Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.Die Deutschen in Rumänien beachtenswerten Umfange stattfanden und auch hier erst seit wenigen Jahrzehnten Ganz hervorragend ist der deutsche Einfluß auf die Entwicklung der städtischen 27
Die Deutschen in Rumänien beachtenswerten Umfange stattfanden und auch hier erst seit wenigen Jahrzehnten Ganz hervorragend ist der deutsche Einfluß auf die Entwicklung der städtischen 27
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0423" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/325293"/> <fw type="header" place="top"> Die Deutschen in Rumänien</fw><lb/> <p xml:id="ID_1851" prev="#ID_1850"> beachtenswerten Umfange stattfanden und auch hier erst seit wenigen Jahrzehnten<lb/> bestehen. Und doch wären deutsche Musterdörfer für Rumänien überaus nötig. Denn<lb/> noch heute ist das rumänische Bauernhaus sehr primitiv; die rumänische Bäuerin<lb/> bäckt noch immer gewisse Fladen unter der primitiven Backglocke oder auf<lb/> vorher erhitzten Steinen; Ställe für den Winteraufenthalt des Viehs fehlen, so<lb/> daß das Kleinvieh gegen das rauhe Wetter im Hause selbst Unterschlupf suchen<lb/> nutz; das Düngen der Felder ist dem Bauer so gut wie unbekannt; seine Ernte<lb/> verdankt er der Fruchtbarkeit des Bodens, der er höchstens durch Bräche nach¬<lb/> hilft; von Klee- und Gemüseland ist kaum eine Spur zu finden. Auch die<lb/> Viehzucht läßt viel zu wünschen übrig; Pferde und Rinder von gutem Schlag<lb/> sind selten, die Wartung ist schlecht, die Milchwirtschaft unentwickelt. Auf die<lb/> Hebung der Landwirtschaft auf den Gutshöfen haben deutsche Verwalter un¬<lb/> streitig Einfluß gewonnen; die ersten Göpel- und Dampfdreschmaschinen wurden<lb/> um 1860 von Deutschen in Verwendung gebracht. Ein fördernder Einfluß der<lb/> deutschen Bauern in der Dobrudscha auf die aus Bulgaren, Rumänen, Türken<lb/> und Tataren bestehende Bevölkerung wird schon jetzt festgestellt. Ihre Häuser<lb/> zeichnen sich durch größere Sauberkeit aus; trotz ihrer einfachen Bauart und<lb/> schlichten inneren Einrichtung müssen sie gegenüber den Hütten und Erdhöhlen<lb/> der einheimischen Bevölkerung als anstrebenswerte Muster erscheinen. Ihr Fleiß<lb/> und ihre bessere Wirtschaft findet schon darin ihren Ausdruck, daß viele von<lb/> ihnen als arme Knechte und Mägde einwanderten, nach zwei Jahrzehnten aber<lb/> schon trotz der rechtlosen Zuständen, der Bedrückung durch die türkischen Beamten<lb/> und räuberischen Überfällen wohlhabend waren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1852"> Ganz hervorragend ist der deutsche Einfluß auf die Entwicklung der städtischen<lb/> Kultur in Rumänien. Die moderne Entwicklung der rumänischen Städte ist zum<lb/> großen Teil ein Werk der Deutschen. Nach übereinstimmenden Nachrichten boten<lb/> diese Städte, Bukarest und Jassy nicht ausgenommen, noch in der ersten Hälfte des<lb/> neunzehnten Jahrhunderts ein jämmerliches Bild; es waren orientalische Orte mit<lb/> engen, krummen Gassen; Erdhütten standen inmitten der Häuser; auf den Wegen<lb/> erstickte man entweder im Staub oder man blieb im Schmutz stecken. Von<lb/> Jassy wird ausdrücklich berichtet (1848), daß die „Deutschen und Juden erst<lb/> vor kurzem angefangen haben, einige städtische und mehr zusammenhängende<lb/> Häuser zu bauen, wodurch manche Straßen endlich zeigen, daß vielleicht aus<lb/> diesem Chaos einst eine Stadt werden könnte". In Bukarest stellte der Öster¬<lb/> reicher Freywald 1824 bis 1826 die Straßenpflasterung her; Ernst Meyer aus<lb/> Sachsen entwarf 1824 den ersten Plan zur Rohrwasserleitung; der Wiener<lb/> Brenner errichtete 1828/29 das erste Hotel mit einer Gartenanlage und der<lb/> Major von Brotzin. ein Deutscher, vermaß etwas später wohl zum erstenmal<lb/> die Ausdehnung der Stadt, als es sich um die Ausgestaltung des Straßennetzes<lb/> und der Wasserleitung handelte. Erwähnt sei auch, daß in Bukarest eine Reihe<lb/> der hervorragendsten Bauten von deutschen Meistern, wie Gotterau, Heft, spert,<lb/> Dombaumeister Schmidt aus Wien und anderen errichtet wurden.*</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 27</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0423]
Die Deutschen in Rumänien
beachtenswerten Umfange stattfanden und auch hier erst seit wenigen Jahrzehnten
bestehen. Und doch wären deutsche Musterdörfer für Rumänien überaus nötig. Denn
noch heute ist das rumänische Bauernhaus sehr primitiv; die rumänische Bäuerin
bäckt noch immer gewisse Fladen unter der primitiven Backglocke oder auf
vorher erhitzten Steinen; Ställe für den Winteraufenthalt des Viehs fehlen, so
daß das Kleinvieh gegen das rauhe Wetter im Hause selbst Unterschlupf suchen
nutz; das Düngen der Felder ist dem Bauer so gut wie unbekannt; seine Ernte
verdankt er der Fruchtbarkeit des Bodens, der er höchstens durch Bräche nach¬
hilft; von Klee- und Gemüseland ist kaum eine Spur zu finden. Auch die
Viehzucht läßt viel zu wünschen übrig; Pferde und Rinder von gutem Schlag
sind selten, die Wartung ist schlecht, die Milchwirtschaft unentwickelt. Auf die
Hebung der Landwirtschaft auf den Gutshöfen haben deutsche Verwalter un¬
streitig Einfluß gewonnen; die ersten Göpel- und Dampfdreschmaschinen wurden
um 1860 von Deutschen in Verwendung gebracht. Ein fördernder Einfluß der
deutschen Bauern in der Dobrudscha auf die aus Bulgaren, Rumänen, Türken
und Tataren bestehende Bevölkerung wird schon jetzt festgestellt. Ihre Häuser
zeichnen sich durch größere Sauberkeit aus; trotz ihrer einfachen Bauart und
schlichten inneren Einrichtung müssen sie gegenüber den Hütten und Erdhöhlen
der einheimischen Bevölkerung als anstrebenswerte Muster erscheinen. Ihr Fleiß
und ihre bessere Wirtschaft findet schon darin ihren Ausdruck, daß viele von
ihnen als arme Knechte und Mägde einwanderten, nach zwei Jahrzehnten aber
schon trotz der rechtlosen Zuständen, der Bedrückung durch die türkischen Beamten
und räuberischen Überfällen wohlhabend waren.
Ganz hervorragend ist der deutsche Einfluß auf die Entwicklung der städtischen
Kultur in Rumänien. Die moderne Entwicklung der rumänischen Städte ist zum
großen Teil ein Werk der Deutschen. Nach übereinstimmenden Nachrichten boten
diese Städte, Bukarest und Jassy nicht ausgenommen, noch in der ersten Hälfte des
neunzehnten Jahrhunderts ein jämmerliches Bild; es waren orientalische Orte mit
engen, krummen Gassen; Erdhütten standen inmitten der Häuser; auf den Wegen
erstickte man entweder im Staub oder man blieb im Schmutz stecken. Von
Jassy wird ausdrücklich berichtet (1848), daß die „Deutschen und Juden erst
vor kurzem angefangen haben, einige städtische und mehr zusammenhängende
Häuser zu bauen, wodurch manche Straßen endlich zeigen, daß vielleicht aus
diesem Chaos einst eine Stadt werden könnte". In Bukarest stellte der Öster¬
reicher Freywald 1824 bis 1826 die Straßenpflasterung her; Ernst Meyer aus
Sachsen entwarf 1824 den ersten Plan zur Rohrwasserleitung; der Wiener
Brenner errichtete 1828/29 das erste Hotel mit einer Gartenanlage und der
Major von Brotzin. ein Deutscher, vermaß etwas später wohl zum erstenmal
die Ausdehnung der Stadt, als es sich um die Ausgestaltung des Straßennetzes
und der Wasserleitung handelte. Erwähnt sei auch, daß in Bukarest eine Reihe
der hervorragendsten Bauten von deutschen Meistern, wie Gotterau, Heft, spert,
Dombaumeister Schmidt aus Wien und anderen errichtet wurden.*
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