dem Tode des<lb/>
Zaren Alexis, als sein Sohn Feodor, Peters des Großen ältester Bruder, den<lb/>
Thron bestieg. Er war mit einer Polin verheiratet und versprach den Katholiken<lb/>
Kirchen und Schulen zu errichten. Nach seinem frühen Tode brachte die Regentschaft<lb/>
der Prinzessin Sophie, Peters Schwester, den Katholiken bedeutenden Gewinn.<lb/>
Der Günstling Sophiens, Fürst Basel Golizrm, leitete Rußland in die Bahnen<lb/>
einer höheren Kultur. Während Sophiens Regierung konnte Kaiser Leopold<lb/>
mit Ernst und Nachdruck für die Katholiken in Moskau eintreten. Den eifrigsten<lb/>
Förderer seiner Herzenssache fand er dort in dem katholischen Schotten General<lb/>
Patrick Gordon. Dieser genoß die Gunst Golizyns, und ihm vor allen ist es<lb/>
zuzuschreiben, daß katholische Priester und Jesuiten in Moskau zugelassen wurden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2174"> Aber schon im Jahre 1689 hatte die Freude ein Ende. Es war ein in<lb/>
vieler Beziehung denkwürdiges Jahr für Moskau: es brachte den Sturz der<lb/>
Regentschaft Sophiens, Basel Golizpns Verbannung, den Sieg des tatkräftigen<lb/>
jungen Zaren Peter, den Katholiken die Ausweisung der Jesuitenpater. Der<lb/>
katholische Gordon wurde unmerklich von dem Genfer Lefort beiseite geschoben.<lb/>
Nun umklammerten die Protestanten den jungen Selbstherrscher mit einem festen<lb/>
Ringe. Zar Peter verlangte von seinen Russen, daß sie bei den Protestanten in die<lb/>
Schule gehen sollten. Vergeblich wehrte sich die altrussische Partei dagegen. Die<lb/>
Protestanten nützten den rechten Augenblick und ernteten die Saat. Die Katholiken<lb/>
wandten sich hilfesuchend an den deutschen Kaiser, und im April 1691 traf der<lb/>
kaiserliche Jnternuntius Kurz von Wien in Moskau ein, um mit allen Mitteln<lb/>
der Überredungskunst die Zurückberufung der Jesuiten nach Rußland durchzusetzen.<lb/>
Es wurde ihm von der moskowitischen Regierung erklärt, man wolle keine<lb/>
Jesuiten wieder in Moskau zulassen, und erst nach langwierigen Unterhand¬<lb/>
lungen erhielten die Katholiken von Moskau zwei Priester zugestanden. Der<lb/>
Jnternuntius kehrte, mit dem Erfolge seiner Sendung zufrieden, nach Wien<lb/>
zurück und entsandte von dort seinen Stiefsohn Otto Pieper nach Moskau, mit<lb/>
diesem reisten zwei weltliche Priester von der Olmützer Diözese. Im November<lb/>
1692 trafen die drei in Moskau glücklich ein, und die beiden Geistlichen, Löffler<lb/>
und Jarosch, machten sich rüstig an ihr Werk. Doch mißfiel es ihnen in dem<lb/>
barbarischen Lande und sehnsüchtig erwarteten sie den Tag ihrer Abberufung<lb/>
zur Rückkehr in die Heimat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2175" next="#ID_2176"> Anders der junge Pieper. Er fühlte sich wohl im Getriebe der alten<lb/>
Zarenstadt. Der Kaiser empfahl ihn dem zarischen Schutze; er sollte in einigen<lb/>
Jahren die russische Sprache erlernen, um sich dann in Wien als Übersetzer<lb/>
nützlich zu erweisen. Die moskowitische Regierung schrieb &#x2014; nicht eben höflich &#x2014;<lb/>
Pieper vor, daß er in der Sloboda, d. i. in der deutschen Vorstadt, verborgen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0478] Peter der Große und die Jesuiten schreibt in seiner „Oft begehrten Orientalischen Reise": „Die Muskowiter können sonst allerhand Nationen und Religionen wohl bei sich dulden, ausgenommen Juden und Papisten, welche sie nicht gerne hören noch sehen mögen. Die Lutheraner aber und die Calvinisten sind bei ihnen wohl gelitten." Eine Wendung zugunsten der Katholiken vollzog sich nach dem Tode des Zaren Alexis, als sein Sohn Feodor, Peters des Großen ältester Bruder, den Thron bestieg. Er war mit einer Polin verheiratet und versprach den Katholiken Kirchen und Schulen zu errichten. Nach seinem frühen Tode brachte die Regentschaft der Prinzessin Sophie, Peters Schwester, den Katholiken bedeutenden Gewinn. Der Günstling Sophiens, Fürst Basel Golizrm, leitete Rußland in die Bahnen einer höheren Kultur. Während Sophiens Regierung konnte Kaiser Leopold mit Ernst und Nachdruck für die Katholiken in Moskau eintreten. Den eifrigsten Förderer seiner Herzenssache fand er dort in dem katholischen Schotten General Patrick Gordon. Dieser genoß die Gunst Golizyns, und ihm vor allen ist es zuzuschreiben, daß katholische Priester und Jesuiten in Moskau zugelassen wurden. Aber schon im Jahre 1689 hatte die Freude ein Ende. Es war ein in vieler Beziehung denkwürdiges Jahr für Moskau: es brachte den Sturz der Regentschaft Sophiens, Basel Golizpns Verbannung, den Sieg des tatkräftigen jungen Zaren Peter, den Katholiken die Ausweisung der Jesuitenpater. Der katholische Gordon wurde unmerklich von dem Genfer Lefort beiseite geschoben. Nun umklammerten die Protestanten den jungen Selbstherrscher mit einem festen Ringe. Zar Peter verlangte von seinen Russen, daß sie bei den Protestanten in die Schule gehen sollten. Vergeblich wehrte sich die altrussische Partei dagegen. Die Protestanten nützten den rechten Augenblick und ernteten die Saat. Die Katholiken wandten sich hilfesuchend an den deutschen Kaiser, und im April 1691 traf der kaiserliche Jnternuntius Kurz von Wien in Moskau ein, um mit allen Mitteln der Überredungskunst die Zurückberufung der Jesuiten nach Rußland durchzusetzen. Es wurde ihm von der moskowitischen Regierung erklärt, man wolle keine Jesuiten wieder in Moskau zulassen, und erst nach langwierigen Unterhand¬ lungen erhielten die Katholiken von Moskau zwei Priester zugestanden. Der Jnternuntius kehrte, mit dem Erfolge seiner Sendung zufrieden, nach Wien zurück und entsandte von dort seinen Stiefsohn Otto Pieper nach Moskau, mit diesem reisten zwei weltliche Priester von der Olmützer Diözese. Im November 1692 trafen die drei in Moskau glücklich ein, und die beiden Geistlichen, Löffler und Jarosch, machten sich rüstig an ihr Werk. Doch mißfiel es ihnen in dem barbarischen Lande und sehnsüchtig erwarteten sie den Tag ihrer Abberufung zur Rückkehr in die Heimat. Anders der junge Pieper. Er fühlte sich wohl im Getriebe der alten Zarenstadt. Der Kaiser empfahl ihn dem zarischen Schutze; er sollte in einigen Jahren die russische Sprache erlernen, um sich dann in Wien als Übersetzer nützlich zu erweisen. Die moskowitische Regierung schrieb — nicht eben höflich — Pieper vor, daß er in der Sloboda, d. i. in der deutschen Vorstadt, verborgen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/478
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/478>, abgerufen am 22.07.2024.