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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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An der Wiege des Königreichs Rumänien

worfen hatten, Grundlagen, die ziemlich alles beim Alten ließen, nicht die mindeste
Notiz genommen, und eine von ihnen unabhängige Separatkommission für diese
Angelegenheit eingesetzt habe.

Die prinzipielle Abneigung gegen diese Kommisston hat bei beiden durch
die Person, auf welche die Wahl ihrer Regierungen gefallen ist, eine stärkere
Nahrung erhalten, und zu dem Mißbehagen ihren Einfluß auf jene Frage
vermindert zu sehen, ist noch dasjenige gekommen, daß dieser Einfluß auf
Personen übertragen wurde, die sie als Nebenbuhler betrachten zu müssen glauben.

Sir Henry Bulwer hat von Anfang an als politischer Widersacher von
Lord Stratford und als ein Konkurrent desselben sür die Ambassadeurftelle
gegolten.

Baron Koller war vor der Ernennung des Baron Prokesch zum Jnter-
nuntius als außerordentlicher Gesandter und berufener Minister bei der Pforte
akkreditiert, und kam hier mit einer Spezialsendung seines Kaisers sür den
Sultan, dem er den Se. Stephansorden brachte, an, über welche Baron Prokesch
sich verletzt glaubte.

Schon während der ganzen Zeit meiner Anwesenheit, und wo sich nur
eine Gelegenheit darbot, habe ich den Baron Prokesch stets die Maßregel des
Pariser Kongresses kritisieren hören, und ich habe nicht unterlassen. Euer König¬
lichen Majestät schon in früheren ehrfurchtsvollsten Berichten alleruntertänigst
anzuzeigen, daß dieser Diplomat der Meinung ist, daß der Pariser Kongreß
nichts Unverständigeres und Sinnloseres hätte erfinden können, als die Donau¬
fürstentümerkommission und die Diwans, und daß überhaupt so lange nichts
Vernünftiges zustande kommen wird, als bis die Angelegenheit wieder der aus¬
schließlichen Einwirkung der hiesigen Repräsentanten zurückgegeben wird, und
die projektierten Grundlagen vom Februar vorigen Jahres wieder zur Geltung
kommen.

Auf einem Balle bei Lord Stratford am vergangenen Donnerstage, dem
auch die türkischen Autoritäten beiwohnten, hatte ich Gelegenheit, merkwürdige Äuße¬
rungen von Herrn von Prokesch in dieser Richtung zu hören. Es war von unserer,
der Kommissäre, Abreise die Rede, und ich bemerkte, daß zur Beschleunigung
derselben auch die Erklärung der Herren Ambassadeure beigetragen habe, daß
die Kommission sich mit der Konstatierung der Expeditton des Firmans hier
nicht aufzuhalten habe, da die Herren Ambassadeure veranlaßt hätten, daß die
Pforte die diesfällige Mitteilung an die Gesandtschaften richten würde, so daß
nur jeder Kommissär individuell von seiner Gesandtschaft später eine Kommuni¬
katton hierüber erhielte. Baron Prokesch, der durch ein anderes Gespräch, vo"
dem ich erst später Kunde erhielt, im hohen Grade aufgeregt und ganz blaß
war, was ich im ersten Augenblicke, als ich zu ihm herantrat, nicht wahrnahm,
äußerte nun mit der größten Heftigkeit: "Ihm sei von einer hier befindliche"
Donaufürstentümerkommission ganz und gar nichts bekannt, seine Regierung habe
ihm immer nur von einem österreichischen Kommissär geschrieben, über die


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worfen hatten, Grundlagen, die ziemlich alles beim Alten ließen, nicht die mindeste
Notiz genommen, und eine von ihnen unabhängige Separatkommission für diese
Angelegenheit eingesetzt habe.

Die prinzipielle Abneigung gegen diese Kommisston hat bei beiden durch
die Person, auf welche die Wahl ihrer Regierungen gefallen ist, eine stärkere
Nahrung erhalten, und zu dem Mißbehagen ihren Einfluß auf jene Frage
vermindert zu sehen, ist noch dasjenige gekommen, daß dieser Einfluß auf
Personen übertragen wurde, die sie als Nebenbuhler betrachten zu müssen glauben.

Sir Henry Bulwer hat von Anfang an als politischer Widersacher von
Lord Stratford und als ein Konkurrent desselben sür die Ambassadeurftelle
gegolten.

Baron Koller war vor der Ernennung des Baron Prokesch zum Jnter-
nuntius als außerordentlicher Gesandter und berufener Minister bei der Pforte
akkreditiert, und kam hier mit einer Spezialsendung seines Kaisers sür den
Sultan, dem er den Se. Stephansorden brachte, an, über welche Baron Prokesch
sich verletzt glaubte.

Schon während der ganzen Zeit meiner Anwesenheit, und wo sich nur
eine Gelegenheit darbot, habe ich den Baron Prokesch stets die Maßregel des
Pariser Kongresses kritisieren hören, und ich habe nicht unterlassen. Euer König¬
lichen Majestät schon in früheren ehrfurchtsvollsten Berichten alleruntertänigst
anzuzeigen, daß dieser Diplomat der Meinung ist, daß der Pariser Kongreß
nichts Unverständigeres und Sinnloseres hätte erfinden können, als die Donau¬
fürstentümerkommission und die Diwans, und daß überhaupt so lange nichts
Vernünftiges zustande kommen wird, als bis die Angelegenheit wieder der aus¬
schließlichen Einwirkung der hiesigen Repräsentanten zurückgegeben wird, und
die projektierten Grundlagen vom Februar vorigen Jahres wieder zur Geltung
kommen.

Auf einem Balle bei Lord Stratford am vergangenen Donnerstage, dem
auch die türkischen Autoritäten beiwohnten, hatte ich Gelegenheit, merkwürdige Äuße¬
rungen von Herrn von Prokesch in dieser Richtung zu hören. Es war von unserer,
der Kommissäre, Abreise die Rede, und ich bemerkte, daß zur Beschleunigung
derselben auch die Erklärung der Herren Ambassadeure beigetragen habe, daß
die Kommission sich mit der Konstatierung der Expeditton des Firmans hier
nicht aufzuhalten habe, da die Herren Ambassadeure veranlaßt hätten, daß die
Pforte die diesfällige Mitteilung an die Gesandtschaften richten würde, so daß
nur jeder Kommissär individuell von seiner Gesandtschaft später eine Kommuni¬
katton hierüber erhielte. Baron Prokesch, der durch ein anderes Gespräch, vo»
dem ich erst später Kunde erhielt, im hohen Grade aufgeregt und ganz blaß
war, was ich im ersten Augenblicke, als ich zu ihm herantrat, nicht wahrnahm,
äußerte nun mit der größten Heftigkeit: „Ihm sei von einer hier befindliche»
Donaufürstentümerkommission ganz und gar nichts bekannt, seine Regierung habe
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/378>, abgerufen am 28.06.2024.