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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Die Träger der inneren Kolonisation in Preußen

Eine wichtige und glückliche Ergänzung der Kolonisationstätigkeit sowohl
des Staates als auch der Ansiedlungsgesellschaften bilden die Kleinsiedlungs¬
genossenschaften. Die Kleinsiedlung, unter der wir wie gesagt nicht nur die
Seßhaftmachung von landwirtschaftlichen, sondern auch von gewerblichen
Arbeitern und Handwerkern verstehen, stellt ein äußerst schwieriges Unternehmen
dar. In der Praxis ergab sich bald die Notwendigkeit, für diesen besonders¬
artigen Zweig der inneren Kolonisation selbständige kolonisatorische Organi¬
sationen ins Leben zu rufen und zwar in Form kleinerer Genossenschaften,
deren Tätigkeitsfeld sich in der Regel nicht über einen Kreis hinaus ausdehnt.
Diese sogenannten Kleinsiedlungsgenossenschaften haben trotz ihres oft recht
geringen Kapitals schon ersprießliches geleistet. Gerade für die ihnen obliegende
Kleinarbeit erscheinen sie im allgemeinen geeigneter als die großen Ansiedlungs¬
gesellschaften, die für diesen besonderen Zweck zu teuer, zu schwerfällig und auch
wohl zu wenig ortskundig arbeiten würden. Den größten Aufschwung haben die
Kleinstedlungsgenofsenschaften in der Ostmark genommen. Außerhalb derselben
befinden sie sich erst im langsamen Vordringen. Im Jahre 1911 waren in
der Provinz Posen vierundzwanzig, in der Provinz Westpreußen sieben kleine
tätig. Sowohl über die Tätigkeit der gemeinnützigen Gesellschaften, wie dieser Klein¬
siedlungsgenossenschaften berichtet alljährlich das Archiv für innere Kolonisation.

In der Arbeiteransiedlung sind, von der Siedlungstätigkeit einzelner Gro߬
grundbesitzer abgesehen, neben dem Domänenfiskus neuerdings auch zahlreiche
Kreisverwaltungen mit Erfolg tätig, so im Osten u. a.: Osterode in Ostpr.,
Briefen, Kolberg - Körlin; in Hannover: Aurich, Blumenthal, Fallingbostel,
Burgdorf, Soltau.

Eine wichtige Ergänzung der Ansehung neuer Siedler bildet die Festigung
des Besitzes des alten deutschen Bauernstandes. Diese sogenannte Besitzfestigung
besteht darin, daß bäuerliche Stellen oder größere Güter in Rentengüter um¬
gewandelt werden und zwar in der Weise, daß die jederzeit kündbaren Grund¬
stücksschulden beseitigt und die Grundstücke dafür grundsätzlich nur mit unkünd¬
baren Abtragsschulden, nämlich soweit möglich, mit einem Darlehen der Landschaft
oder einer gemeinwirtschaftlichen Kreditanstalt und darüber hinaus mit einer
Abtragsrente des Staates belastet werden. Die so gebildeten Rentengüter dürfen
nur an solche Landwirte und Arbeiter veräußert werden, die dem Deutschtum
im nationalen Sinne angehören. Es handelt sich also um die wirtschaftliche
Stärkung und nationale Sicherung des deutschen Grundbesitzes. Dieses Ziel
erstrebt bekanntlich das preußische Besitzbefestigungsgesetz. Bisher ist die Besitz¬
befestigung nur in den Ansiedlungsprovinzen durchgeführt worden. Seit 1904
wirkt in dieser Richtung in der Provinz Posen die Deutsche Mittelstandskasse
mit dem Sitze in Posen, in Westpreußen seit 1906 die Deutsche Bauernbank
mit dem Sitze in Danzig.

Eine besondere Betrachtung würde die Organisation der Kultivierung und
Besiedlung der Ödländereien erfordern. Hier sei nur darauf hingewiesen, daß


Die Träger der inneren Kolonisation in Preußen

Eine wichtige und glückliche Ergänzung der Kolonisationstätigkeit sowohl
des Staates als auch der Ansiedlungsgesellschaften bilden die Kleinsiedlungs¬
genossenschaften. Die Kleinsiedlung, unter der wir wie gesagt nicht nur die
Seßhaftmachung von landwirtschaftlichen, sondern auch von gewerblichen
Arbeitern und Handwerkern verstehen, stellt ein äußerst schwieriges Unternehmen
dar. In der Praxis ergab sich bald die Notwendigkeit, für diesen besonders¬
artigen Zweig der inneren Kolonisation selbständige kolonisatorische Organi¬
sationen ins Leben zu rufen und zwar in Form kleinerer Genossenschaften,
deren Tätigkeitsfeld sich in der Regel nicht über einen Kreis hinaus ausdehnt.
Diese sogenannten Kleinsiedlungsgenossenschaften haben trotz ihres oft recht
geringen Kapitals schon ersprießliches geleistet. Gerade für die ihnen obliegende
Kleinarbeit erscheinen sie im allgemeinen geeigneter als die großen Ansiedlungs¬
gesellschaften, die für diesen besonderen Zweck zu teuer, zu schwerfällig und auch
wohl zu wenig ortskundig arbeiten würden. Den größten Aufschwung haben die
Kleinstedlungsgenofsenschaften in der Ostmark genommen. Außerhalb derselben
befinden sie sich erst im langsamen Vordringen. Im Jahre 1911 waren in
der Provinz Posen vierundzwanzig, in der Provinz Westpreußen sieben kleine
tätig. Sowohl über die Tätigkeit der gemeinnützigen Gesellschaften, wie dieser Klein¬
siedlungsgenossenschaften berichtet alljährlich das Archiv für innere Kolonisation.

In der Arbeiteransiedlung sind, von der Siedlungstätigkeit einzelner Gro߬
grundbesitzer abgesehen, neben dem Domänenfiskus neuerdings auch zahlreiche
Kreisverwaltungen mit Erfolg tätig, so im Osten u. a.: Osterode in Ostpr.,
Briefen, Kolberg - Körlin; in Hannover: Aurich, Blumenthal, Fallingbostel,
Burgdorf, Soltau.

Eine wichtige Ergänzung der Ansehung neuer Siedler bildet die Festigung
des Besitzes des alten deutschen Bauernstandes. Diese sogenannte Besitzfestigung
besteht darin, daß bäuerliche Stellen oder größere Güter in Rentengüter um¬
gewandelt werden und zwar in der Weise, daß die jederzeit kündbaren Grund¬
stücksschulden beseitigt und die Grundstücke dafür grundsätzlich nur mit unkünd¬
baren Abtragsschulden, nämlich soweit möglich, mit einem Darlehen der Landschaft
oder einer gemeinwirtschaftlichen Kreditanstalt und darüber hinaus mit einer
Abtragsrente des Staates belastet werden. Die so gebildeten Rentengüter dürfen
nur an solche Landwirte und Arbeiter veräußert werden, die dem Deutschtum
im nationalen Sinne angehören. Es handelt sich also um die wirtschaftliche
Stärkung und nationale Sicherung des deutschen Grundbesitzes. Dieses Ziel
erstrebt bekanntlich das preußische Besitzbefestigungsgesetz. Bisher ist die Besitz¬
befestigung nur in den Ansiedlungsprovinzen durchgeführt worden. Seit 1904
wirkt in dieser Richtung in der Provinz Posen die Deutsche Mittelstandskasse
mit dem Sitze in Posen, in Westpreußen seit 1906 die Deutsche Bauernbank
mit dem Sitze in Danzig.

Eine besondere Betrachtung würde die Organisation der Kultivierung und
Besiedlung der Ödländereien erfordern. Hier sei nur darauf hingewiesen, daß


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[0468] Die Träger der inneren Kolonisation in Preußen Eine wichtige und glückliche Ergänzung der Kolonisationstätigkeit sowohl des Staates als auch der Ansiedlungsgesellschaften bilden die Kleinsiedlungs¬ genossenschaften. Die Kleinsiedlung, unter der wir wie gesagt nicht nur die Seßhaftmachung von landwirtschaftlichen, sondern auch von gewerblichen Arbeitern und Handwerkern verstehen, stellt ein äußerst schwieriges Unternehmen dar. In der Praxis ergab sich bald die Notwendigkeit, für diesen besonders¬ artigen Zweig der inneren Kolonisation selbständige kolonisatorische Organi¬ sationen ins Leben zu rufen und zwar in Form kleinerer Genossenschaften, deren Tätigkeitsfeld sich in der Regel nicht über einen Kreis hinaus ausdehnt. Diese sogenannten Kleinsiedlungsgenossenschaften haben trotz ihres oft recht geringen Kapitals schon ersprießliches geleistet. Gerade für die ihnen obliegende Kleinarbeit erscheinen sie im allgemeinen geeigneter als die großen Ansiedlungs¬ gesellschaften, die für diesen besonderen Zweck zu teuer, zu schwerfällig und auch wohl zu wenig ortskundig arbeiten würden. Den größten Aufschwung haben die Kleinstedlungsgenofsenschaften in der Ostmark genommen. Außerhalb derselben befinden sie sich erst im langsamen Vordringen. Im Jahre 1911 waren in der Provinz Posen vierundzwanzig, in der Provinz Westpreußen sieben kleine tätig. Sowohl über die Tätigkeit der gemeinnützigen Gesellschaften, wie dieser Klein¬ siedlungsgenossenschaften berichtet alljährlich das Archiv für innere Kolonisation. In der Arbeiteransiedlung sind, von der Siedlungstätigkeit einzelner Gro߬ grundbesitzer abgesehen, neben dem Domänenfiskus neuerdings auch zahlreiche Kreisverwaltungen mit Erfolg tätig, so im Osten u. a.: Osterode in Ostpr., Briefen, Kolberg - Körlin; in Hannover: Aurich, Blumenthal, Fallingbostel, Burgdorf, Soltau. Eine wichtige Ergänzung der Ansehung neuer Siedler bildet die Festigung des Besitzes des alten deutschen Bauernstandes. Diese sogenannte Besitzfestigung besteht darin, daß bäuerliche Stellen oder größere Güter in Rentengüter um¬ gewandelt werden und zwar in der Weise, daß die jederzeit kündbaren Grund¬ stücksschulden beseitigt und die Grundstücke dafür grundsätzlich nur mit unkünd¬ baren Abtragsschulden, nämlich soweit möglich, mit einem Darlehen der Landschaft oder einer gemeinwirtschaftlichen Kreditanstalt und darüber hinaus mit einer Abtragsrente des Staates belastet werden. Die so gebildeten Rentengüter dürfen nur an solche Landwirte und Arbeiter veräußert werden, die dem Deutschtum im nationalen Sinne angehören. Es handelt sich also um die wirtschaftliche Stärkung und nationale Sicherung des deutschen Grundbesitzes. Dieses Ziel erstrebt bekanntlich das preußische Besitzbefestigungsgesetz. Bisher ist die Besitz¬ befestigung nur in den Ansiedlungsprovinzen durchgeführt worden. Seit 1904 wirkt in dieser Richtung in der Provinz Posen die Deutsche Mittelstandskasse mit dem Sitze in Posen, in Westpreußen seit 1906 die Deutsche Bauernbank mit dem Sitze in Danzig. Eine besondere Betrachtung würde die Organisation der Kultivierung und Besiedlung der Ödländereien erfordern. Hier sei nur darauf hingewiesen, daß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/468>, abgerufen am 04.07.2024.