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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Die Träger der inneren Kolonisation in Preußen

im Sommer 1912 bei dem Oberpräsidium in Hannover die erste Moorstelle in
Wirksamkeit trat. Ihr gehören ein höherer Verwaltungsbeamter, ein Melio¬
rationsbeamter und ein Landwirt an. Für die Durchführung ihrer Arbeiten
steht der Moorstelle für das laufende Jahr ein Betrag von 400000 Mark zur
Verfügung, den je zur Hälfte Staat und Provinz bereitgestellt haben. Die
Moorstelle hat die Ausgabe, alle in der Provinz bei der praktischen Förderung
der Moorkultur gemachten Erfahrungen zu sammeln und durch Anregungen
und Belehrungen zu verwerten. Ihr fällt die Aufgabe zu. das Hauptnetz für
die Vorflut und die Zuwegungen der Ödlandsgebiete zu entwerfen und dafür
zu sorgen, daß sich die Einzelprojekte in dieses Netz sachgemäß einfügen. Sie
hat bei dem Zusammenschluß der Träger des Unternehmens sowie bei der
Aufstellung des Finanzierungsplanes mitzuwirken und dabei Vorschläge zu
machen sür etwaige aus dem Fonds zu gewährende Beihilfen.

Im Gegensatze zu Hannover ist die Landkulturkommission, nebst der ihr
unterstellten Landkulturstelle für Schleswig-Holstein, der Kieler Landwirtschafts¬
kammer angegliedert.

Im Rahmen dieser knappen Darstellung konnte neben der notwendigen
prinzipiellen Erörterung der Frage die konkrete Organisation der inneren Kolo¬
nisation nur in ihren wesentlichen Zügen gezeichnet werden. Die Organisation
bedeutet für die ihr anvertrauten Aufgaben viel, aber sie bedeutet doch nicht
alles. Letzten Endes kommt es darauf an, daß in den Organisationen, zu¬
vörderst an den maßgebenden Stellen, Männer wirken, die erfüllt sind von echt
kolonisatorischem Geist, denen die Sache wirklich am Herzen liegt, die mit Leib
und Seele dabei sind, die -- um eines symptomatischen Vorganges in der
landwirtschaftlichen Woche zu gedenken -- "für" die innere Kolonisation sind.
Wie draußen in unseren Überseekolonien brauchen wir auch für die Durchführung
des heimischen Siedlungswerkes gewisse Persönlichkeitsfaktoren: neben der
Begeisterung für die Sache eine unermüdliche Ausdauer, auch wenn die Erfolge
nicht von heut auf morgen winken, und ein Nichterlahmen gegenüber Hinder¬
nissen und Hemmungen, die noch keinem Kolonisator erspart blieben. Wissen
wir doch, daß Friedrich der Große den Widerstand seiner eigenen Beamten zu
besiegen hatte. Zweckmäßige Organisationen und die rechten Männer in ihrer
Mittel Beides gehört eng zusammen. Die Organisationen sind noch jung und
entwicklungsfähig. Sie sind ausbaufähig und werden ständig ausgebaut. Das
eine darf alle Freunde der inneren Kolonisation mit Genugtuung erfüllen, daß
unsere Zeit eine stattliche Zahl von führenden Männern aufweist, die von der
Notwendigkeit der großen Besiedlungsaufgaben durchdrungen, sich für ihre Ver-
wirklichung einzusetzen bereit sind. Als besonders günstig muß der Umstand
bezeichnet werden, daß der gegenwärtige Landwirtschaftsminister als maßgebendste
amtliche Instanz dem gesamten Siedlungsproblem stets mit tiefem Verständnis
und weitem Blick gegenübergetreten ist. Wenn die preußische Staatsregierung
jetzt entschlossen ist. die innere Kolonisation in verstärktem Maße durchzuführen.


Wrenzbotcn l 1913 ^
Die Träger der inneren Kolonisation in Preußen

im Sommer 1912 bei dem Oberpräsidium in Hannover die erste Moorstelle in
Wirksamkeit trat. Ihr gehören ein höherer Verwaltungsbeamter, ein Melio¬
rationsbeamter und ein Landwirt an. Für die Durchführung ihrer Arbeiten
steht der Moorstelle für das laufende Jahr ein Betrag von 400000 Mark zur
Verfügung, den je zur Hälfte Staat und Provinz bereitgestellt haben. Die
Moorstelle hat die Ausgabe, alle in der Provinz bei der praktischen Förderung
der Moorkultur gemachten Erfahrungen zu sammeln und durch Anregungen
und Belehrungen zu verwerten. Ihr fällt die Aufgabe zu. das Hauptnetz für
die Vorflut und die Zuwegungen der Ödlandsgebiete zu entwerfen und dafür
zu sorgen, daß sich die Einzelprojekte in dieses Netz sachgemäß einfügen. Sie
hat bei dem Zusammenschluß der Träger des Unternehmens sowie bei der
Aufstellung des Finanzierungsplanes mitzuwirken und dabei Vorschläge zu
machen sür etwaige aus dem Fonds zu gewährende Beihilfen.

Im Gegensatze zu Hannover ist die Landkulturkommission, nebst der ihr
unterstellten Landkulturstelle für Schleswig-Holstein, der Kieler Landwirtschafts¬
kammer angegliedert.

Im Rahmen dieser knappen Darstellung konnte neben der notwendigen
prinzipiellen Erörterung der Frage die konkrete Organisation der inneren Kolo¬
nisation nur in ihren wesentlichen Zügen gezeichnet werden. Die Organisation
bedeutet für die ihr anvertrauten Aufgaben viel, aber sie bedeutet doch nicht
alles. Letzten Endes kommt es darauf an, daß in den Organisationen, zu¬
vörderst an den maßgebenden Stellen, Männer wirken, die erfüllt sind von echt
kolonisatorischem Geist, denen die Sache wirklich am Herzen liegt, die mit Leib
und Seele dabei sind, die — um eines symptomatischen Vorganges in der
landwirtschaftlichen Woche zu gedenken — „für" die innere Kolonisation sind.
Wie draußen in unseren Überseekolonien brauchen wir auch für die Durchführung
des heimischen Siedlungswerkes gewisse Persönlichkeitsfaktoren: neben der
Begeisterung für die Sache eine unermüdliche Ausdauer, auch wenn die Erfolge
nicht von heut auf morgen winken, und ein Nichterlahmen gegenüber Hinder¬
nissen und Hemmungen, die noch keinem Kolonisator erspart blieben. Wissen
wir doch, daß Friedrich der Große den Widerstand seiner eigenen Beamten zu
besiegen hatte. Zweckmäßige Organisationen und die rechten Männer in ihrer
Mittel Beides gehört eng zusammen. Die Organisationen sind noch jung und
entwicklungsfähig. Sie sind ausbaufähig und werden ständig ausgebaut. Das
eine darf alle Freunde der inneren Kolonisation mit Genugtuung erfüllen, daß
unsere Zeit eine stattliche Zahl von führenden Männern aufweist, die von der
Notwendigkeit der großen Besiedlungsaufgaben durchdrungen, sich für ihre Ver-
wirklichung einzusetzen bereit sind. Als besonders günstig muß der Umstand
bezeichnet werden, daß der gegenwärtige Landwirtschaftsminister als maßgebendste
amtliche Instanz dem gesamten Siedlungsproblem stets mit tiefem Verständnis
und weitem Blick gegenübergetreten ist. Wenn die preußische Staatsregierung
jetzt entschlossen ist. die innere Kolonisation in verstärktem Maße durchzuführen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/469>, abgerufen am 04.07.2024.