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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Für oder wider die innere Kolonisation?

rückhaltlos anerkannt werden. So können Außenstehende heute wirklich den
Eindruck gewinnen, daß die Überzeugung von der Notwendigkeit einer plan¬
mäßigen und energischen Durchführung der innere Kolonisation Gemeingut
aller führenden und maßgebenden Kreise unseres Volkes geworden sei, daß es
sich allenfalls in einzelnen Fragen der Ausführung noch um Meinungs¬
verschiedenheiten handeln könne. Dem ist aber doch nicht so. Die Skeptiker
haben leider wieder einmal Recht behalten. Die es wußten, sehen es allhier
bestätigt.

Es gibt namhafte Kreise, die die innere Kolonisation nicht wollen. Weil
sie ihnen unbequem ist.

Auf der diesjährigen Kaisertagung standen wie bekannt die Maßnahmen
zur weiteren Produktionssteigerung der deutschen Landwirtschaft zur Erörterung.
Im Anschluß an die Referate der Rittergutsbesitzer von Lochow - Petkus und
Beseler-Cunrau hatte Professor Sering die nationalwirtschaftliche Bedeutung der
inneren Kolonisation in großen Zügen dargelegt. Der geschlossene Eindruck
dieser Vormittagstagung des Landwirtschaftsrates, der noch erhöht wurde durch
den eingefügten Vortrag den der Kaiser als Gutsherr von Kabiren hielt, sollte
doch noch in eine Disharmonie ausklingen, als Herr von Oldenburg sich zum
Wort meldete. Eine Disharmonie für alle, denen es mit der Siedlungsarbeit
ernst ist.

In der Resolution des deutschen Landwirtschaftsrates heißt es wörtlich,
nachdem auf. die Kultivierung und Besiedlung der Ödländereien hingewiesen ist:

"Aber auch auf der bisherigen Kulturfläche ist in den Gebieten, welche
unter Abnahme der Landbevölkerung und unter Mangel an einheimischen
Arbeitskräften leiden, aus landwirtschaftlichen, volkswirtschaftlichen und politischen
Gründen die planmäßige Ansiedlung von selbständigen Landwirten dringend
geboten mit dem Ziele, eine gesunde Mischung von kleinen, mittleren und
großen Gütern herbeizuführen.

Diese innere Kolonisation sowohl auf kultivierten Neuland, wie alten?
Kulturland sollte möglichst im nächsten Menschenalter durchgeführt werden,
weil später in dem noch weiter fortgeschrittenen Industrie- und Handelsstaat
die dazu notwendigen und tauglichen Menschenkräfte voraussichtlich fehlen
werden."

So der deutsche Landwirtschaftsrat als Körperschaft. Und nun Herr
von Oldenburg.

An den anwesenden Landwirtschaftsminister richtete Herr von Oldenburg
zunächst den dringenden Appell, Domänen nur auszuteilen, so weit es unbedingt
notwendig sei. Bekanntlich ist im Vorjahre der Antrag Engelbrecht, die Staats¬
regierung zu ersuchen "in stärkerem Maße als bisher pachtfrei werdende
Domänen in bäuerlichen Besitz überzuführen", einstimmig im Abgeordnetenhaus
angenommen worden. Gemäß einer amtlichen Zusammenstellung (im Februar-
Heft des "Archives für innere Kolonisation" veröffentlicht), sind von 1902 bis


Grenzboten I 191S 24
Für oder wider die innere Kolonisation?

rückhaltlos anerkannt werden. So können Außenstehende heute wirklich den
Eindruck gewinnen, daß die Überzeugung von der Notwendigkeit einer plan¬
mäßigen und energischen Durchführung der innere Kolonisation Gemeingut
aller führenden und maßgebenden Kreise unseres Volkes geworden sei, daß es
sich allenfalls in einzelnen Fragen der Ausführung noch um Meinungs¬
verschiedenheiten handeln könne. Dem ist aber doch nicht so. Die Skeptiker
haben leider wieder einmal Recht behalten. Die es wußten, sehen es allhier
bestätigt.

Es gibt namhafte Kreise, die die innere Kolonisation nicht wollen. Weil
sie ihnen unbequem ist.

Auf der diesjährigen Kaisertagung standen wie bekannt die Maßnahmen
zur weiteren Produktionssteigerung der deutschen Landwirtschaft zur Erörterung.
Im Anschluß an die Referate der Rittergutsbesitzer von Lochow - Petkus und
Beseler-Cunrau hatte Professor Sering die nationalwirtschaftliche Bedeutung der
inneren Kolonisation in großen Zügen dargelegt. Der geschlossene Eindruck
dieser Vormittagstagung des Landwirtschaftsrates, der noch erhöht wurde durch
den eingefügten Vortrag den der Kaiser als Gutsherr von Kabiren hielt, sollte
doch noch in eine Disharmonie ausklingen, als Herr von Oldenburg sich zum
Wort meldete. Eine Disharmonie für alle, denen es mit der Siedlungsarbeit
ernst ist.

In der Resolution des deutschen Landwirtschaftsrates heißt es wörtlich,
nachdem auf. die Kultivierung und Besiedlung der Ödländereien hingewiesen ist:

„Aber auch auf der bisherigen Kulturfläche ist in den Gebieten, welche
unter Abnahme der Landbevölkerung und unter Mangel an einheimischen
Arbeitskräften leiden, aus landwirtschaftlichen, volkswirtschaftlichen und politischen
Gründen die planmäßige Ansiedlung von selbständigen Landwirten dringend
geboten mit dem Ziele, eine gesunde Mischung von kleinen, mittleren und
großen Gütern herbeizuführen.

Diese innere Kolonisation sowohl auf kultivierten Neuland, wie alten?
Kulturland sollte möglichst im nächsten Menschenalter durchgeführt werden,
weil später in dem noch weiter fortgeschrittenen Industrie- und Handelsstaat
die dazu notwendigen und tauglichen Menschenkräfte voraussichtlich fehlen
werden."

So der deutsche Landwirtschaftsrat als Körperschaft. Und nun Herr
von Oldenburg.

An den anwesenden Landwirtschaftsminister richtete Herr von Oldenburg
zunächst den dringenden Appell, Domänen nur auszuteilen, so weit es unbedingt
notwendig sei. Bekanntlich ist im Vorjahre der Antrag Engelbrecht, die Staats¬
regierung zu ersuchen „in stärkerem Maße als bisher pachtfrei werdende
Domänen in bäuerlichen Besitz überzuführen", einstimmig im Abgeordnetenhaus
angenommen worden. Gemäß einer amtlichen Zusammenstellung (im Februar-
Heft des „Archives für innere Kolonisation" veröffentlicht), sind von 1902 bis


Grenzboten I 191S 24
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[0373] Für oder wider die innere Kolonisation? rückhaltlos anerkannt werden. So können Außenstehende heute wirklich den Eindruck gewinnen, daß die Überzeugung von der Notwendigkeit einer plan¬ mäßigen und energischen Durchführung der innere Kolonisation Gemeingut aller führenden und maßgebenden Kreise unseres Volkes geworden sei, daß es sich allenfalls in einzelnen Fragen der Ausführung noch um Meinungs¬ verschiedenheiten handeln könne. Dem ist aber doch nicht so. Die Skeptiker haben leider wieder einmal Recht behalten. Die es wußten, sehen es allhier bestätigt. Es gibt namhafte Kreise, die die innere Kolonisation nicht wollen. Weil sie ihnen unbequem ist. Auf der diesjährigen Kaisertagung standen wie bekannt die Maßnahmen zur weiteren Produktionssteigerung der deutschen Landwirtschaft zur Erörterung. Im Anschluß an die Referate der Rittergutsbesitzer von Lochow - Petkus und Beseler-Cunrau hatte Professor Sering die nationalwirtschaftliche Bedeutung der inneren Kolonisation in großen Zügen dargelegt. Der geschlossene Eindruck dieser Vormittagstagung des Landwirtschaftsrates, der noch erhöht wurde durch den eingefügten Vortrag den der Kaiser als Gutsherr von Kabiren hielt, sollte doch noch in eine Disharmonie ausklingen, als Herr von Oldenburg sich zum Wort meldete. Eine Disharmonie für alle, denen es mit der Siedlungsarbeit ernst ist. In der Resolution des deutschen Landwirtschaftsrates heißt es wörtlich, nachdem auf. die Kultivierung und Besiedlung der Ödländereien hingewiesen ist: „Aber auch auf der bisherigen Kulturfläche ist in den Gebieten, welche unter Abnahme der Landbevölkerung und unter Mangel an einheimischen Arbeitskräften leiden, aus landwirtschaftlichen, volkswirtschaftlichen und politischen Gründen die planmäßige Ansiedlung von selbständigen Landwirten dringend geboten mit dem Ziele, eine gesunde Mischung von kleinen, mittleren und großen Gütern herbeizuführen. Diese innere Kolonisation sowohl auf kultivierten Neuland, wie alten? Kulturland sollte möglichst im nächsten Menschenalter durchgeführt werden, weil später in dem noch weiter fortgeschrittenen Industrie- und Handelsstaat die dazu notwendigen und tauglichen Menschenkräfte voraussichtlich fehlen werden." So der deutsche Landwirtschaftsrat als Körperschaft. Und nun Herr von Oldenburg. An den anwesenden Landwirtschaftsminister richtete Herr von Oldenburg zunächst den dringenden Appell, Domänen nur auszuteilen, so weit es unbedingt notwendig sei. Bekanntlich ist im Vorjahre der Antrag Engelbrecht, die Staats¬ regierung zu ersuchen „in stärkerem Maße als bisher pachtfrei werdende Domänen in bäuerlichen Besitz überzuführen", einstimmig im Abgeordnetenhaus angenommen worden. Gemäß einer amtlichen Zusammenstellung (im Februar- Heft des „Archives für innere Kolonisation" veröffentlicht), sind von 1902 bis Grenzboten I 191S 24

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/373>, abgerufen am 22.12.2024.