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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Die Träger der inneren Kolonisation in Preußen

die Vermittler so gut wie ganz auszuschalten, da diese nicht imstande waren,
die vorhandene Lücke auszufüllen. Diese Ausschaltung hatte nun aber einen
Rückgang des Umfanges der Rentengutsbildung zur Folge.

Die Notwendigkeit technischer Besiedlungsinstanzen erhellt aber ein einfacher
Hinweis auf die Hauptpunkte des Besiedlungsvorganges. Die Auswahl und
der Ankauf des Gutes, die zwischenzeitliche Verwaltung, die Aufstellung des
Einteilungsplanes, die Herbeischaffung der Käufer, die Errichtung der Gebäude,
die Regelung der Geldfrage: alles das setzt auf feiten des Kolonisators nicht
nur große Geschäftsgewandtheit, sondern vor allem auch reiche Sachkunde
voraus, wenn lebensfähige Besiedlungen begründet werden sollen. Zugleich
muß aber auch der Kolonisator imstande sein, den gemeinwirtschaftlichen und
volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten, die mit dem Gedeihen der Siedlung ver¬
knüpft sind, gerecht zu werden. Die innere Kolonisation ist in ihrer Durch¬
führung unbedingt ein Handelsunternehmen: es wird Boden "en gros" (Güter)
eingekauft, aufgeteilt und als Rentengüter "en detail" verkauft. Die innere
Kolonisation stellt aber auch ein gemeinnütziges, soziales Unternehmen dar: sie
ruft neue Siedlungen ins Leben, baut neue Gemeinwesen auf, schafft neue
örtliche Kultur- und Wirtschaftsgemeinschaften oder gliedert Menschen in bestehende
an oder ein. Menschen ansiedeln, bedeutet ihnen Heim und Nahrung geben,
Nahrung in jenem mittelalterlichen Sinne, in dem es bei den Zünften hieß:
Handwerk geht auf Nahrung. Die innere Kolonisation hat, mit anderen Worten,
Existenzgrundlagen zu schaffen und zu sichern.

Dieser Doppelcharakter der inneren Kolonisation muß entsprechend auch in
der Organisation des Kolonisationsunternehmens zum Ausdruck gelangen. Im
Prinzip gibt es zwei Wege: entweder begründet man ein spezifisch gemein¬
nütziges Unternehmen, das zugleich geschäftstüchtig ist, oder es werden an sich
reine Geschäftsunternehmungen zugelassen, die in ihrer Leitung die Gewähr
bieten, daß die sozialen Aufgaben der inneren Kolonisation durch sie in gemein¬
nütziger Weise durchgeführt werden.

Grundsätzlich werden heute mit der Durchführung der Rentengutsbildung
gemeinnützige Ansiedlungsgesellschaften betraut. Sie sind, von der national¬
politischen Siedlungsarbeit abgesehen, vornehmlich die modernen Kolonisatoren.




Als erste gemeinnützige Ansiedlungsgesellschaft wurde im Jahre 1898 auf
Anregung des damaligen "Ausschusses für Wohlfahrtspflege auf dem Lande",
des jetzigen "Deutschen Vereins für ländliche Wohlfahrts- und Heimatpflege",
die Deutsche Ansiedlungsgesellschaft G.in. b.H. zu Berlin begründet. Um ihre
Gründung haben sich besonders verdient gemacht die beiden hervorragenden
Träger der ländlichen Wohlfahrtsarbeit Exzellenz Thiel und Professor Heinrich
Sohnrey, sowie der damalige Präsident der Generalkommission Frankfurt a. O.
und jetzige Präsident des Oberlandeskulturgerichts Dr. Metz.


Die Träger der inneren Kolonisation in Preußen

die Vermittler so gut wie ganz auszuschalten, da diese nicht imstande waren,
die vorhandene Lücke auszufüllen. Diese Ausschaltung hatte nun aber einen
Rückgang des Umfanges der Rentengutsbildung zur Folge.

Die Notwendigkeit technischer Besiedlungsinstanzen erhellt aber ein einfacher
Hinweis auf die Hauptpunkte des Besiedlungsvorganges. Die Auswahl und
der Ankauf des Gutes, die zwischenzeitliche Verwaltung, die Aufstellung des
Einteilungsplanes, die Herbeischaffung der Käufer, die Errichtung der Gebäude,
die Regelung der Geldfrage: alles das setzt auf feiten des Kolonisators nicht
nur große Geschäftsgewandtheit, sondern vor allem auch reiche Sachkunde
voraus, wenn lebensfähige Besiedlungen begründet werden sollen. Zugleich
muß aber auch der Kolonisator imstande sein, den gemeinwirtschaftlichen und
volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten, die mit dem Gedeihen der Siedlung ver¬
knüpft sind, gerecht zu werden. Die innere Kolonisation ist in ihrer Durch¬
führung unbedingt ein Handelsunternehmen: es wird Boden „en gros" (Güter)
eingekauft, aufgeteilt und als Rentengüter „en detail" verkauft. Die innere
Kolonisation stellt aber auch ein gemeinnütziges, soziales Unternehmen dar: sie
ruft neue Siedlungen ins Leben, baut neue Gemeinwesen auf, schafft neue
örtliche Kultur- und Wirtschaftsgemeinschaften oder gliedert Menschen in bestehende
an oder ein. Menschen ansiedeln, bedeutet ihnen Heim und Nahrung geben,
Nahrung in jenem mittelalterlichen Sinne, in dem es bei den Zünften hieß:
Handwerk geht auf Nahrung. Die innere Kolonisation hat, mit anderen Worten,
Existenzgrundlagen zu schaffen und zu sichern.

Dieser Doppelcharakter der inneren Kolonisation muß entsprechend auch in
der Organisation des Kolonisationsunternehmens zum Ausdruck gelangen. Im
Prinzip gibt es zwei Wege: entweder begründet man ein spezifisch gemein¬
nütziges Unternehmen, das zugleich geschäftstüchtig ist, oder es werden an sich
reine Geschäftsunternehmungen zugelassen, die in ihrer Leitung die Gewähr
bieten, daß die sozialen Aufgaben der inneren Kolonisation durch sie in gemein¬
nütziger Weise durchgeführt werden.

Grundsätzlich werden heute mit der Durchführung der Rentengutsbildung
gemeinnützige Ansiedlungsgesellschaften betraut. Sie sind, von der national¬
politischen Siedlungsarbeit abgesehen, vornehmlich die modernen Kolonisatoren.




Als erste gemeinnützige Ansiedlungsgesellschaft wurde im Jahre 1898 auf
Anregung des damaligen „Ausschusses für Wohlfahrtspflege auf dem Lande",
des jetzigen „Deutschen Vereins für ländliche Wohlfahrts- und Heimatpflege",
die Deutsche Ansiedlungsgesellschaft G.in. b.H. zu Berlin begründet. Um ihre
Gründung haben sich besonders verdient gemacht die beiden hervorragenden
Träger der ländlichen Wohlfahrtsarbeit Exzellenz Thiel und Professor Heinrich
Sohnrey, sowie der damalige Präsident der Generalkommission Frankfurt a. O.
und jetzige Präsident des Oberlandeskulturgerichts Dr. Metz.


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[0463] Die Träger der inneren Kolonisation in Preußen die Vermittler so gut wie ganz auszuschalten, da diese nicht imstande waren, die vorhandene Lücke auszufüllen. Diese Ausschaltung hatte nun aber einen Rückgang des Umfanges der Rentengutsbildung zur Folge. Die Notwendigkeit technischer Besiedlungsinstanzen erhellt aber ein einfacher Hinweis auf die Hauptpunkte des Besiedlungsvorganges. Die Auswahl und der Ankauf des Gutes, die zwischenzeitliche Verwaltung, die Aufstellung des Einteilungsplanes, die Herbeischaffung der Käufer, die Errichtung der Gebäude, die Regelung der Geldfrage: alles das setzt auf feiten des Kolonisators nicht nur große Geschäftsgewandtheit, sondern vor allem auch reiche Sachkunde voraus, wenn lebensfähige Besiedlungen begründet werden sollen. Zugleich muß aber auch der Kolonisator imstande sein, den gemeinwirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten, die mit dem Gedeihen der Siedlung ver¬ knüpft sind, gerecht zu werden. Die innere Kolonisation ist in ihrer Durch¬ führung unbedingt ein Handelsunternehmen: es wird Boden „en gros" (Güter) eingekauft, aufgeteilt und als Rentengüter „en detail" verkauft. Die innere Kolonisation stellt aber auch ein gemeinnütziges, soziales Unternehmen dar: sie ruft neue Siedlungen ins Leben, baut neue Gemeinwesen auf, schafft neue örtliche Kultur- und Wirtschaftsgemeinschaften oder gliedert Menschen in bestehende an oder ein. Menschen ansiedeln, bedeutet ihnen Heim und Nahrung geben, Nahrung in jenem mittelalterlichen Sinne, in dem es bei den Zünften hieß: Handwerk geht auf Nahrung. Die innere Kolonisation hat, mit anderen Worten, Existenzgrundlagen zu schaffen und zu sichern. Dieser Doppelcharakter der inneren Kolonisation muß entsprechend auch in der Organisation des Kolonisationsunternehmens zum Ausdruck gelangen. Im Prinzip gibt es zwei Wege: entweder begründet man ein spezifisch gemein¬ nütziges Unternehmen, das zugleich geschäftstüchtig ist, oder es werden an sich reine Geschäftsunternehmungen zugelassen, die in ihrer Leitung die Gewähr bieten, daß die sozialen Aufgaben der inneren Kolonisation durch sie in gemein¬ nütziger Weise durchgeführt werden. Grundsätzlich werden heute mit der Durchführung der Rentengutsbildung gemeinnützige Ansiedlungsgesellschaften betraut. Sie sind, von der national¬ politischen Siedlungsarbeit abgesehen, vornehmlich die modernen Kolonisatoren. Als erste gemeinnützige Ansiedlungsgesellschaft wurde im Jahre 1898 auf Anregung des damaligen „Ausschusses für Wohlfahrtspflege auf dem Lande", des jetzigen „Deutschen Vereins für ländliche Wohlfahrts- und Heimatpflege", die Deutsche Ansiedlungsgesellschaft G.in. b.H. zu Berlin begründet. Um ihre Gründung haben sich besonders verdient gemacht die beiden hervorragenden Träger der ländlichen Wohlfahrtsarbeit Exzellenz Thiel und Professor Heinrich Sohnrey, sowie der damalige Präsident der Generalkommission Frankfurt a. O. und jetzige Präsident des Oberlandeskulturgerichts Dr. Metz.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/463>, abgerufen am 22.12.2024.