Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.Briefe aus Trebeldorf Das sind unvergeßliche Klänge, die sich einem tief, tief in die Seele hinein¬ Trotz allem gebe ich mir Mühe, allen möglichst fern zu bleiben. Mit Lieber nicht! Ich bin zwar in meinem Beruf konkurrenzlos, aber die Auch der kleine Apotheker hat als weitschauender Politikus erkannt, welch Was ist geschehen? Die fürsorglichen Mamas samt ihren Küchlein kaufen Da rächt sich das Schicksal. Der Drogist, "ein entzückender junger Mann Meine Feder ist zu stumpf, der Schatz meiner Worte zu armselig, um das Die Geschichte ist ganz neu. Ganz Trebeldorf steht unter diesem erschütternden Jetzt lacht sich der Apotheker wieder ins Fäustchen. Er hat inzwischen In Summa? Briefe aus Trebeldorf Das sind unvergeßliche Klänge, die sich einem tief, tief in die Seele hinein¬ Trotz allem gebe ich mir Mühe, allen möglichst fern zu bleiben. Mit Lieber nicht! Ich bin zwar in meinem Beruf konkurrenzlos, aber die Auch der kleine Apotheker hat als weitschauender Politikus erkannt, welch Was ist geschehen? Die fürsorglichen Mamas samt ihren Küchlein kaufen Da rächt sich das Schicksal. Der Drogist, „ein entzückender junger Mann Meine Feder ist zu stumpf, der Schatz meiner Worte zu armselig, um das Die Geschichte ist ganz neu. Ganz Trebeldorf steht unter diesem erschütternden Jetzt lacht sich der Apotheker wieder ins Fäustchen. Er hat inzwischen In Summa? <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0335" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/325205"/> <fw type="header" place="top"> Briefe aus Trebeldorf</fw><lb/> <p xml:id="ID_1382"> Das sind unvergeßliche Klänge, die sich einem tief, tief in die Seele hinein¬<lb/> schmeicheln. Den! nur: „Veronika Pümpel!" — Welch eine Musik darin!</p><lb/> <p xml:id="ID_1383"> Trotz allem gebe ich mir Mühe, allen möglichst fern zu bleiben. Mit<lb/> allzu erbarmungsloser Offenheit predigt das Schicksal der armen Angelika Bläulich<lb/> und des Doktor Welker von der Tiefe des Abgrundes, in den man sich hinein¬<lb/> stürzt, sobald man eine unter ihnen zu seiner Erkorenen erhebt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1384"> Lieber nicht! Ich bin zwar in meinem Beruf konkurrenzlos, aber die<lb/> Strahlenkrone würden sie mir vom Haupte reißen, und um meinen Nimbus<lb/> wärs geschehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1385"> Auch der kleine Apotheker hat als weitschauender Politikus erkannt, welch<lb/> Wagnis es ist, sich mit einer Trebeldorferin zu paaren. Drum hat er von<lb/> Anfang erklärt, daß er sein Leben im Zustande des Zölibats zu beschließen<lb/> gedenke. Da ist er aber richtig ins Fettnäpfchen getreten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1386"> Was ist geschehen? Die fürsorglichen Mamas samt ihren Küchlein kaufen<lb/> alles in der Drogenhandlung. Sie bereden den Drogisten, alle möglichen<lb/> Artikel zu führen, die er dem Apotheker zum Tort nur irgend verkaufen darf.<lb/> Sie führen ihm eine Menge neuer Kundschaft zu, und sein Geschäft geht brillant.<lb/> Der Apotheker schaut abseits grollend aus finsteren Augen zu.</p><lb/> <p xml:id="ID_1387"> Da rächt sich das Schicksal. Der Drogist, „ein entzückender junger Mann<lb/> von stets gleicher Zuvorkommenheit" gegen alles, was weiblich ist, glaubt nun¬<lb/> mehr, da er fett in der Wolle sitzt, es wagen zu dürfen: eines Tages plötzlich<lb/> blitzt an seinem Finger der Verlobungsring, den der „niederträchtige Kerl"<lb/> während der ganzen zwei Jahre, seit er den Laden aufgemacht hat, mit heim¬<lb/> tückischer Arglist im geheimsten Schubfach seiner Weste verborgen gehalten hat.<lb/> Er ist verlobt mit einer Hamburgerin. In vier Wochen soll Hochzeit sein, und<lb/> nun muß er heraus mit dem Ladestock.</p><lb/> <p xml:id="ID_1388"> Meine Feder ist zu stumpf, der Schatz meiner Worte zu armselig, um das<lb/> Gewitter von Verwünschungen, Flüchen, Empörungs- und Entrüstungsausrufen<lb/> zu beschreiben, das nun in Trebeldorf niedergerasselt ist. So ein „infames,<lb/> abgefeimtes, nichtsnutziges, ordinäres Schwindelmanöver" ist seit Urzeiten nicht<lb/> dagewesen, wie es dieser „Betrüger", dieser „Halunke", dieser „Spitzbube",<lb/> dieser „Kundenschleicher", dieser „Speichellecker" in Szene gesetzt hat. „Alt soll<lb/> er werden, hundert Jahre! Tanzen soll er, sein ganzes Leben, barfuß auf<lb/> Glasscherben! Zuletzt soll ihn der Satan holen und braten auf dem glühendsten<lb/> Rost!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1389"> Die Geschichte ist ganz neu. Ganz Trebeldorf steht unter diesem erschütternden<lb/> Eindruck.</p><lb/> <p xml:id="ID_1390"> Jetzt lacht sich der Apotheker wieder ins Fäustchen. Er hat inzwischen<lb/> sein unbedachtes Wort halbwegs zurückgenommen. Seit drei Tagen kann ers<lb/> mit seinen zwei Händen nicht schaffen im Laden, und der Drogenhändler steht<lb/> vor einer ausfichtsvollen Ptene.</p><lb/> <p xml:id="ID_1391"> In Summa?</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0335]
Briefe aus Trebeldorf
Das sind unvergeßliche Klänge, die sich einem tief, tief in die Seele hinein¬
schmeicheln. Den! nur: „Veronika Pümpel!" — Welch eine Musik darin!
Trotz allem gebe ich mir Mühe, allen möglichst fern zu bleiben. Mit
allzu erbarmungsloser Offenheit predigt das Schicksal der armen Angelika Bläulich
und des Doktor Welker von der Tiefe des Abgrundes, in den man sich hinein¬
stürzt, sobald man eine unter ihnen zu seiner Erkorenen erhebt.
Lieber nicht! Ich bin zwar in meinem Beruf konkurrenzlos, aber die
Strahlenkrone würden sie mir vom Haupte reißen, und um meinen Nimbus
wärs geschehen.
Auch der kleine Apotheker hat als weitschauender Politikus erkannt, welch
Wagnis es ist, sich mit einer Trebeldorferin zu paaren. Drum hat er von
Anfang erklärt, daß er sein Leben im Zustande des Zölibats zu beschließen
gedenke. Da ist er aber richtig ins Fettnäpfchen getreten.
Was ist geschehen? Die fürsorglichen Mamas samt ihren Küchlein kaufen
alles in der Drogenhandlung. Sie bereden den Drogisten, alle möglichen
Artikel zu führen, die er dem Apotheker zum Tort nur irgend verkaufen darf.
Sie führen ihm eine Menge neuer Kundschaft zu, und sein Geschäft geht brillant.
Der Apotheker schaut abseits grollend aus finsteren Augen zu.
Da rächt sich das Schicksal. Der Drogist, „ein entzückender junger Mann
von stets gleicher Zuvorkommenheit" gegen alles, was weiblich ist, glaubt nun¬
mehr, da er fett in der Wolle sitzt, es wagen zu dürfen: eines Tages plötzlich
blitzt an seinem Finger der Verlobungsring, den der „niederträchtige Kerl"
während der ganzen zwei Jahre, seit er den Laden aufgemacht hat, mit heim¬
tückischer Arglist im geheimsten Schubfach seiner Weste verborgen gehalten hat.
Er ist verlobt mit einer Hamburgerin. In vier Wochen soll Hochzeit sein, und
nun muß er heraus mit dem Ladestock.
Meine Feder ist zu stumpf, der Schatz meiner Worte zu armselig, um das
Gewitter von Verwünschungen, Flüchen, Empörungs- und Entrüstungsausrufen
zu beschreiben, das nun in Trebeldorf niedergerasselt ist. So ein „infames,
abgefeimtes, nichtsnutziges, ordinäres Schwindelmanöver" ist seit Urzeiten nicht
dagewesen, wie es dieser „Betrüger", dieser „Halunke", dieser „Spitzbube",
dieser „Kundenschleicher", dieser „Speichellecker" in Szene gesetzt hat. „Alt soll
er werden, hundert Jahre! Tanzen soll er, sein ganzes Leben, barfuß auf
Glasscherben! Zuletzt soll ihn der Satan holen und braten auf dem glühendsten
Rost!"
Die Geschichte ist ganz neu. Ganz Trebeldorf steht unter diesem erschütternden
Eindruck.
Jetzt lacht sich der Apotheker wieder ins Fäustchen. Er hat inzwischen
sein unbedachtes Wort halbwegs zurückgenommen. Seit drei Tagen kann ers
mit seinen zwei Händen nicht schaffen im Laden, und der Drogenhändler steht
vor einer ausfichtsvollen Ptene.
In Summa?
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |